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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.2009
Aktenzeichen: VII ZR 130/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 635
Ein Mangel eines Ingenieurwerkes kann auch dann vorliegen, wenn die Planung zwar technisch funktionstauglich ist, aber gemessen an der vertraglichen Leistungsverpflichtung ein übermäßiger Aufwand betrieben wird.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,

den Richter Dr. Kuffer,

den Richter Bauner,

die Richterin Safari Chabestari und

den Richter Dr. Eick

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts vom 15. Mai 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen Mängeln der Planung für das Tragwerk eines 10-geschossigen Wohn- und Geschäftshauses in B. auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klägerin hatte dieses als Generalunternehmerin zu einem Pauschalfestpreis für K. schlüsselfertig zu errichten. Sie beauftragte den Beklagten mit der Tragwerksplanung. Der Beklagte hatte für K. am 8. Mai 2001 eine statische Berechnung vorgelegt, die Vertragsgrundlage dieser Beauftragung wurde. Durch den ersten Nachtrag zur statischen Berechnung plante der Beklagte u.a. die Gründungsplatte um, worauf er die Klägerin im Schreiben vom 18. August 2001 und in der "Abweichungsliste Ausführungsplanung" vom 31. August 2001 hinwies. Auf der Grundlage dieser statischen Berechnung erstellte der Beklagte die Schal- und Bewehrungspläne. Die Umplanung des Beklagten beinhaltete den Wechsel der Betongüteklasse von B 35 zu B 45 und führte zu Stahlmehrverbrauch. K. lehnte die Nachtragsangebote der Klägerin betreffend den Wechsel der Betonart unter Verweis auf den Pauschalfestpreis ab.

Die Klägerin behauptet, die Umplanung mit dem Wechsel der Betongüteklasse sei technisch nicht erforderlich gewesen und die Konstruktion der Bodenplatte daher überdimensioniert. Dies stelle einen Mangel der Tragwerksplanung des Beklagten dar, der Mehraufwand in Höhe der Klageforderung von 99.932,36 EUR verursacht habe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

1.

Das Berufungsgericht verneint ohne Beweiserhebung eine Verpflichtung des Beklagten zur Leistung von Schadensersatz aus § 635 BGB oder positiver Vertragsverletzung des Ingenieurvertrages, da den Beklagten keine Pflicht zur Wahrung vermögensrechtlicher Interessen der Klägerin treffe. Die Hauptpflicht des Fachplaners sei die rechtzeitige und mangelfreie Erstellung der Planung. Diese sei hier nicht fehlerhaft, da die Bodenplatte technisch und statisch unbedenklich sei. Die von der Klägerin behauptete Überdimensionierung der Bodenplatte durch Wahl einer zu hohen Qualitätsstufe des zu verwendenden Betons betreffe dagegen lediglich wirtschaftliche Gesichtspunkte. Hierdurch habe der Beklagte nicht gegen Nebenpflichten aus dem Ingenieurvertrag verstoßen. Die Grundsätze der Sachwalterhaftung des Architekten könnten auf das vorliegende Verhältnis zwischen Generalunternehmer und Subunternehmer nicht angewendet werden. Dem Beklagten seien mit dem Ingenieurvertrag auch keine Pflichten zur Ermittlung und Kontrolle von Kosten übertragen worden. Auch ein Kostenrahmen sei nicht abgesteckt worden.

2.

Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 635 BGB gegen den Beklagten schlüssig vorgetragen.

a)

Ein Mangel eines Architektenwerkes kann auch dann vorliegen, wenn die Planung zwar technisch funktionstauglich ist, aber gemessen an der vertraglichen Leistungsverpflichtung ein übermäßiger Aufwand betrieben wird (BGH, Urteil vom 22. Januar 1998 - VII ZR 259/96, BGHZ 138, 87). Denn ein Vertrag über eine Planungsleistung ist regelmäßig dahingehend auszulegen, dass die Planung einen übermäßigen, nach den Umständen und insbesondere den Anforderungen der Technik unnötigen Aufwand vermeiden soll. Nichts anderes gilt für die Planungsleistung eines Ingenieurs. Sowohl der Architekt als auch der Ingenieur haben im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung wirtschaftlich-finanzielle Gesichtspunkte ihres Auftraggebers zu beachten (BGH, Urteil vom 7. Juli 1988 - VII ZR 72/87, BauR 1988, 734 = ZfBR 1988, 261). Dabei gibt es zwar keine Verpflichtung, in jeder Hinsicht dessen allgemeine Vermögensinteressen wahrzunehmen und unter Berücksichtigung aller Möglichkeiten "so kostengünstig wie möglich" zu bauen (BGH, Urteil vom 23. November 1972 - VII ZR 197/71, BGHZ 60, 1). Der Planer hat aber im Rahmen der Wahrnehmung seiner vertraglichen Pflichten auf die wirtschaftlichen Vorgaben und Belange des Bauherrn Rücksicht zu nehmen.

Auch bei Beachtung dieser Vorgaben kommt nur im Ausnahmefall lediglich eine bestimmte Planungslösung in Betracht. Regelmäßig ist eine Vielzahl von denkbaren Varianten innerhalb der Vorgaben, Gegebenheiten und Anforderungen vertretbar. Der Planer hat innerhalb der gezogenen Grenzen ein planerisches Ermessen.

Das entbindet den Planer jedoch nicht davon, bei der Planung die wirtschaftlichen Interessen des Auftraggebers im Auge zu behalten und darauf zu achten, dass kein übermäßiger, nicht erforderlicher Aufwand betrieben wird (Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 5. Aufl., Rdn. 258; Bindhardt/ Jagenburg, Die Haftung des Architekten, 8. Aufl., § 6 Rdn. 23, 82, 218, 358; Koeble in Kniffka/Koeble, Kompendium, 3. Aufl., C 12. Teil, Rdn. 407; Koeble in Locher/Koeble/Frik, Kommentar zur HOAI, 9. Aufl., Einleitung 56, 96; Wirth in Korbion/Mantscheff/Vygen, HOAI, 6. Aufl., Einführung 197; jeweils m.w.N.). Dies hat der Bundesgerichtshof für den Fall eines überdimensionierten Fundaments und dadurch entstandene Mehrkosten bereits entschieden (BGH, Urteil vom 6. Juli 1964 - VII ZR 88/63, VersR 1964, 1045).

b)

Das Berufungsgericht hat verkannt, dass die Klägerin hierzu ausreichend vorgetragen hat. Sie behauptet, die pflichtwidrige Planung des Beklagten habe zu einer technisch und statisch überflüssigen Überdimensionierung der Bodenplatte durch Wechsel der Betonklasse von B 35 zu B 45 geführt, was bei der Klägerin Mehrkosten in Klagehöhe verursacht habe. Diesen vom Beklagten bestrittenen Vortrag hat die Klägerin unter Beweis durch Sachverständigengutachten gestellt. Da die Begründung der Klägerin für einen Anspruch auf Schadensersatz nach § 635 BGB gegen den Beklagten wegen Planungsmangels schlüssig ist, durfte das Berufungsgericht die Klage nicht ohne Beweiserhebung abweisen.

c)

Die Überlegung des Berufungsgerichts, die Rechtsprechung zur Sachwalterhaftung des Architekten passe nicht auf das Verhältnis der Klägerin als Generalunternehmerin zum beklagten Tragwerksplaner als deren Subunternehmer, führt nicht zu einer anderen Beurteilung, da die Haftung des Beklagten nicht aus einer sachwalterähnlichen Stellung hergeleitet wird.

II.

Auch die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts rechtfertigen die Klageabweisung nicht.

