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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.10.2009
Aktenzeichen: VII ZB 37/08
Rechtsgebiete: GG, ZPO


Vorschriften:

GG Art. 25
ZPO § 286 B
ZPO § 294
a) Die einem ausländischen Staat zustehenden Forderungen aus der Vermietung eines im Inland gelegenen Objekts, die ausschließlich für den Erhalt einer kulturellen Einrichtung dieses Staates verwendet werden, können hoheitlichen Zwecken dienen und unterliegen dann der Vollstreckungsimmunität.

b) Die von der Rechtsprechung zum Schutz diplomatisch und konsularisch genutzter Gegenstände gestellten Anforderungen an den Nachweis des Verwendungszwecks gelten in gleicher Weise für sonstige hoheitlich genutzte Gegenstände und Vermögenswerte einer an der Staatenimmunität teilhabenden kulturellen Einrichtung (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 8/05, NJW-RR 2006, 425).


Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 1. Oktober 2009

durch

die Richter Dr. Kuffer und Bauner,

die Richterin Safari Chabestari,

die Richter Halfmeier und Leupertz

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden der Beschluss der 20. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 21. Februar 2008 sowie der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom gleichen Tag aufgehoben. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 24. April 2007 und der am 21. Januar 2007 beim Amtsgericht München eingegangene Antrag des Gläubigers auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses werden zurückgewiesen.

Der Gläubiger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I.

Der Gläubiger betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus einem Schiedsspruch.

Der Gläubiger erwirkte vor dem Internationalen Schiedsgericht bei der Handelskammer in Stockholm am 7. Juli 1998 einen Schiedsspruch, nach dem die Schuldnerin an den Gläubiger 2,35 Mio. US-Dollar zuzüglich Zinsen zu zahlen hat. Dieser Schiedsspruch wurde vom Kammergericht für vollstreckbar erklärt (KG-Report 2001, 146).

Auf Antrag des Gläubigers hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - mit Beschluss vom 23. Januar 2007 wegen eines Teilbetrages von 750.000 US-Dollar nebst Zinsen

"alle Ansprüche der Schuldnerin an die Drittschuldnerin aus gegenwärtigen und zukünftigen Mietzinszahlungen für das von der Drittschuldnerin von der Schuldnerin gemietete Ladenlokal an der F. strasse in B. , einschließlich Vorauszahlungen, Nachzahlungen von Geldbeträgen für Nebenkosten, Heizung, Warmwasser, Mietkautionen, Kostenerstattungen aus Dienstleistungen, Reparaturen und Renovierungen, Umbauten, Einbauten, sowie sämtliche Ansprüche wie gegenwärtige und zukünftige Schadensersatzansprüche der Schuldnerin an die Drittschuldnerin"

gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. In dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wird die Schuldnerin bezeichnet als "Russische Föderation, beim Administrativen Büro des Präsidenten der Russischen Föderation, N. , M. , Russland auch handelnd unter Russisches Haus der Wissenschaft und Kultur, ausländische Vertretung des Russischen Zentrums für internationale wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit bei dem Außenministerium der Russischen Föderation".

Der hiergegen gerichteten Erinnerung der Schuldnerin hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - abgeholfen und den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben. Mit dem Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur (im Folgenden: Russisches Haus) sei eine weitere Schuldnerin benannt, die im Vollstreckungstitel keine Erwähnung finde, und vom Vollstreckungsgericht sei nicht klärbar, ob die Russische Föderation und das Russische Haus dieselbe Rechtspersönlichkeit seien.

Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Beschwerdegericht am 21. Februar 2008 einen neuen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, in dem die zusätzliche Bezeichnung der Schuldnerin "auch handelnd unter Russisches Haus ..." sowie die Pfändung sämtlicher "Ansprüche wie gegenwärtige und zukünftige Schadensersatzansprüche der Schuldnerin an die Drittschuldnerin" nicht mehr enthalten sind. Im Übrigen sind die Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin wie im ursprünglichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gepfändet und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Schuldnerin die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

II.

1.

