Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.05.2006
Aktenzeichen: VII ZR 300/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 638
Die unter der Überschrift "Gewährleistungs- und Haftungsdauer" stehende Klausel 6.2 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheitsarchitektenvertrag für Gebäude (AVA)

"Die Verjährung beginnt mit der Abnahme der letzten nach diesem Vertrag zu bringenden Leistung, spätestens mit Abnahme der in Leistungsphase 8 (Objektüberwachung) zu erbringenden Leistung (Teilabnahme). Für Leistungen, die danach noch zu erbringen sind, beginnt die Verjährung mit Abnahme der letzten Leistung."

enthält keine Vereinbarung über eine Teilabnahme.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 300/04

Verkündet am: 11. Mai 2006

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Wiebel. Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 4. November 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger fordert vom beklagten Architekten Schadensersatz.

Der Rechtsvorgänger des Klägers (künftig: Kläger) beauftragte mit Vertrag vom Oktober 1991 den Beklagten mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1-9 des § 15 HOAI für den Umbau und die Erweiterung eines Gymnasiums. Die vom Beklagten gestellten Allgemeinen Vertragsbestimmungen zum Einheitsarchitektenvertrag für Gebäude (AVA) waren einbezogen. Abschnitt 6 AVA ist mit "Gewährleistungs- und Haftungsdauer" überschrieben. Nach Abschnitt 6.1 AVA verjähren die Ansprüche des Bauherrn grundsätzlich mit Ablauf von fünf Jahren. Abschnitt 6.2 lautet:

"Die Verjährung beginnt mit der Abnahme der letzten nach diesem Vertrag zu bringenden Leistung, spätestens mit Abnahme der in Leistungsphase 8 (Objektüberwachung) zu erbringenden Leistung (Teilabnahme). Für Leistungen, die danach noch zu erbringen sind, beginnt die Verjährung mit Abnahme der letzten Leistung."

Das Bauvorhaben war Ende 1993 fertig gestellt. Die einzelnen Gewerke wurden in der Zeit von Juni 1993 bis Anfang März 1994 abgenommen. Am 8. Dezember 1993 erteilte der Beklagte eine mit "Schlussrechnung" bezeichnete Rechnung über sämtliche Leistungsphasen, die der Kläger im April 1994 zahlte.

Ab 1995 traten in allen Geschossen des Gebäudes am PVC-Fußbodenbelag Blasenbildungen auf, so dass der Belag nicht mehr haftete. Der Kläger nahm den Fußbodenverleger vergeblich auf Zahlung in Anspruch. Er begehrt nunmehr vom Beklagten mit der im August 2001 erhobenen Klage Schadensersatz in Höhe von 76.809,60 € sowie Feststellung des Ersatzes weiteren Schadens wegen nicht ordnungsgemäßer Planung der Fußbodenplatte und unzureichender Überwachung des Fußbodenverlegers. Die Instanzgerichte haben die Einrede des Beklagten, die Ansprüche des Klägers seien verjährt, nicht für erheblich erachtet und der Klage stattgegeben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Beklagte weiterhin Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

Das für das Schuldverhältnis maßgebende Recht bestimmt sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht führt aus, die geltend gemachten Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt. Die Vereinbarung in Abschnitt 6.2 AVA über die Teilabnahme sei wirksam. Eine ausdrücklich erklärte Teilabnahme liege nicht vor. Auch bei wirksamer Vereinbarung sei für die Annahme einer konkludent erklärten Teilabnahme Zurückhaltung geboten. Es gebe keine Vermutung, ein bestimmtes Verhalten lasse auf den Willen des Bauherrn zur Teilabnahme schließen. Vielmehr müsse dessen Wille zur Teilabnahme wegen der gravierenden Folgen der Abnahme klar zum Ausdruck kommen. Dieser dürfe nicht unterstellt werden und sei auch nicht zu vermuten, sondern vom Architekten, wenn er sich darauf berufe, zu beweisen. Bei einer erst teilweise ausgeführten Leistung komme eine Abnahme durch schlüssiges Verhalten regelmäßig nicht in Betracht. Der Beklagte habe eine Teilabnahme seiner Architektenleistungen nicht bewiesen. Der Bezug des renovierten und erweiterten Schulgebäudes, die Abnahme der Leistungen der Bauhandwerker und die Bezahlung der Architektenrechnung vom 8. Dezember 1993 reichten dafür nicht aus.

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Die Ansprüche des Klägers, denen die Revision allein die Einrede der Verjährung entgegenhält, sind nicht verjährt. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts und der Revision regelt Abschnitt 6.2 AVA allerdings keine Vereinbarung zur Teilabnahme (1.). Dann sind die Feststellungen des Berufungsgerichts, der Beklagte habe eine konkludent erklärte Teilabnahme des Klägers nicht bewiesen, rechtsfehlerfrei (2.).

1. Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts haben die Parteien eine wirksame Vereinbarung über eine Teilabnahme nach Vollendung der Leistungsphase 8 getroffen. Soweit das Berufungsgericht der Klausel damit eine Vereinbarung zur Teilabnahme, verbunden mit dem Beginn der Verjährungsfrist, zu entnehmen scheint, ist ein solches Verständnis rechtsfehlerhaft.

a) Die Auslegung der Klausel in Abschnitt 6.2 AVA kann der Senat wegen der Möglichkeit einer unterschiedlichen Auslegung durch ein Land- und Oberlandesgericht uneingeschränkt vornehmen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 2005 - X ZR 60/04, BGHZ 163, 321). Die Klausel begründet keine Pflicht des Auftraggebers zur Teilabnahme.

b) Zweifel am Inhalt der Klausel gehen gemäß § 5 AGBG zu Lasten des Beklagten als Verwender des Formulars. Ein durchschnittlich verständiger Bauherr erwartet unter der Überschrift einer Klausel "Gewährleistungs- und Haftungsdauer" keine Vereinbarung eines Teilabnahmeanspruchs des Auftragnehmers, für den der Text keinen hinreichenden Anhaltspunkt enthält (so Löffelmann/Fleischmann, Architektenrecht, 4. Aufl., Rdn. 1438 m; Knipp in Thode/ Wirth/Kuffer, Praxishandbuch Architektenrecht, § 7 Rdn. 89). Ein Architekt kann eine Abnahme in Teilen nur aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung verlangen (BGH, Urteil vom 10. Februar 1994 - VII ZR 20/93, BGHZ 125, 111, 115). Diese muss unmissverständlich gefasst sein.

c) Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Die Klausel legt den Beginn der Verjährungsfrist für den Fall einer Abnahme der bis zur Leistungsphase 8 zu erbringenden Leistung fest, die als Teilabnahme bezeichnet wird, und regelt des weiteren den Beginn der Verjährung für die danach noch zu erbringenden Leistungen. Damit wird die Verjährung zwar an die Abnahme der Leistung geknüpft, auch wenn es sich dabei um eine Teilabnahme handelt. Eine Verpflichtung zu einer Teilabnahme wird jedoch nicht begründet. Geregelt ist lediglich der Beginn der Verjährung, sofern eine Teilabnahme stattgefunden hat. Ein Verständnis der Klausel, der Auftraggeber werde auch verpflichtet, Teilleistungen abzunehmen, kommt im Hinblick auf die fehlende Transparenz nicht in Betracht.

2. Die Feststellungen des Berufungsgerichts, der Beklagte habe bei seinen 1994 erst teilweise ausgeführten Leistungen eine konkludent erklärte Teilabnahme des Klägers nicht bewiesen, sind rechtsfehlerfrei. Im Ergebnis zu Recht ist das Berufungsgericht bei seiner Würdigung von den für den Fall entwickelten Grundsätzen der Senatsrechtsprechung ausgegangen, dass eine Teilabnahme nicht vereinbart ist. Danach muss der Wille des Bauherrn zur Vorwegabnahme wegen der gravierenden Folgen der Abnahme klar zum Ausdruck kommen und ist vom Architekten, der sich darauf beruft, zu beweisen (Urteil vom 10. Februar 1994 - VII ZR 20/93 aaO).

a) Die Feststellungen des Berufungsgerichts, in dem Bezug des renovierten und erweiterten Schulgebäudes liege ebenso wenig wie in der Abnahme der Arbeiten der Bauhandwerker eine konkludent erklärte Teilabnahme der Leistungen des Beklagten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies zieht auch die Revision nicht in Zweifel.

b) Die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, in der Bezahlung der Schlussrechnung vom 8. Dezember 1993 sei nicht mit der erforderlichen Klarheit der rechtsgeschäftliche Wille des Klägers zu einer Teilabnahme zu erkennen, ist aus Rechtsgründen gleichfalls nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt keine Gründe für die Annahme auf, die Zahlung auf die Schlussrechnung sei ungeachtet des Umstandes, dass die Leistung des Architekten noch nicht vollendet war, als Teilabnahme der bis einschließlich Leistungsphase 8 erbrachten Leistungen zu verstehen.

3. Das Berufungsgericht hat somit im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass das Architektenwerk jedenfalls bis zum Schluss der geschuldeten Leistungsphase 9 nicht abgenommen wurde. Die Gewährleistungsansprüche des Klägers waren demnach bei Klageerhebung im Jahr 2001 noch nicht verjährt.

Ende der Entscheidung

Zurück