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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.04.1999
Aktenzeichen: VII ZR 309/98
Rechtsgebiete: HOAI


Vorschriften:

HOAI § 4 Abs. 2
HOAI § 4 Abs. 2

Ein Ausnahmefall im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI liegt nicht schon dann vor, wenn die Vertragspartner sich duzende Mitglieder desselben Tennisvereins sind und wenn der Architekt sich im Ruhestand befindet.

BGH, Urteil vom 15. April 1999 - VII ZR 309/98 - OLG Düsseldorf LG Wuppertal


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

VII ZR 309/98

Verkündet am: 15. April 1999

Seelinger-Schardt, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. April 1999 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Wiebel und Dr. Kuffer

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Juli 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 22. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel tragen die Beklagten.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

I.

Der Kläger verlangt von den beklagten Eheleuten restliches Architektenhonorar auf der Grundlage der Mindestsätze der HOAI für erbrachte Leistungen sowie die Erstattung von Nebenkosten.

II.

Der Kläger und der Beklagte zu 2 lernten sich als Mitglieder desselben Tennisvereins kennen und duzten sich. Der Kläger ist Architekt im Ruhestand, aber noch Mitglied der Architektenkammer. Die Beklagten sind Eigentümer eines mit einem Bungalow bebauten Grundstücks. Im Jahr 1995 erwogen sie, den Bungalow aufzustocken.

Der Kläger erbrachte dafür die Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 des § 15 HOAI vollständig sowie 80 % der Leistungsphase 5, ohne daß vorher ein bestimmtes Honorar vereinbart worden war. Die Baugenehmigung wurde im September 1996 erteilt. In der Folgezeit führten Meinungsverschiedenheiten der Parteien schließlich zur Beendigung des Vertragsverhältnisses. Zur Aufstockung des Bungalows kam es nicht mehr.

Im Januar 1997 rechnete der Kläger seine Leistungen ab. Den sich daraus ergebenden Betrag von 30.260,59 DM hat er zum Gegenstand der Klage gemacht. Während des Berufungsverfahrens hat der Kläger eine neue Honorarschlußrechnung über 38.506,01 DM überreicht und sein Klagebegehren als Teilklage bezeichnet.

III.

Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 30.260,59 DM und Zinsen verurteilt. Das Oberlandesgericht hat der Klage in Höhe von 19.633,18 DM und Zinsen stattgegeben. Es hat die Revision im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs "Ausnahmefall" im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI zugelassen. Mit seinem Rechtsmittel beantragt der Kläger, die Beklagten zur Zahlung weiterer 10.627,41 DM zu verurteilen und somit das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist, und zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, zwischen den Parteien sei ein mündlicher Architektenvertrag zustande gekommen. Dem Kläger stehe jedoch kein Anspruch auf das volle Honorar zu. Die Beklagten seien nämlich berechtigt, gegenüber der Honorarforderung des Klägers einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß in Höhe von 50 % des Grundhonorars und des Umbauzuschlages zu verrechnen. Denn infolge mangelnder Aufklärung durch den Kläger sei es den Beklagten nicht möglich gewesen, ein die Mindestsätze der HOAI unterschreitendes Honorar wirksam zu vereinbaren. Ein Ausnahmefall im Sinne von § 4 Abs. 2 HOAI habe vorgelegen. Dafür spreche, daß sich der Kläger bereits im Ruhestand befunden habe und daß die für die Beklagten ausgeübte Tätigkeit somit zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und zur Finanzierung laufender Kosten nicht erforderlich gewesen sei. Hinzu komme, daß der Kläger und der Beklagte zu 2 als Mitglieder desselben Tennisklubs Duzfreunde gewesen seien.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Das Berufungsgericht geht zu Recht von der Anwendbarkeit der HOAI aus.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die HOAI auf alle Anbieter anwendbar, die Architekten- oder Ingenieurleistungen erbringen, die in der HOAI beschrieben sind (BGH, Urteil vom 22. Mai 1997 - VII ZR 290/95, BGHZ 136, 1). Diese Voraussetzungen sind erfüllt; der Kläger hat sich ausschließlich zu Leistungen verpflichtet, die in der HOAI beschrieben sind.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, es liege ein Ausnahmefall im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI vor.

a) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 22. Mai 1997 (VII ZR 290/95, BGHZ 136, 1, 8) entschieden, daß bei der Bestimmung eines Ausnahmefalles der Zweck der Norm und die berechtigten Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen sind. Die zulässigen Ausnahmefälle dürfen einerseits nicht dazu führen, daß der Zweck der Mindestsatzregelung gefährdet wird, einen "ruinösen Preiswettbewerb" unter Architekten und Ingenieuren zu verhindern. Andererseits können alle die Umstände eine Unterschreitung der Mindestsätze rechtfertigen, die das Vertragsverhältnis in dem Sinne deutlich von den durchschnittlichen Vertragsverhältnissen unterscheiden, daß ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist. Das kann der Fall sein, wenn die vom Architekten oder Ingenieur geschuldete Leistung nur einen besonders geringen Aufwand erfordert, sofern dieser Umstand nicht schon bei den Bemessungsmerkmalen der HOAI zu berücksichtigen ist. Ein Ausnahmefall in diesem Sinne kann beispielsweise bei engen Beziehungen rechtlicher, wirtschaftlicher, sozialer oder persönlicher Art oder sonstigen besonderen Umständen gegeben sein. Solche besonderen Umstände können etwa in der mehrfachen Verwendung einer Planung liegen (so auch BGH, Urteil vom 21. August 1997 - VII ZR 13/96, BauR 1997, 1062 = ZfBR 1997, 305). Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalles im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI liegen nicht schon dann vor, wenn sich im Laufe der geschäftlichen Zusammenarbeit der Vertragsparteien Umgangsformen entwickeln, die als freundschaftlich zu bezeichnen sind (BGH, Urteil vom 21. August 1997 - VII ZR 13/96, aaO).

b) Die vom Berufungsgericht festgestellten Umstände bieten nach den vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen weder für sich genommen noch in ihrer Verbundenheit einen Anhaltspunkt dafür, daß ein Ausnahmefall im Sinne des § 4 Abs. 2 HOAI vorliegt.

Die gemeinsame Mitgliedschaft in einem Tennisverein begründet für sich auch dann noch keine enge persönliche Beziehung, wenn sich die Mitglieder duzen und "ihr Verhältnis von einem freundschaftlichen Miteinander geprägt ist". Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Erwägung des Berufungsgerichts, daß die Tätigkeit des sich bereits im Ruhestand befindenden Klägers zur Finanzierung seines Lebensunterhalts und fixer Kosten nicht notwendig gewesen sein mag. Dieser Umstand kennzeichnet eine bestimmte Betriebsform mit besonders günstiger Kostenstruktur. Er ist nicht geeignet, das vorliegende von den üblichen Vertragsverhältnissen in dem Sinn zu unterscheiden, daß ein unter den Mindestsätzen liegendes Honorar angemessen ist. Die Anerkennung einer solchen Arbeitsform als Ausnahme von § 4 Abs. 2 HOAI mit der Folge einer weitgehenden Freistellung von den Mindestsätzen würde gerade den Preiswettbewerb fördern, den die HOAI auf der Grundlage von § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 3 Nr. 1 MRVG ausschließt.

3. Folglich kommt ein Schadensersatzanspruch der Beklagten aufgrund einer vorvertraglichen Pflichtverletzung des Klägers nicht in Betracht. Es fehlt schon an einem Schaden, weil die Beklagten im Falle der Aufklärung über die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Honorarvereinbarung kein Honorar wirksam unterhalb der Mindestsätze hätten vereinbaren können. Ob und unter welchen Umständen ein Architekt verpflichtet sein kann, über die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Honorarvereinbarung aufzuklären, die die Mindestsätze unterschreitet, ist nicht entscheidungserheblich.

III.

Das Berufungsurteil muß deshalb aufgehoben werden. Da weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht in Betracht kommt, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen, wenn auch unter Berücksichtigung der neuen Schlußrechnung.

Ende der Entscheidung

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