Das Beschwerdegericht führt aus, der ursprüngliche Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sei hinsichtlich der Bezeichnung der zu pfändenden Forderung nicht hinreichend bestimmt gewesen, soweit "sämtliche Ansprüche wie gegenwärtige und zukünftige Schadensersatzansprüche der Schuldnerin an die Drittschuldnerin" gepfändet gewesen seien. Die weiteren gepfändeten Ansprüche seien dagegen hinreichend bestimmt. Der Zusatz "auch handelnd unter Russisches Haus" komme im neu erlassenen Beschluss nicht mehr vor, weil die Schuldnerin durch das Administrative Büro der Russischen Föderation vertreten werde und das Russische Haus im Vollstreckungstitel nicht benannt sei.

2.

Dahingestellt bleiben könne, ob das Russische Haus eine eigene Rechtspersönlichkeit aufweise. Der Gläubiger habe unter Vorlage eines Rechtsgutachtens schlüssig vorgetragen, dass das Russische Haus ein unselbständiges Rechtssubjekt sei und die gepfändete Forderung der Schuldnerin zustehe. Da im Vollstreckungsverfahren nur eine formalisierte Prüfung vorzunehmen sei, müsse es genügen, dass dem Schuldner die Forderung als angebliche zustehen könne. Ob er tatsächlich Inhaber der Forderung sei, sei nicht im Vollstreckungsverfahren, sondern in einem gegebenenfalls folgenden Einziehungsprozess zu prüfen. Die Frage, ob zwischen Schuldner und Forderungsinhaber Identität bestehe, sei nicht anders zu behandeln als die Konstellation, in der die Aktivlegitimation des Schuldners aus sonstigen Gründen streitig sei. Es handele sich auch insoweit um die Frage, ob die gepfändete - angebliche - Forderung in der gepfändeten Form tatsächlich bestehe.

3.

Der Schuldnerin stehe mangels hoheitlicher Zweckbestimmung keine Vollstreckungsimmunität zu. Die Vermittlung von Kultur durch eine Institution wie das Russische Haus gehöre nicht zu dem Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit.

III.

1.

Die Rechtsbeschwerde rügt, das Beschwerdegericht habe zu Unrecht offengelassen, ob die Schuldnerin Inhaberin der gepfändeten Forderungen aus dem Mietvertrag zwischen dem Russischen Haus und der Drittschuldnerin sei. Denn nach dem eigenen Vortrag des Gläubigers stehe das Forderungsrecht der Schuldnerin nicht zu. Unstreitig sei der fragliche Mietvertrag zwischen dem Russischen Haus, das eine Auslandsvertretung des Russischen Zentrums für internationale wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit beim Außenministerium der Russischen Föderation, einer juristischen Person, sei, und der Drittschuldnerin abgeschlossen worden. Hieraus folge, dass die gepfändeten Forderungen nicht der Schuldnerin, sondern entweder dem Russischen Haus oder dem Russischen Zentrum zustehen würden. Die Frage, für wen das Russische Haus den Mietvertrag abgeschlossen habe, richte sich nach deutschem Recht. Danach komme es darauf an, ob der Wille, in fremden Namen zu handeln, erkennbar hervorgetreten sei (§ 164 Abs. 2 BGB). Da dies vorliegend nicht der Fall sei, sei die Schuldnerin offenkundig nicht Forderungsinhaberin.

2.

Wenn die Schuldnerin Inhaberin der gepfändeten Forderungen wäre, stehe ihr Vollstreckungsimmunität zu, weil die Forderungen nach ihrem glaubhaft gemachten Vortrag dem Betrieb einer Kultureinrichtung und damit hoheitlichen Zwecken dienen würden.

a)

Das Beschwerdegericht habe verkannt, dass das Bundesverfassungsgericht die Immunität nicht allgemein auf den Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit beschränkt habe, sondern vielmehr lediglich den völkerrechtlich zwingenden Schutzbereich festgelegt habe, der auch durch eine landesrechtliche Qualifikation der Tätigkeit als nichthoheitlich nicht außer Kraft gesetzt werden könne. Es komme allein darauf an, ob die Staatstätigkeit nach nationalem Recht als hoheitlich zu qualifizieren sei. Kultur- und Forschungseinrichtungen seien als hoheitliche Betätigung zu qualifizieren, zumal der Ausbau der wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen gemäß Art. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 zu den Aufgaben einer diplomatischen Vertretung gehöre.

b)

Die Schuldnerin habe im Einzelnen dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Einnahmen aus den vom Russischen Haus abgeschlossenen Mietverträgen zur laufenden Unterhaltung des diesem zur Ausübung seiner Tätigkeit überlassenen Grundstücks und zur Vornahme notwendiger Instandhaltungsmaßnahmen verwendet und benötigt würden. Damit würden sie für eine hoheitliche Tätigkeit verwendet werden. Davon ungeachtet trage nach Art. 19 c des Übereinkommens der Vereinten Nationen 2004 der Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast für die nichthoheitliche Zweckbestimmung des Vermögensgegenstandes.

