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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 23.10.2008
Aktenzeichen: VII ZR 105/07
Rechtsgebiete: BGB, HOAI


Vorschriften:

BGB § 242 Cd
HOAI § 8 Abs. 1
a) An eine Schlussrechnung ist der Architekt gebunden, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann (Bestätigung von BGH, Urteil vom 5. November 1992 VII ZR 52/91, BGHZ 120, 133 und Urteil vom 22. Mai 1997 VII ZR 290/95, BGHZ 136, 1).

b) Allein die Bezahlung der Schlussrechnung ist keine Maßnahme, mit der sich der Auftraggeber in schutzwürdiger Weise auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung einrichtet.

c) Die Unzumutbarkeit der Nachforderung setzt voraus, dass die dadurch entstehende zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für den Auftraggeber eine besondere Härte bedeutet.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 105/07

Verkündet am: 23. Oktober 2008

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Prof. Dr. Kniffka, Bauner, Dr. Eick und Halfmeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Mai 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als seine Berufung gegen das Teilurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 10. November 2005 zurückgewiesen worden ist, soweit die Klage in Höhe von 747.419,52 € abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger hat von der Beklagten für Leistungen an verschiedenen Objekten Architektenhonorar in Höhe von insgesamt 2.276.046,86 € verlangt. Einen Teilbetrag von 747.419,52 € hat er als zusätzliches Honorar für die Generalplanung (Leistungsphasen 1 bis 4) der Erweiterung eines Produktionsgebäudes (Werk II) geltend gemacht. Die Beklagte hatte dazu am 4. März 2002 den Auftrag erteilt. Vereinbart war ein Pauschalhonorar von 850.000 € zzgl. Mehrwertsteuer. Dieses Honorar wurde bezahlt, die letzte Rate im Mai 2003 aufgrund der als Honorarschlussrechnung bezeichneten 7. Abschlagsrechnung vom 26. März 2003.

Der Kläger berechnete am 10. Februar 2004 Nachforderungen. Das zusätzliche Honorar von 747.419,52 € für die Generalplanung des Werkes II stützte er auf eine Berechnung nach den Mindestsätzen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI). Er ist der Auffassung, er sei an die Pauschalhonorarvereinbarung nicht gebunden, weil diese nicht bei Auftragserteilung getroffen worden sei und zudem der Mindestsatz unterschritten sei, ohne dass ein Tatbestand vorliege, der diese Unterschreitung rechtfertige.

Die Beklagte wendet sich gegen die Berechnung des Klägers. Sie hält den Kläger auch an seine Schlussrechnung vom 26. März 2003 gebunden.

Das Landgericht hat die Klage in Höhe von 1.047.608,32 € durch Teilurteil abgewiesen, auch soweit das zusätzliche Honorar für die Generalplanung des Werkes II gefordert worden ist. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Der Senat hat die Revision des Klägers zugelassen, soweit die Klage in Höhe von 747.419,52 € abgewiesen worden ist. In diesem Umfang verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung des Berufungsurteils im Umfang der Anfechtung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger könne für seine Leistungen für das Werk II kein über die Pauschalpreisabrede hinausgehendes Honorar verlangen, weil er an seine Schlussrechnung gebunden sei. Diese entfalte Bindungswirkung, denn sie habe einen eigenständigen Vertrauenstatbestand geschaffen. Der Kläger habe seine Schlussrechnung in Kenntnis der Erhöhung der Baukosten erstellt, ohne dies zu berücksichtigen. Der Kläger habe erstmals etwa neun Monate nach Rechnungserteilung und sieben Monate nach deren Bezahlung auf höhere Kosten hingewiesen und diese weitere zwei Monate später geltend gemacht. Die Beklagte habe sich schon dadurch auf den Bestand der Rechnung eingerichtet, dass sie gezahlt und damit die entsprechende Vermögensdisposition getroffen habe. Weiterhin habe der Kläger in einem Schreiben vom 4. Dezember 2002 von einer Festpreisgarantie gesprochen, um die Beklagte zu veranlassen, das Bauvorhaben tatsächlich umzusetzen und ihn mit der weiteren Ausführungsplanung zu beauftragen. Erst als es sich für den Kläger abgezeichnet habe, dass das Bauvorhaben nicht durchgeführt und er nicht mit der weiteren Planung beauftragt werde, habe er sich dazu entschlossen, seine Honorarforderung fast zu verdoppeln. Es erscheine treuwidrig, wenn der Kläger seine enttäuschte Erwartungshaltung hinsichtlich weiterer Aufträge zum Anlass nehme, sich nicht mehr an die von ihm erstellte Schlussrechnung und zugrunde liegende Kalkulation zu halten.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Ein Architekt hat gemäß § 631 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf das vertraglich vereinbarte oder sich gemäß § 4 Abs. 4 HOAI aus der Honorarordnung ergebende Honorar. Das gilt auch dann, wenn er eine Schlussrechnung erteilt hat, in der die Forderung nicht vollständig ausgewiesen ist. In einer solchen Schlussrechnung liegt grundsätzlich kein Verzicht auf die weitergehende Forderung (vgl. BGH, Urteile vom 5. November 1992 - VII ZR 52/91, BGHZ 120, 133, 138 und VII ZR 50/92, BauR 1993, 239, 240 = ZfBR 1993, 68; Urteil vom 7. März 1974 - VII ZR 35/73, BGHZ 62, 208, 211). Auch wird die Forderung durch die Schlussrechnung nicht in anderer Weise verkürzt. Sie bleibt in vollem Umfang bestehen.

