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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 28.10.2005
Aktenzeichen: V ZR 91/05
Rechtsgebiete: InVorG, VermG


Vorschriften:

InVorG § 16 Abs. 1
InVorG § 21b
InVorG § 21b Abs. 1 Satz 5
InVorG § 21b Abs. 3 Satz 1
InVorG § 21b Abs. 3 Satz 2
InVorG § 21b Abs. 3 Satz 3
VermG § 3 Abs. 1
VermG § 7 Abs. 7
VermG § 7 Abs. 7 Satz 1
VermG § 7 Abs. 7 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 91/05

Verkündet am: 28. Oktober 2005

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat ohne mündliche Verhandlung auf der Grundlage der bis zum 27. September 2005 eingereichten Schriftsätze der Parteien durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann sowie die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 24. Februar 2005 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Nutzung eines Grundstücks im früheren Ostteil von Berlin.

N. T. und H. K. waren zu gleichen Teilen Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. Sie waren jüdischer Herkunft. Mit Vertrag vom 10. Juni 1940 wurde das Grundstück an G. Ku. verkauft. Er wurde am 7. Januar 1942 in das Grundbuch eingetragen. Durch Beschluss vom 1. Januar 1984 wurde das Grundstück in Volkseigentum überführt.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands beantragten H. N. als Erbin nach G. Ku. sowie P. Ke. und die Klägerin als Berechtigte nach den jüdischen Verfolgten die Rückübertragung des Grundstücks. Am 22. Juni 1995 wurde das Grundstück der Beklagten zugeordnet. Am 25. März 1998 beantragte die Beklagte die vereinfachte Rückübertragung des Grundstücks gem. § 21b InVorG. Der Verkehrswert des Grundstücks wurde mit 880.000 DM festgestellt. Als Erbin von P. Ke. bot A. Ke. in dem auf den 3. September 1998 bestimmten Anhörungstermin diesen Betrag als Ablösungsbetrag gem. § 21b Abs. 1 Satz 5, Abs. 3 Satz 3 InVorG an. Durch Investitionsvorrangbescheid vom 9. Dezember 1998 wurde ihr das Grundstück übertragen. Der Bescheid wurde am 1. Oktober 1999 bestandskräftig.

Durch Bescheid vom 25. Juni 2001 wurde die Berechtigung der Klägerin wegen des Miteigentumsanteils von N. T. an dem Grundstück festgestellt. Der von H. N. gestellte Rückübertragungsantrag wurde zurückgewiesen. Der Bescheid wurde am 6. August 2001 bestandskräftig. Mit Bescheid vom 13. Februar 2003 wurde die Berechtigung der Klägerin auch wegen des Miteigentumsanteils von H. K. festgestellt und der von P. Ke. gestellte Antrag zurückgewiesen. Der Bescheid wurde am 27. März 2003 bestandskräftig. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2001 bzw. 7. Mai 2003 verlangte die Klägerin von der Beklagten unter Hinweis auf § 7 Abs. 7 VermG wegen ihrer jeweils festgestellten Berechtigung Auskunft über die aus der Vermietung des Grundstücks erzielten und offen stehenden Erträge.

Die Klägerin hat im Wege der Stufenklage beantragt, die Beklagte zur Auskunft über die zwischen dem 1. Juli 1994 und dem 27. März 2003 aufgrund der Vermietung bzw. Verpachtung des Hauses gezogenen oder ausstehenden Entgelte und zu deren Auskehrung bzw. Abtretung an sich zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Über ihre weiterverfolgten Anträge hinaus hat die Klägerin im Berufungsrechtszug hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Auskunft über Schadensersatzansprüche und zur Zahlung hiernach bezifferten Schadensersatzes beantragt. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer von dem Kammergericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht verneint die geltend gemachten Ansprüche. Es meint, die Klägerin könne die Herausgabe der von der Beklagten gezogenen Nutzungsentgelte nicht verlangen. Daher schulde die Beklagte der Klägerin auch keine Auskunft. § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG finde auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien keine Anwendung, weil das Eigentum an dem Grundstück nicht nach dem Vermögensgesetz übertragen worden sei. Einer entsprechenden Anwendung der Vorschrift stehe entgegen, dass das Grundstück nicht auf die Klägerin, sondern auf A. Ke. übertragen worden sei. Mit dem Anspruch auf Erstattung des Verkehrswerts des Grundstücks gem. § 21b Abs. 1 Satz 5 InVorG gegen A. Ke. seien die Ansprüche der Klägerin im Hinblick auf die Verfolgung von H. K. und N. T. abschließend geregelt.

Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

II.

1. Soweit die Klägerin Auskunft wegen der von der Beklagten nach der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück auf A. Ke. durch den Eintritt der Bestandskraft des Investitionsvorrangbescheids vom 9. Dezember 1998 gezogenen Nutzungen und deren Auskehrung verlangt, ist eine Anspruchsgrundlage nicht zu erkennen. Sofern die Beklagte über diesen Zeitpunkt hinaus Nutzungen aus dem Grundstück gezogen hat, gebühren diese unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt der Klägerin.

2. Auch im Übrigen besteht der geltend gemachte Anspruch nicht. Das Berufungsgericht hat eine entsprechende Anwendung von § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG zutreffend verneint. Voraussetzung der entsprechenden Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift ist, dass der zur Beurteilung stehende Sachverhalt mit dem Sachverhalt vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, und dass die in der Gesetzesnorm zum Ausdruck kommende Interessenabwägung für den gesetzlich nicht geregelten Sachverhalt in gleicher Weise zutrifft und Geltung fordert (Senat, BGHZ 142, 111, 113; BGH, Urt. v. 8. Dezember 1997, II ZR 217/96, WM 1998, 384, 385). So verhält es sich hier nicht.

a) Die Restitution erfolgt grundsätzlich durch Rückübertragung des Eigentums an dem verlorenen Vermögenswert auf den Berechtigten, § 3 Abs. 1 VermG. Bis zur Rückübertragung ist der Verfügungsberechtigte Eigentümer. Ihm steht die Nutzung des Vermögensgegenstandes zu, § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG (st. Rspr., vgl. Senat, BGHZ 128, 210, 212; 141, 232, 235; BGH, BGHZ 137, 183, 186). Etwas anderes gilt gem. § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG nur, wenn die Rückübertragung auf den Berechtigten erfolgt. Daran fehlt es, wenn die Rückübertragung unterbleibt. Wird ein zurückzuübertragendes Grundstück nicht auf den Berechtigten, sondern auf einen Dritten übertragen, erlischt der Anspruch des Berechtigten auf Rückübertragung. An seiner Stelle erhält der Berechtigte einen Anspruch auf Ausgleich. Ihm steht wegen des Verlustes des Rückübertragungsanspruchs ein Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrags in Höhe der auf das betroffene Grundstück als Vermögenswert entfallenden Geldleistung, mindestens aber in Höhe des Verkehrswertes zu. Das bedeutet eine in sich geschlossene, mit der Grundregel von § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG in Einklang stehende Regelung. Ein dennoch bestehender Anspruch gegen den Verfügungsberechtigten, den aus dem Grundstück erwirtschafteten Ertrag auszukehren, liefe im Ansatz auf eine nicht gewollte Zuordnung des Vermögenswertes an den Berechtigten vor der Rückübertragung hinaus (vgl. zu § 16 Abs. 1 InVorG Senat, BGHZ 142, 111, 113 f; Kolb, NJ 1999, 655; Nolting, EWiR 2000, § 7 VermG, 103, 104; Budde-Hermann in Kimme, Offene Vermögensfragen, § 7 VermG Rdn. 82; Wegner, ebenda, § 16 InVorG, Rdn. 62; ferner OLG Rostock VIZ 1998, 92, 93; kritisch Weber LM InVorG Nr. 2; a.M. Drygalski/Hecker in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 16 InVorG, Rdn. 31; Meyer-Seitz in Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG § 7 Rdn. 62; Eckhoff, VIZ 2000, 78).