IV.

Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und des vom Beschwerdegericht erlassenen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, zur Zurückweisung der sofortigen Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts und zur Zurückweisung des Antrags des Gläubigers auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

1.

Das Beschwerdegericht hat offengelassen, ob die Schuldnerin tatsächlich Inhaberin der gepfändeten Forderungen ist. Ob dies zu Recht erfolgt ist, kann dahingestellt bleiben; denn wenn die Schuldnerin Inhaberin der Zahlungsansprüche gegen die Drittschuldnerin wäre, wäre sie insoweit nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen.

2.

Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass bezüglich der gepfändeten Zahlungsansprüche Vollstreckungsimmunität besteht, da sie hoheitlichen Zwecken der Schuldnerin dienen. Die gepfändeten angeblichen Ansprüche der Schuldnerin unterfallen zwar nicht der diplomatischen Immunität (b), mit ihrer Pfändung wird jedoch die allgemeine Staatenimmunität verletzt (c).

a)

Nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts ist die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat in Gegenstände dieses Staates ohne Zustimmung des fremden Staates unzulässig, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen (BVerfG, BVerfGE 46, 342, 392; BVerfGE 64, 1, 40; BGH, Beschluss vom 28. Mai 2003 - IXa ZB 19/03, NJW-RR 2003, 1218; Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 9/05, NJW-RR 2006, 198 m.w.N.). Ob ein Vermögensgegenstand hoheitlichen Zwecken dient, richtet sich danach, ob er für eine hoheitliche Tätigkeit verwendet werden soll (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 9/05, NJW-RR 2006, 198). Nach der herrschenden Theorie der restriktiven Immunität ist zu unterscheiden zwischen hoheitlich bedingten Tätigkeiten des Staates (acta iure imperii) und seinen privatwirtschaftlichen Aktivitäten (acta iure gestionis). Letztere werden von der Immunität ausgenommen (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Rdn. 558 ff.; Stürner, IPRax 2008, 197, 200).

b)

Die gepfändeten angeblichen Ansprüche der Schuldnerin aus dem Mietvertrag mit der Drittschuldnerin fallen nicht unter die diplomatische Immunität.

aa)

Von Völkerrechts wegen darf bei Maßnahmen der Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat nicht auf die seiner diplomatischen Vertretung zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktion dienenden Gegenstände zugegriffen werden, sofern dadurch die Erfüllung der diplomatischen Tätigkeit beeinträchtigt werden könnte (BVerfG, BVerfGE 46, 342, 394 f.; BGH, Beschluss vom 28. Mai 2003 - IXa ZB 19/03, NJW-RR 2003, 1218; Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 8/05, NJW-RR 2006, 425). Bei der Beurteilung der Gefährdung dieser Funktionsfähigkeit zieht das Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten des anderen Staates sehr weit und stellt auf die typische, abstrakte Gefahr, nicht auf eine konkrete Beeinträchtigung der diplomatischen Tätigkeit ab.

bb)

Ein Mietvertrag der Schuldnerin mit der Drittschuldnerin stünde nicht im Zusammenhang mit dem Betrieb der Botschaft oder eines Konsulats der Schuldnerin. Dass die gepfändeten Ansprüche der Aufrechterhaltung der Funktion ihrer diplomatischen Vertretung dienen, hat auch die Rechtsbeschwerde nicht vorgetragen. Entgegen der Rechtsbeschwerde kann auch aus Art. 3 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18. April 1961 (BGBl. 1964 II, 959) nichts anderes hergeleitet werden. Danach gehört zwar der Ausbau der kulturellen und wissenschaftlichen Beziehungen zu den Aufgaben einer diplomatischen Mission. Das Russische Haus ist jedoch keine diplomatische Mission in diesem Sinne.

c)

Mit der Pfändung der angeblichen Ansprüche der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin aus dem Mietverhältnis ist jedoch die allgemeine Staatenimmunität der Schuldnerin verletzt. Das Russische Haus als ausländische Vertretung des Russischen Zentrums für internationale, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit bei dem Außenministerium der Russischen Föderation ist eine Kultureinrichtung der Schuldnerin, deren hoheitliche Vermögenswerte von der Vollstreckungsimmunität umfasst werden.