2. Der Architekt kann aber nach Treu und Glauben, § 242 BGB, gehindert sein, seine in einer Schlussrechnung nicht berechnete Forderung durchzusetzen. An eine Schlussrechnung ist der Architekt gebunden, wenn der Auftraggeber auf eine abschließende Berechnung des Honorars vertrauen durfte und er sich im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihm eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann. Das gilt auch dann, wenn der Architekt die Differenz zwischen dem ihm nach der HOAI preisrechtlich zustehenden und dem vertraglich vereinbarten Honorar nachfordert (BGH, Urteil vom 5. November 1992 - VII ZR 52/91, BGHZ 120, 133, 139; Urteil vom 22. Mai 1997 - VII ZR 290/95, BGHZ 136, 1, 9).

3. Das Berufungsgericht, das die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung und die Berechtigung der vom Kläger erhobenen Forderung unterstellt, geht von diesen rechtlichen Voraussetzungen für eine Bindung des Architekten an die Schlussrechnung aus. Mit rechtsfehlerhaften Erwägungen nimmt es jedoch an, dass sich die Beklagte im berechtigten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung so eingerichtet hat, dass ihr eine Nachforderung nicht mehr zugemutet werden kann.

a) Das Berufungsgericht sieht diese Voraussetzung deshalb als erfüllt an, weil die Beklagte die Schlussrechnung bezahlt hat. Außerdem habe der Kläger von einer Festpreisgarantie gesprochen.

Diese Erwägungen spielen - ebenso wie der Umstand, dass die Schlussrechnung in Kenntnis der Steigerung der anrechenbaren Kosten erteilt worden ist und die Nachforderungen erst geraume Zeit später erhoben worden sind - lediglich bei der Würdigung eine Rolle, ob die Beklagte ein Vertrauen dahin entwickeln konnte, dass weitere Forderungen nicht erhoben werden. Sie sind jedoch nicht maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte sich infolge der Schlussrechnung in schutzwürdiger Weise so eingerichtet hat, dass ihr nicht zugemutet werden kann, die dem Kläger kraft zwingenden Preisrechts zustehende Forderung zu bezahlen. Das setzt zum einen voraus, dass die Beklagte im schützenswerten Vertrauen auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung sich durch vorgenommene oder unterlassene Maßnahmen darauf eingerichtet hat, dass weitere Forderungen nicht erhoben werden. Allein die Zahlung auf die Schlussrechnung stellt keine solche Maßnahme dar. Zum anderen ist erforderlich, dass die durch die Nachforderung entstehende zusätzliche Belastung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles für die Beklagte nicht mehr zumutbar ist, weil sie eine besondere Härte für sie bedeutet (vgl. OLG Hamm, BauR 2004, 1643, 1644; OLG Köln, BauR 2007, 132, 133).

b) Zu diesen Voraussetzungen fehlen jegliche Feststellungen. Diese werden nicht durch den Hinweis darauf überflüssig, zum Anlass seiner Nachforderung habe der Kläger die Enttäuschung darüber genommen, dass ihm weitere Aufträge nicht erteilt werden. Das allein macht das Verhalten des Klägers nicht in einer Weise unredlich, dass ihm die Nachforderung - ohne dass die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen einer Bindung an die Schlussrechnung vorliegen - verwehrt ist. Der Kläger macht mit der Nachforderung - wie in der Revision zu unterstellen ist - das ihm durch die HOAI garantierte Honorar geltend. Es geht nicht an, ihn allein deshalb für unredlich zu halten, weil er in Erwartung weiterer Aufträge dieses Honorar zunächst nicht verlangt hat.

