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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.11.2001
Aktenzeichen: VI ZB 9/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 202 Abs. 2
ZPO § 418 Abs. 1
Die Zustellung einer Klageschrift im Ausland kann nach § 202 Abs. 2 ZPO durch das schriftliche Zeugnis der ersuchten Behörde mit der Beweiskraft des § 418 Abs. 1 ZPO, die auch der entsprechenden Urkunde der britischen Behörde zukommt, nachgewiesen werden.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 9/01

vom

13. November 2001

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. November 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, die Richter Dr. Dressler und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Stöhr

beschlossen:

Tenor:

Die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 17. Januar 2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Streitwert: 520.000 DM

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten mit ihrer am 20. Oktober 1998 beim Landgericht eingegangenen Klage auf Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von 520.000 DM in Anspruch. Mit Verfügung vom 23. Oktober 1998 ordnete der Vorsitzende der mit der Sache befaßten Zivilkammer das schriftliche Vorverfahren an und forderte den Beklagten zugleich auf, binnen einer Notfrist von zwei Wochen seine Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen und in diesem Falle binnen einer Frist von weiteren vier Wochen auf das Klagevorbringen zu erwidern. Ferner wurde der Beklagte, als dessen Wohnsitz eine Adresse im Vereinigten Königreich angegeben war, aufgefordert, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.

Klageschrift, Verfügung und Aufforderung zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten wurden dem Beklagten jeweils nach Übersetzung in die englische Sprache am 9. Februar 1999 im Verfahren nach § 199 ZPO zugestellt. Der entsprechenden Bestätigung der um die Zustellung ersuchten britischen Behörde (Senior Master Dept.-Supreme Court of England & Wales) "in Übereinstimmung mit Art. 6 der Konvention", nämlich des Haager Zustellungsübereinkommens, ist zu entnehmen, daß die Schriftstücke in einem gesiegelten, adressierten Umschlag unter der angegebenen Anschrift in einen Briefkasten des Beklagten eingeworfen worden sind.

Da bis zum 15. März 1999 weder die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft noch eine Klageerwiderung zu den Akten gelangt waren, erließ das Landgericht nach Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter an diesem Tage antragsgemäß gegen den Beklagten ein Versäumnisurteil, welches am 16. März 1999 im Wege der vereinfachten Zustellung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Post gegeben wurde. Eine Bestimmung der Einspruchsfrist gemäß § 339 Abs. 2 ZPO erfolgte nicht.

Gegen dieses Versäumnisurteil wandte sich der Beklagte mit einem am 30. März 1999 beim Landgericht eingegangenen Schreiben vom 22. März 1999, mit welchem er in englischer Sprache zum Ausdruck brachte, weder die Klageschrift noch die dieser beigefügten Schriftstücke erhalten zu haben. Zugleich bat der Beklagte um Benennung eines geeigneten Rechtsanwalts sowie um Mitteilung der Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe.

Auf dieses Schreiben übersandte der Einzelrichter dem Beklagten mit Schreiben vom 26. April 1999 eine Liste der beim Landgericht zugelassenen Rechtsanwälte sowie das amtliche Formular für einen Prozeßkostenhilfeantrag. Zugleich wies er den Beklagten auf die Möglichkeiten für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist hin. Auch dieses Schreiben wurde dem Beklagten im Wege der vereinfachten Zustellung nach § 175 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Aufgabe zur Post am 29. April 1999 übersandt. Eine Reaktion des Beklagten hierauf ist nicht erfolgt.

Mit Beschluß vom 26. Mai 1999 verwarf das Landgericht den Einspruch des Beklagten gegen das vorgenannte Versäumnisurteil als unzulässig, weil dieser nicht durch einen beim Landgericht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt und unterzeichnet worden sei. Auch dieser Beschluß wurde dem Beklagten gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Aufgabe zur Post am 31. Mai 1999 übersandt.

Mit Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 8. Dezember 2000 hat der Beklagte gegen das vorgenannte Versäumnisurteil - nochmals - Einspruch eingelegt, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht und zugleich beantragt, gemäß § 719 ZPO die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.

Diesen Schriftsatz hat das Landgericht - worin ihm der Beklagte durch Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 12. Januar 2001 beigetreten ist - als sofortige Beschwerde gegen den Verwerfungsbeschluß vom 26. Mai 1999 angesehen und das Wiedereinsetzungsgesuch auf diesen Beschluß bezogen.

Das Oberlandesgericht hat mit Beschluß vom 17. Januar 2001 den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts vom 26. Mai 1999 zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen diesen Beschluß (als unzulässig) verworfen. Gegen den ihm am 23. Januar 2001 zugestellten Beschluß des Oberlandesgerichts wendet sich der Beklagte mit seiner am 6. Februar 2001 per Telefax beim Oberlandesgericht eingegangenen weiteren sofortigen Beschwerde, mit der er seine Anträge weiter verfolgt.

II.