Zu Unrecht stellt das Beschwerdegericht darauf ab, dass eine hoheitliche Zweckbestimmung die unmittelbare Betroffenheit des Kernbereichs ausländischer hoheitlicher Tätigkeit voraussetze. Neben dem Kernbereich der staatlichen Tätigkeit kann auch sonstiges hoheitliches Handeln unter die allgemeine Staatenimmunität fallen (BVerfG, BVerfGE 16, 27, 63). Letzterem sind die gepfändeten Vermögenswerte der Schuldnerin zuzuordnen.

aa)

Die Staatenimmunität schützt die Funktionsfähigkeit staatlichen Handelns nach außen. Hierzu gehört auch das Handeln selbstständiger Dienststellen, soweit die eingeleiteten Verfahren sich auf von diesen ausgeübte hoheitliche Funktionen beziehen (Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Band I/1, 2. Aufl., § 73 II.1.). Die Staatenimmunität steht damit nicht nur dem Staat selbst, sondern auch Untergliederungen des Staates zu, durch die dieser handelt. Die Verbindung zum Staat als Hoheitsträger muss so eng sein, dass er auch in dieser Handlung durch die Immunität geschützt werden muss. Dies gilt um so mehr, als ein Staat, der außerhalb seiner Hoheitsgrenzen tätig werden will, in aller Regel auf das Privatrecht verwiesen ist, weil das völkerrechtliche Territorialprinzip die Geltung seiner Hoheitsakte auf sein Staatsgebiet beschränkt (Stein, IPRax 1984, 179, 180).

Ob ein Handeln oder ein Vermögenswert als hoheitlich zu qualifizieren ist, entscheidet sich, soweit keine Kriterien im Völkerrecht vorhanden sind (wie z.B. im Falle eines Botschaftsgegenstandes), grundsätzlich nach der jeweiligen nationalen Rechtsordnung (lex fori) (OLG Köln, IPRax 2004, 251, 254; Dutta, IPRax 2007, 109, 110 f.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht Band I/1, 2. Aufl. § 73 II.2.; Linke, Internationales Zivilprozessrecht, 4. Aufl., Rdn. 76; Weller, Rpfleger 2006, 364, 368; differenzierend Stein, IPRax 1984, 179, 182; a.A. Gramlich, NJW 1981, 2618, 2619).

bb)

Nach diesen Maßstäben dienen die gepfändeten Ansprüche hoheitlichen Zwecken.

(1)

Nach Art. 14 Abs. 1 des deutsch-russischen Abkommens über kulturelle Zusammenarbeit in der Bekanntmachung vom 8. Juli 1993 (BGBl. 1993 II, 1256) haben die Vertragsparteien die Gründung von kulturellen Einrichtungen der jeweils anderen Vertragspartei im Hoheitsgebiet ihrer Länder zu fördern und deren Tätigkeit zu erleichtern. Kulturelle Einrichtungen in diesem Sinne sind u.a. vollständig oder überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzierte Kulturinstitute oder Kulturzentren (Abs. 2). Jedenfalls im Zusammenhang mit der Prüfung der Reichweite eines pauschalen Immunitätsverzichts hat das Bundesverfassungsgericht als sonstige hoheitlich genutzte Gegenstände und Vermögenswerte eines ausländischen Staates im Vollstreckungsstaat unter anderem Kultur- und Forschungseinrichtungen genannt (BVerfG, BVerfGE 117, 141, 155). Da zur Wahrnehmung ausländischer Gewalt auch die vom Staat abhängige Repräsentation von Kultur und Wissenschaft im Ausland durch Mittelorganisationen gehört, bezieht sich das Vollstreckungsverbot grundsätzlich auch auf kulturelle Einrichtungen (Ipsen, Völkerrecht, 5. Aufl., § 26 Rdn. 32; so auch für das Danish Cultural Institute der Italienische Kassationshof in einer Entscheidung vom 15. Februar 1979, ILR 65 (1984), 325). Das Russische Haus als ausländische Vertretung des Russischen Zentrums für internationale, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit bei dem Außenministerium der Schuldnerin ist eine solche kulturelle Einrichtung, mit der die Schuldnerin hoheitliche Zwecke, nämlich die Förderung russischer Kultur in der Bundesrepublik, verfolgt.