Die Übertragung des Eigentums an einem Wohngrundstück auf einen Dritten nach § 21b InVorG gebietet keine Durchbrechung dieses Grundsatzes. Folge der Übertragung ist, dass der Anspruch des Berechtigten auf Rückübertragung erlischt. An seine Stelle tritt gem. § 21b Abs. 1 Satz 5 InVorG der Anspruch gegen den Dritten auf den Betrag, den der Dritte für den Fall angeboten hat, dass seine Berechtigung verneint wird, mindestens aber der Anspruch auf den Verkehrswert des Grundstücks, § 21b Abs. 3 Satz 3 InVorG. Die rechtliche Lage ist für den Berechtigten grundsätzlich nicht anders als bei einer investiven Veräußerung nach § 16 Abs. 1 InVorG. Der Wortlaut von § 21b InVorG bleibt insoweit nicht hinter seinem Sinn zurück.

b) Etwas anderes ist dem Urteil des Senats vom 25. Februar 2005 (V ZR 105/04, ZOV 2005, 88 ff.) nicht zu entnehmen. Der Senat hat in diesem Urteil ausgeführt, dass es für den Anspruch aus § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG ohne Bedeutung ist, ob die Rückübertragung auf den Berechtigten nach § 3 Abs. 1 VermG oder im vereinfachten Verfahren nach § 21b InVorG erfolgt, weil das Verwaltungsverfahren, das zur Rückübertragung führt, keinen Einfluss auf den Inhalt der Ansprüche des Berechtigten haben kann. Damit hat der vorliegende Fall nichts zu tun. Das Grundstück, um dessen Nutzungen die Parteien streiten, ist weder auf die Klägerin zurück übertragen worden, noch kommt seine Übertragung auf die Klägerin künftig in Betracht.

Entgegen der Meinung der Revision erfordert die Interessenlage auch keine Ausweitung der Regelung von § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG auf den hier gegebenen Fall. Nach dem von der Klägerin vorgelegten Investitionsvorrangbescheid vom 9. Dezember 1998 waren die Klägerin, H. N. und P. Ke. zum Anhörungstermin vom 3. September 1998 geladen. Der Klägerin stand es grundsätzlich offen, sich in diesem Termin, spätestens aber bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheids vom 9. Dezember 1998 mit A. Ke. zu einigen, § 21b Abs. 3 Satz 1, 2 InVorG, oder, sofern sie sich ihrer Berechtigung sicher war, einen höheren als den von A. Ke. gebotenen Betrag anzubieten und so die Voraussetzungen für die Rückübertragung des Grundstücks auf sich herbeizuführen, § 21b Abs. 1 Satz 5, Abs. 3 Satz 3 InVorG. Mit der Bestandskraft eines entsprechenden Bescheids hätte die Klägerin das Grundstück erworben. Mit der Feststellung ihrer Berechtigung wären die Voraussetzungen eingetreten, aufgrund derer sie nach den Grundsätzen des Senatsurteils vom 25. Februar 2005 die Auskehrung der von der Beklagten durch die Nutzung des Grundstücks erzielten Erträge hätte verlangen können.

c) Damit wäre auch der von der Revision aufgezeigten Gefahr begegnet gewesen, Wertersatz nur für ein "ausgebeutetes" Grundstück zu erhalten und die seit dem 1. Juli 1994 gezogenen Nutzungen der Beklagten belassen zu müssen. Dass die Klägerin an dem auf den 3. September 1998 bestimmten Anhörungstermin nicht teilgenommen, den Weg zur Übertragung des Grundstücks auf A. Ke. freigemacht und sich den Zugriff auf die von der Beklagten gezogenen Nutzungen verschlossen hat, beruht auf einer Willensentscheidung der Klägerin und nicht auf einer gesetzlichen Regelung, die gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstieße.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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