1.

a)

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin sei durch die Schriftstücke des Beklagten vom 18. und 31. August 2001 hinreichend auf die Umplanung im Bereich der Betonklasse hingewiesen worden. Es sei daher Sache der Klägerin gewesen, die kostenmäßige Auswirkung der Planänderung zu prüfen und bei fehlendem Einverständnis zu widersprechen, ansonsten sei von einer konkludenten einvernehmlichen Festlegung auszugehen.

b)

Die Revision weist zu Recht darauf hin, dass das Schreiben vom 18. August 2001 keine Veränderungen hinsichtlich der Betongüte der Bodenplatte enthält.

In der "Abweichungsliste Ausführungsplanung" vom 31. August 2001 ist zwar die Änderung der Betonklasse von B 35 zu B 45 enthalten, allerdings wird diese dort vom Beklagten als "statisch erforderlich" dargestellt. Diesen Hinweis ihres Fachplaners musste die Klägerin nicht nochmals überprüfen oder überprüfen lassen, sondern sie durfte sich auf diese Feststellung verlassen.

2.

a)

Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe auf eigenes Risiko gehandelt, als sie die Umplanung des Beklagten umgesetzt habe, ohne die Annahme ihres eigenen Nachtragsangebots durch K. abzuwarten. Die entstandenen Mehrkosten könne sie daher nicht auf den Beklagten abwälzen.

b)

Der Beklagte kann der Klägerin als deren Fachplaner nicht zum Vorwurf machen, dass sie seinen Vorschlägen zur Umplanung "als statisch erforderlich" ungeprüft gefolgt ist.

Eine Nachtragsforderung gegenüber K. kam von vorneherein nicht in Betracht, wenn die Veränderung der Betongüte nicht erforderlich war. Dass die Klägerin im Vertrauen auf die Angaben des Beklagten versucht hat, einen Nachtrag durchzusetzen, ist weder eine Billigung der Umplanung als mangelfrei noch hindert es die Klägerin, ihren etwaigen Mängelanspruch gegen den Beklagten durchzusetzen.

3.

a)

Das Berufungsgericht sieht im Wechsel der Betonarten keinen Pflichtenverstoß des Beklagten, weil der Beklagte wegen des vertraglich festgelegten hohen Qualitätsstandards des Bauvorhabens etwa aus Kostengründen nicht gehalten gewesen wäre, die nach statischen Erfordernissen der Tragwerksplanung noch zulässige, einfachste Betongüte zu wählen. Zudem hätte die Verwendung von Beton der Klasse B 35 zu einem Mehr an Biege- und Schubbewehrung geführt, was die Klägerin aber nicht hinreichend dargelegt habe.

b)

Hierbei übersieht das Berufungsgericht Sachvortrag mit Beweisantritt der Klägerin, wonach die Verwendung von Beton der Güteklasse B 45 nicht zu einer qualitativen Wertsteigerung des Gebäudes geführt habe. Mit dem hohen Qualitätsstandard des Gebäudes nach Vertrag und Prospekt dürfte im Übrigen auch eher die hochwertige Ausstattung des Gebäudes als dessen Gründungsplatte angesprochen sein.

Der Mehrbedarf an Biege- und Schubbewehrung bei der Verwendung von Beton B 35 ist in dem von der Klägerin vorgelegten Gutachten der Sachverständigen S., K. und Partner vom 15. Februar 2002 auf Seite 16 und 17 rechnerisch dargestellt und bei der Schadensberechnung bereits mitberücksichtigt worden (16,1 % statt 18 % Erhöhung des Stahlbedarfs in der Grundbewehrung). Das hat das Berufungsgericht übersehen.

III.

Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an einen anderen Senat des Berufungsgerichts zurückzuverweisen. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch.

Das Berufungsgericht wird die von der Klägerin behauptete unwirtschaftliche Überdimensionierung des Tragwerks, die auf der Umplanung des Beklagten beruhen soll, mit den angebotenen Beweismitteln überprüfen und danach die Frage der Mangelhaftigkeit des Werkes des Beklagten erneut beantworten müssen.

Ende der Entscheidung

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