4. Der Senat sieht keinen Anlass, der Anregung der Beklagten folgend, die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorzulegen. Bereits im Hinblick darauf, dass das Berufungsgericht nur auf die Bindung an die Schlussrechnung abgestellt hat, stellt sich nicht die Frage, inwieweit die Bindung an Mindestsätze in der HOAI mit EG-Recht vereinbar ist. Ob der Kläger sein Honorar nach Mindestsätzen berechnen kann, ist nicht geklärt.

III.

Das Berufungsurteil ist danach im Umfang der Anfechtung aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Die Auffassung des Landgerichts, der Kläger habe die weitergehende Forderung erlassen, indem er die Schlussrechnung gestellt habe, findet in den Feststellungen keine Stütze. Allein der Umstand, dass die Schlussrechnung über das vertraglich vereinbarte Honorar erstellt wird und dies in der Erwartung geschieht, dass weitere Aufträge erfolgen, rechtfertigt nicht die Annahme eines Erlassvertrages.

2. Das Berufungsgericht wird erneut zu würdigen haben, inwieweit die Beklagte ein schützenswertes Vertrauen darauf entwickeln konnte, dass die Klägerin Nachforderungen nicht stellt. Bereits der Umstand, dass die Parteien ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar vereinbart haben, kann diesen Vertrauenstatbestand begründen (BGH, Urteil vom 22. Mai 1997 - VII ZR 290/95, BGHZ 136, 1, 8). Bei der insoweit vorzunehmenden Würdigung wird sich das Berufungsgericht mit dem teilweise streitigen Vorbringen der Parteien auseinanderzusetzen und insbesondere zu berücksichtigen haben, dass ein schützenswertes Vertrauen darauf, dass nur das vereinbarte Honorar gefordert wird, in aller Regel voraussetzt, dass sich der Umfang der mit dem Pauschalhonorar abgegoltenen Leistungen nicht nachhaltig verändert. Inwieweit sich trotz Änderung der mit dem Pauschalhonorar vereinbarten Leistungen ein schützenswertes Vertrauen dadurch bilden kann, dass gleichwohl in der Schlussrechnung nur die vertraglich vereinbarte Forderung erscheint, lässt sich nur unter umfassender Würdigung aller Umstände beurteilen, zu denen sowohl die Kenntnis oder die vorwerfbare Unkenntnis von der Unwirksamkeit der Pauschalvereinbarung als auch die Erklärungen der Parteien und deren Wissen über die Veränderung der Leistungen gehören.

3. Gegebenenfalls wird sich das Berufungsgericht erneut damit auseinandersetzen müssen, ob die Beklagte sich in schützenswerter Weise so eingerichtet hat, dass ihr eine Nachforderung nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann. Insoweit kommen Maßnahmen sowohl im Hinblick auf ein Vertrauen in die Wirksamkeit der Vereinbarung als auch im Hinblick auf die Endgültigkeit der Schlussrechnung in Betracht. Fehlerhaft ist die Würdigung des Landgerichts, allein der Zeitraum zwischen der Erteilung und dem Ausgleich der Honorarrechnung des Klägers und der erstmaligen Geltendmachung eines weitergehenden Honorars auf der Grundlage der Mindestsätze der HOAI mache die Zahlung des Differenzbetrages zwischen dem abgerechneten Pauschalhonorar und den Mindestsätzen für die Beklagte unzumutbar. Dieser Zeitraum ist unerheblich; maßgeblich ist, welche Maßnahmen die Beklagte im Hinblick auf ein schützenswertes Vertrauen vorgenommen oder unterlassen hat. Auch die Auffassung des Landgerichts, aufgrund des Vortrags der Beklagten sei nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass diese sich darauf eingerichtet habe, nichts mehr zu zahlen, ist bedenklich. Eine solche Lebenserfahrung lässt sich aus dem in Bezug genommen Vortrag nicht gewinnen. Der Umstand, dass der Generalplanervertrag unter den Genehmigungsvorbehalt der Konzernspitze fiel, belegt nicht, dass die Beklagte sich nach Vertragsschluss oder nach Erteilung der Schlussrechnung darauf eingerichtet hat, nicht mehr als die vertraglich vereinbarte Summe zu zahlen. Gleiches gilt für den Umstand, dass im Jahr 2003 Rückstellungen lediglich für den nach der vertraglichen Vereinbarung noch offenen Betrag gebildet worden sind. Eine Lebenserfahrung, dass die Forderung des Klägers bei dem nach Vertragsschluss erfolgten Verkauf der Beklagten eine nennenswerte Rolle gespielt hat, gibt es nicht.

Ende der Entscheidung

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