(2)

Die gepfändeten Ansprüche dienen dieser Förderung und damit hoheitlichen Zwecken.

Die Schuldnerin, die nach allgemeinen Regeln die Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen der Vollstreckungsimmunität trägt (Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Rdn. 527 m.w.N.; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung, 2004, S. 82 ff.; a.A. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, S. 69 ohne nähere Begründung), hat den Verwendungszweck der gepfändeten Forderungen in ausreichendem Maße glaubhaft gemacht.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, BVerfGE 46, 342, 395 ff.) und des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 4. Oktober 2005 - VII ZB 8/05, NJW-RR 2006, 425) zu diplomatischen Vertretungen dürfen keine hohen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des ausländischen Staates gestellt werden. Es reicht aus, dass ein zuständiges Organ des ausländischen Staates versichert, eine solche Zweckbestimmung sei erfolgt. Das folgt aus dem Schutz, den das Völkerrecht diplomatisch und konsularisch genutzten Gegenständen gewährt. Es wäre als völkerrechtswidrige Einmischung in die Angelegenheiten eines fremden Staates zu werten, wenn dieser vor Gericht die Verwendungszwecke eines ihm gehörenden Vermögensgegenstandes näher darlegen müsste.

Nichts anderes kann gelten, wenn der ausländische Staat behauptet, den einer kulturellen Einrichtung zustehenden Vermögensgegenstand für sonstige hoheitliche Zwecke zu verwenden. Nach zutreffender, aber umstrittener Auffassung sind die von der Rechtsprechung zum Schutz diplomatisch und konsularisch genutzter Gegenstände verringerten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast auch auf sonst hoheitlich genutzte Gegenstände und Vermögenswerte einer an der Staatenimmunität teilhabenden kulturellen Einrichtung auszudehnen (vgl. OLG Köln, IPRax 2004, 251, 254; LG Frankfurt/M., RIW 2001, 308; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung, 2004, S. 85 ff.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, S. 176 f.; Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 159, 267; Weller, Rpfleger 2006, 364, 368; offengelassen BVerfG, BVerfGE 46, 342, 402; a.A. Dutta, IPRax 2007, 109, 111; Kröll, IPRax 2004, 223, 227; Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, 1984, S. 286 f., wonach in solchen Fällen die allgemeinen Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast gelten sollen).

Einen über die Glaubhaftmachung hinausgehenden Nachweis zu fordern, würde eine unzulässige Einmischung in die inneren Angelegenheiten des fremden Staates bedeuten. Die Staatenimmunität stellt eine wesentliche Regelung des Völkerrechts dar und basiert auf dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten. Die über Art. 6 EMRK geschützten Interessen privater Vollstreckungsgläubiger müssen insoweit zurücktreten. Behauptet der ausländische Staat, das einer Vollstreckungsimmunität genießenden kulturellen Einrichtung zustehende Vollstreckungsobjekt diene hoheitlichen Zwecken, und macht er dies glaubhaft, reicht dies zur Beweisführung aus.

Die Schuldnerin hat vorgetragen, dass die in Betracht kommenden Ansprüche gegen die Drittschuldnerin zum Zwecke des Betriebs der kulturellen Einrichtung des Russischen Hauses (zur Unterhaltung des Grundstücks und zur Vornahme von Instandhaltungsmaßnahmen) verbraucht werden. Damit werden sie der hoheitlichen Zweckbestimmung des Russischen Hauses entsprechend verwandt. Das Beschwerdegericht hat zwar keine Feststellungen zur Richtigkeit dieses von dem Gläubiger bestrittenen Vortrags getroffen. Die Schuldnerin hat diesen Vortrag jedoch durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung des Direktors des Russischen Hauses vom 20. Februar 2007 hinreichend glaubhaft gemacht. Dies kann das Rechtsbeschwerdegericht nach § 577 Abs. 5 ZPO selbst entscheiden, nachdem die eidesstattliche Versicherung vorliegt. Ob das Russische Haus rechtlich selbstständig mit einer eigenen Rechtspersönlichkeit ist, kann dahingestellt bleiben. Denn es kommt nicht auf die austauschbare Rechtsform, sondern auf die Funktion an, die das Russische Haus erfüllt (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. Aufl., Rdn. 624 a m.w.N.).

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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