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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: VII ZB 10/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 78
ZPO § 91 Abs. 2. Satz 2
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VII ZB 10/02

vom

9. Oktober 2003

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 6. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 25. März 2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 104,38 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien haben über Restwerklohnansprüche der in T. (Nordrhein-Westfalen) ansässigen Klägerin gestritten. Nach Beantragung und Erlaß eines Mahnbescheides durch die am Geschäftssitz der Klägerin ansässigen Prozeßbevollmächtigten und Widerspruch durch die in W.-N. (Saarland) ansässige Beklagte wurde die Sache an das Landgericht S. abgegeben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht vom 13. März 2001 wurde die Klägerin von ihren Prozeßbevollmächtigten aus T. vertreten.

Die Kostengrundentscheidung des Landgerichts lautet:

Die Kosten des Rechtsstreits tragen, soweit nicht mit Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts E. vom 17. Juli 2000 bereits darüber entschieden worden ist, die Klägerin zu 1/4, die Beklagte zu 3/4.

Die Klägerin hat zur Kostenausgleichung Fahrtkosten ihres Prozeßbevollmächtigten in Höhe von 262,20 DM und Abwesenheitsgeld in Höhe von 60 DM angemeldet. Die Rechtspflegerin des Landgerichts hat hiervon lediglich eine Informationspauschale in Höhe von 50 DM berücksichtigt.

Die sofortige Beschwerde der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin die Festsetzung der abgesetzten Gebühren ihrer Prozeßbevollmächtigten weiter.

II.

1. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sind die geltendgemachten Reise - und Abwesenheitskosten nicht zu erstatten, da es der Klägerin zuzumuten gewesen sei, unmittelbar einen Rechtsanwalt am Sitz des Gerichts zu beauftragen und diesen schriftlich oder telefonisch zu informieren.

a) Die Neufassung des § 78 ZPO habe nicht dazu geführt, daß Reisekosten und Abwesenheitsgeld eines nicht am Prozeßgericht zugelassenen, aber dort postulationsfähigen Rechtsanwalts grundsätzlich zu erstatten seien. Nach § 91 Abs. 2. Satz 2 ZPO seien die durch die Beauftragung eines nicht am Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalts entstehenden Mehrkosten nur insoweit erstattungsfähig, als sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig seien. Im vorliegenden Fall scheide auch die Erstattung der Reisekosten bis zur Höhe einer fiktiven Informationsreise aus, da der Klägerin die Information eines beim Prozeßgericht ansässigen Anwalts durch Mittel der Telekommunikation ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen sei. Die Klägerin sei ein vollkaufmännisches Unternehmen. Der Prozeß habe eine unternehmensbezogene Rechtstreitigkeit ohne besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art zum Gegenstand gehabt. Die ersparten Kosten für die schriftliche oder telefonische Information eines Prozeßbevollmächtigten in S. seien mit einer Pauschale von 50 DM angemessen abgegolten.

b) Die Kosten seien auch nicht deswegen erstattungsfähig, weil die Anwälte der Klägerin bereits im vorausgegangenen Mahnverfahren tätig gewesen seien. Denn die bei einem Wechsel des Prozeßbevollmächtigten nach Widerspruch gegen einen Mahnbescheid entstehenden Mehrkosten seien nur erstattungsfähig, wenn der Gläubiger nicht mit der Einlegung eines Widerspruchs habe rechnen müssen. Das sei der Fall, wenn der Beantragung des Mahnbescheides ein positives Anerkenntnisverhalten des Schuldners vorausgehe. Allein das Schweigen des Schuldners reiche nicht aus. Die dadurch begründete Ungewißheit gehe zu Lasten des Gläubigers.

2. Das hält den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand. Das Oberlandesgericht überspannt die Anforderungen an die Erstattung der Kosten durch die Beauftragung eines nicht am Prozeßgericht zugelassenen, dort aber postulationsfähigen Rechtsanwalts.

a) Die Erstattungsfähigkeit der durch die Tätigkeit eines am Geschäftssitz der Partei und nicht am Ort des Prozeßgerichts ansässigen Rechtsanwalts entstandenen Mehrkosten hängt davon ab, ob es für die Partei notwendig war, einen an ihrem Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen (§ 91 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 ZPO). Im Allgemeinen handelt es sich um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende Partei wie die Klägerin einen an ihrem Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt (BGH, Beschluß vom 10. April 2003 - I ZB 36/02, NJW 2003, 2027, 2028; Beschluß vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 900 f.).

§ 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO steht dem nicht entgegen, da die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift auf den beim Prozessgericht nicht zugelassenen Anwalt nicht gerechtfertigt ist. Die Erstattung der Reisekosten des beim Prozeßgericht nicht zugelassenen und dort auch nicht ansässigen Anwalts regelt vielmehr § 91 Abs. 2 Satz 1, Halbs. 2 ZPO (BGH aaO).

b) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Beauftragung eines am Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung ist, kommt in Betracht, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein wird. Das ist der Fall bei gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, die die Sache bearbeitet hat (BGH aaO). Eine weitere Ausnahme, bei der die unmittelbare Hinzuziehung eines Rechtsanwalts beim Prozeßgericht zumutbar sein kann, ist bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Streit um eine Geldforderung denkbar, wenn die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben.

Hierzu hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen getroffen. Allein daß es um eine unternehmensbezogene Rechtsstreitigkeit gegangen sei und die Sache ohne nach dem Akteninhalt erkennbare tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten gewesen sei, reicht hierfür nicht. Welche Schwierigkeiten die Führung eines Rechtsstreites aufwirft, ist für die rechtsunkundige Partei regelmäßig nicht vorhersehbar (BGH aaO).

Dafür, ob die Klägerin über eine Rechtsabteilung oder, wenn man insoweit einen geringeren Organisationsgrad ausreichen lassen will, wenigstens über Mitarbeiter verfügt, zu deren Aufgabengebiet das Bearbeiten von Rechtsfällen gehört und die die hierfür erforderliche Sachkunde aufweisen, liefert der vom Oberlandesgericht festgestellte Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Allein aus der gewerblichen Tätigkeit der Klägerin und ihrer Rechtsform ergibt sich das nicht. Mit dem Vorbringen der Klägerin in der sofortigen Beschwerde, sie sei ein kleinerer Betrieb und nicht darauf eingerichtet, fachmännische Korrespondenz mit Rechtsanwälten zu führen, hat sich das Oberlandesgericht nicht auseinandergesetzt.

c) Daraus, daß die Klägerin zunächst einen Mahnbescheid beantragt hat und das Verfahren erst nach dem Widerspruch des Beklagten an das Gericht des streitigen Verfahrens abgegeben wurde, ergibt sich nichts anderes.

3. Der angefochtene Beschluß ist demzufolge aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen, damit es Feststellungen dazu treffen kann, ob die Klägerin einen an ihrem Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt aus kostenrechtlicher Sicht beauftragen durfte oder ob einer der genannten Ausnahmefälle von dem Grundsatz, daß die Beauftragung eines am Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung ist, vorliegt. Im ersten Fall wird das Oberlandesgericht Feststellungen zu der Höhe der Reisekosten und des Abwesenheitsgeldes zu treffen haben. Das kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt werden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO in Verbindung mit § 559 ZPO).

Ende der Entscheidung

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