Die weitere sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 567 Abs. 4 Satz 1, 568a, 547 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Mit Recht hat das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den seinen Einspruch gegen das Versäumnisurteil verwerfenden Beschluß des Landgerichts vom 26. Mai 1999 als unzulässig erachtet, weil sie erst nach Ablauf der hierfür in § 577 Abs. 2 ZPO vorgesehenen Notfrist von zwei Wochen eingegangen ist und Wiedereinsetzungsgründe insoweit weder dargetan noch glaubhaft gemacht worden sind.

1. Der Senat hat - im Gegensatz zum Oberlandesgericht - keine Zweifel, daß der angefochtene Verwerfungsbeschluß am 31. Mai 1999 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO rechtswirksam durch Aufgabe zur Post zugestellt worden ist mit der Folge, daß die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde bereits am 14. Juni 1999 abgelaufen ist.

Wohnt eine Partei nicht im Inland, so ist sie nach § 174 Abs. 2 ZPO zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, falls sie nicht einen am Ort des Prozeßgerichts oder innerhalb des Amtsgerichtsbezirks, in dem das Prozeßgericht seinen Sitz hat, wohnhaften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat. Die Benennungspflicht besteht zwar erst ab Klagezustellung (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1972 - II ZR 7/71 - BGHZ 58, 177, 179; siehe auch Senatsurteil vom 10. November 1998 - VI ZR 243/97 - VersR 1999, 510), die Zustellung der Klageschrift mit Aufforderung zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten ist jedoch zum 9. Februar 1999 nach § 202 Abs. 2 ZPO durch das schriftliche Zeugnis der ersuchten Behörde mit der Beweiskraft des § 418 Abs. 1 ZPO, die auch der Urkunde der britischen Behörde zukommt, nachgewiesen. Zweifel daran, daß der Beklagte unter der angegebenen Adresse wohnt, bestehen nicht, nachdem er in seinem vom Landgericht als Einspruch gewerteten Schreiben vom 30. März 1999 selbst diese Anschrift als seine Adresse angegeben hat. Allein seine in diesem Schreiben enthaltene Behauptung, weder die Klageschrift noch die dieser beigefügten Schriftstücke erhalten zu haben, reicht nicht aus, um gemäß § 418 Abs. 2 ZPO den Beweis der Unrichtigkeit des schriftlichen Zeugnisses der ersuchten Behörde über die Zustellung zu führen, zumal den Beklagten das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 15. März 1999 auf dem Postwege unter der angegebenen Anschrift ebenfalls erreicht hat.

Hatte der Beklagte mithin entgegen seiner Verpflichtung im Sinne des § 174 Abs. 2 ZPO keinen Zustellungsbevollmächtigten benannt, so konnte nach § 175 Abs. 1 Satz 2 und 3 ZPO die Zustellung des Verwerfungsbeschlusses durch Aufgabe zur Post am 31. Mai 1999 rechtswirksam erfolgen. Dies gilt auch für Parteien mit Wohnsitz im Ausland, ohne daß es eines vorherigen gerichtlichen Hinweises darauf bedarf, daß ein Zustellungsbevollmächtigter zu benennen ist (vgl. Senatsurteil vom 10. November 1998 - VI ZR 243/97 - aaO). Daher war die zweiwöchige Beschwerdefrist gemäß §§ 341 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 577 Abs. 2 ZPO bei Eingang des Rechtsmittelschreibens der Prozeßbevollmächtigten des Beklagten vom 8. Dezember 2000 längst abgelaufen. Unter diesen Umständen bedurfte es auch keiner Bestimmung der Einspruchsfrist gemäß § 339 Abs. 2 ZPO, denn die Zustellung eines Versäumnisurteils durch Aufgabe zur Post gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 ZPO an eine im Ausland wohnende Partei ist keine Zustellung im Ausland, sondern eine fingierte Zustellung im Inland (Senatsurteil vom 10. November 1998 - aaO - S. 511 sowie BGH, Beschluß vom 4. Dezember 1991 - IV ZB 4/91 - NJW 1992, 1701, 1702).

2. Bei dieser Sachlage hat das Oberlandesgericht nicht nur den Einspruch gegen das Versäumnisurteil, sondern auch den Wiedereinsetzungsantrag mit Recht als unzulässig verworfen, weil entgegen § 236 Abs. 2 ZPO weder der Schriftsatz vom 8. Dezember 2000 noch der Schriftsatz vom 12. Januar 2001 die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten. Diese Schriftsätze lassen insbesondere nicht erkennen, wann der Beschluß vom 26. Mai 1999 dem Beklagten zugegangen ist, aus welchen Gründen er in der Folgezeit gehindert war, hiergegen das zulässige Rechtsmittel einzulegen und wann ein mögliches Hindernis für die Wahrung der Frist für den Wiedereinsetzungsantrag im Sinne des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO behoben war. Auch mit der weiteren sofortigen Beschwerde - die keinerlei Begründung enthält - trägt der Beklagte hierzu nichts vor.

Ende der Entscheidung

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