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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 28.01.2003
Aktenzeichen: VI ZB 29/02
Rechtsgebiete: EGZPO, ZPO


Vorschriften:

EGZPO § 26 Nr. 8
ZPO § 234
ZPO § 238 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 4
ZPO § 544
ZPO § 574 Abs. 2
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 29/02

vom

28. Januar 2003

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 3. Mai 2002 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 2.556,45 €.

Gründe:

I.

Die von der Klägerin erhobene Schmerzensgeldklage ist durch Urteil des Amtsgerichts G. vom 21. Februar 2002, ihr zugestellt am 22. Februar 2002, abgewiesen worden.

Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin fertigte am 21. März 2002 die Berufungsschrift und beabsichtigte, diese vorab per Telefax an das Landgericht F. zu senden. Versehentlich faxte er jedoch die an das zuständige Landgericht F. adressierte Berufungsschrift am Abend des 21. März 2002 unter Verwendung der im "Ortsverzeichnis" aufgeführten Fax - Nummer des Amtsgerichts F. . Er war beim Heraussuchen der Nummer in die falsche Spalte geraten. Das Original der Berufungsschrift versandte er am 22. März 2002 im Postwege. Dieses Original ging am 26. März 2002 beim Landgericht F. ein. Das am 21. März 2002 um 21.11 Uhr auf dem Faxgerät des Amtsgerichts F. eingetroffene Fax ist am 27. März 2002 an das Landgericht gelangt.

Das Landgericht hat die Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Maßgeblich sei der Eingang des Fax beim Landgericht am 27. März 2002. Der von der Klägerin gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung sei bereits wegen Versäumung der Frist des § 234 ZPO unzulässig. Überdies sei er unbegründet. Auch bei umgehender Weiterleitung im normalen Geschäftsgang wäre das Berufungsfax frühestens am darauffolgenden Montag, dem 25. März 2002, und damit nach Fristablauf zum Berufungsgericht gelangt.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Soweit sie sich gegen den die Berufung als unzulässig verwerfenden Teil des Beschlusses richtet, ist die Rechtsbeschwerde das nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsmittel. Soweit mit ihr zugleich die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsgesuchs angegriffen wird, folgt die Statthaftigkeit aus § 238 Abs. 2 ZPO, wonach ebenfalls § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO anwendbar ist (vgl. BGH, Beschluß vom 29. Mai 2002 - V ZB 11/02 - VersR 2002, 1257 f.). Der Statthaftigkeit steht auch nicht entgegen, daß der Wert der geltend gemachten Beschwer 20.000 € nicht übersteigt. Diese Wertgrenze gilt nach § 26 Nr. 8 EGZPO nur für die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO und kann auf die Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluß nicht entsprechend angewendet werden (vgl. BGH, Beschluß vom 4. September 2002 - VIII ZB 23/02 - NJW 2002, 3783; vom 19. September 2002 - V ZB 31/02 - NJW-RR 2003, 132; vom 31. Oktober 2002 - III ZB 17/02 - BGHReport 2003, 93).

2. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.

a) Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann oder andere Auswirkungen auf die Allgemeinheit hat, die deren Interessen im besonderen Maße berühren (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Juli 2002 - V ZB 16/02 - NJW 2002, 3029 und vom 1. Oktober 2002 - XI ZR 71/02 - NJW 2003, 65, 67). Die in der Rechtsbeschwerde aufgezeigten Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind nämlich durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt.

aa) Aus dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich, daß es für den rechtzeitigen Eingang darauf ankommt, wann das zuständige Gericht die tatsächliche Verfügungsgewalt über das eingegangene Schriftstück erhalten hat (vgl. BGH, Senatsbeschluß vom 18. Februar 1997 - VI ZB 28/96 - NJW-RR 1997, 892, 893 und Beschluß vom 13. Oktober 1982 - IVb ZB 154/82 - VersR 1983, 59; BAG, Urteil vom 29. August 2001 - 4 AZR ZR 388/00 - NJW 2002, 845, 846; BVerfG, Beschlüsse vom 29. April 1981 - 1 BvR 159/80, BVerfGE 57, 117, 120 f. und vom 3. Oktober 1979 - 10 BvR 726/78, BVerfGE 52, 203, 206 ff.). Daraus ergibt sich, daß die beim Faxgerät eines anderen Gerichts eingehende Berufungsschrift zum Zeitpunkt des Empfangs noch nicht bei dem zuständigen Gericht eingegangen ist.

bb) Im übrigen ist seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 99, 115) in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, daß ein unzuständiges Gericht grundsätzlich nur verpflichtet ist, fristgebundende Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, die bei ihm eingereicht werden, im ordentlichen Geschäftsgang an das zuständige Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Zu Maßnahmen außerhalb des ordentlichen Geschäftsgangs besteht dagegen keine Verpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1997 - II ZR 85/97 - VersR 1998, 608, 609; Beschlüsse vom 11. Februar 1998 - VIII ZB 50/97 - VersR 1998, 1437, 1438; vom 3. September 1998 - IX ZB 46/98 - VersR 1999, 1170, 1171; vom 29. November 1999 - NotZ 10/99 - NJW 2000, 737 f.; vom 27. Juli 2000 - III ZB 28/00 - NJW-RR 2000, 1730, 1731; vom 26. Oktober 2000 - V ZB 32/00 - bei juris).

Ob im vorliegenden Fall nach diesen Grundsätzen verfahren worden ist, ist eine Frage des Einzelfalls und bedarf keiner höchstrichterlichen Beurteilung. Im übrigen hat das Berufungsgericht festgestellt, daß das Berufungsfax auch bei umgehender Weiterleitung im normalen Geschäftsgang nicht rechtzeitig zum Berufungsgericht gelangt wäre.

b) Aus diesen Gründen bedarf es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch keiner Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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