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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 12.05.2005
Aktenzeichen: VII ZR 161/04
Rechtsgebiete: DRiG, ZPO


Vorschriften:

DRiG § 29 Satz 1
ZPO § 513
ZPO § 524 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 528
ZPO § 529 Abs. 2
ZPO § 547 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 161/04

Verkündet am: 12. Mai 2005

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Kuffer, Prof. Dr. Kniffka, Bauner und die Richterin Safari Chabestari

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 7. April 2004 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn für Erd- und Entwässerungsarbeiten an einer Tankstelle sowie für Umbauarbeiten im Bereich der Waschanlage.

Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 35.790,43 € (Nr. I. 1. des Tenors) zu zahlen sowie weitere 106.501,63 € Zug um Zug gegen Mängelbeseitigung (Nr. I. 2. des Tenors). Im übrigen hat es die Klage abgewiesen (Nr. I. 3. des Tenors). Die Kosten hat es anteilig verteilt (Nr. II. des Tenors). Dagegen hat die Beklagte Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründung hat sie beantragt, das Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen "soweit die Beklagte gemäß Ziff. I. 2. des angefochtenen Urteils verurteilt wurde, an die Klägerin weitere 106.501,63 € Zug um Zug gegen Beseitigung im einzelnen bezeichneter Mängel zu bezahlen". In der Begründung hat die Beklagte ausgeführt, 70.000 DM (35.790,43 €) seien nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien zur Zahlung fällig. Soweit die Verurteilung insoweit erfolgt sei, werde das Urteil nicht angegriffen.

Das Berufungsgericht hat das Urteil des Landgerichts in Ziff. I. 2., I. 3., II. samt dem Verfahren ab dem 26. November 2002 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung zurückverwiesen.

Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Berufung habe nur teilweisen Erfolg. Das Urteil sei verfahrensfehlerhaft ergangen, weil entgegen § 29 Satz 1 DRiG zwei nicht planmäßige Richterinnen mitgewirkt hätten. Der Verfahrensverstoß, der die tatbestandlichen Voraussetzungen eines absoluten Revisionsgrund es gemäß § 547 Nr. 1 ZPO erfülle, sei gemäß § 529 Abs. 2 ZPO von Amts wegen zu beachten. Da jedoch die Verurteilung in Ziff. I. 1. des Tenors durch die Beklagte nicht angegriffen sei, werde das Urteil insoweit nicht zur Überprüfung gestellt. Wegen dieser Bindung verfalle der eigenständig und selbständig beurteilbare Teil des landgerichtlichen Urteils nicht der Aufhebung.

Soweit der Bundesgerichtshof (Urteil vom 19. Oktober 1988 - IVb ZR 10/88, NJW 1989, 229) nach bisherigem Recht eine andere Ansicht vertreten habe, gelte das nach der hier anzuwendenden Zivilprozeßordnung in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozeßrechts nicht mehr. Eine Erweiterung der Berufung auf die selbständig beurteilbare, mit eigenständiger Erwägung begründete Verurteilung in Ziff. I. des Tenors komme nach Schluß der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Betracht, ganz abgesehen davon, daß sich eine Erweiterung wegen der eigenständigen Herleitung des Anspruchs nicht mehr, wie es für eine zulässige Erweiterung Voraussetzung wäre, innerhalb der rechtzeitig vorgebrachten Anfechtungsgründe halten würde. Eine Aufhebung des Urteils insoweit, als es nicht angegriffen werde, würde ohne Not der obsiegenden Klägerin Nachteile in der Vollstreckung (Verlust des Rangs) bringen. Zudem würde dadurch gegen die ausdrückliche Vorschrift des § 528 ZPO verstoßen.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß das erstinstanzliche Urteil nicht nur an einer Rechtsverletzung im Sinne des § 513 ZPO, sondern darüber hinaus an einem Verstoß gegen Art. 101 Abs.1 Satz 2 GG leidet, weil an der Entscheidung entgegen § 29 Satz 1 DRiG zwei nicht planmäßige Richterinnen mitgewirkt haben. In einem solchen Fall muß, wie zum bis 31. Dezember 2001 geltenden Rechtsmittelrecht entschieden worden ist, grundsätzlich auch dann, wenn das Urteil mit der Berufung nur teilweise angegriffen ist, die Entscheidung in vollem Umfang aufgehoben werden, da sie insgesamt von dem Verfahrensfehler betroffen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 1988 - IV b ZR 10/88, BGHZ 105, 270, 276 mit Hinweis auf BGH, Urteil vom 11. Dezember 1985 - IV b ZR 80/84, NJW-RR 1986, 428).

2. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob diese Grundsätze auch nach der zum 1. Januar 2002 erfolgten Änderung des Rechtsmittelrechts uneingeschränkt Geltung beanspruchen können, kann offenbleiben. Insoweit ist zwar einerseits die bisher für eine Erfassung des Urteils über den angegriffenen Umfang hinaus sprechende Erwägung, der Gegner habe ohnehin ohne zeitliche Begrenzung die Möglichkeit der Anschlußberufung, so nicht mehr zutreffend, da die Anschließung nunmehr nach § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO befristet ist. Andererseits verbleibt es jedoch dabei, daß der Berufungsführer die Berufungsanträge nachträglich erweitern kann, soweit Anfechtungsgründe rechtzeitig vorgetragen sind oder im Sinne von § 529 Abs. 2 ZPO von Amts wegen berücksichtigt werden müssen.

Die Frage muß deshalb nicht entschieden werden, weil sich der vorliegende Fall in einem wesentlichen Punkt von den Sachverhalten unterscheidet, die den genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zugrunde lagen. Die Beklagte hat sich nicht darauf beschränkt, das landgerichtliche Urteil schlicht nur teilweise anzufechten. Sie hat vielmehr in der Berufungsbegründung ausdrücklich erklärt, der (Teil-)Verurteilungsbetrag von 70.000 DM sei nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien fällig. Hieraus hat sie ausdrücklich die Konsequenz gezogen, das landgerichtliche Urteil werde insoweit nicht angegriffen. Bei dieser Sachlage war das Berufungsgericht verfahrensrechtlich nicht gehalten, auch diesen Teil der Verurteilung, der seiner Entscheidung aufgrund eindeutiger Willensäußerung des Rechtsmittelführers vorbehaltlos entzogen sein sollte, in die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache mit einzubeziehen und damit die im Berufungsurteil aufgezeigten, den berechtigten Interessen der Klägerin zuwiderlaufenden Risiken für ein Vollstreckungsverfahren heraufzubeschwören.

Ende der Entscheidung

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