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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.10.2005
Aktenzeichen: VII ZR 325/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 635
BGB § 249 a.F. Cb
a) Macht der Erwerber einer Eigentumswohnung Rückabwicklung des Vertrags im Wege des großen Schadensersatzes geltend, ist der ihm bei Selbstnutzung anzurechnende Nutzungsvorteil zeitanteilig linear aus dem Erwerbspreis zu ermitteln.

b) Ist die Wohnung mangelhaft, ist von dem so errechneten Nutzungsvorteil unter Berücksichtigung des Gewichts der Beeinträchtigungen ein Abschlag vorzunehmen, der gemäß § 287 ZPO geschätzt werden kann.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VII ZR 325/03

Verkündet am: 6. Oktober 2005

in dem Rechtsstreit

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und die Richterin Safari Chabestari

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussrevision der Klägerin das Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 16. Oktober 2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Nutzungsvorteil, den sich die Klägerin anrechnen lassen muss, mit einem 47.462,42 € unterschreitenden Betrag bewertet worden ist.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin möchte den Erwerb einer Eigentumswohnung mit Tiefgaragenstellplatz (im folgenden: Eigentumswohnung) rückgängig machen. Sie nimmt die als Bauträger tätige Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes (im folgenden: Zedent) auf großen Schadensersatz in Anspruch.

Der Zedent erwarb von der Beklagten die noch fertig zu stellende Immobilie zum Preis von 337.750 DM (= 172.688,83 €). Die Klägerin und der Zedent leben seit dem 1. August 1997 in der Wohnung.

Die Wohnung hat nicht unbeträchtliche Schallschutzmängel. Nachdem die Beklagte diese Mängel trotz Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung nicht beseitigt hatte, lehnte die Klägerin eine weitere Mängelbeseitigung ab und forderte die Beklagte unter Fristsetzung zur Zahlung von 442.420,35 DM (= 226.205,93 €) auf.

Erstinstanzlich hat die Klägerin 224.284,41 € zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkungen sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte auch zum Ersatz weiteren Schadens verpflichtet ist. Die Beklagte ist dem Zahlungsantrag unter anderem mit einem Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe der behaupteten ortsüblichen Miete entgegen getreten.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 202.552 € zuzüglich Zinsen verurteilt Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkungen und Rückgabe der Eigentumswohnung. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin sämtliche weiteren Schäden und Aufwendungen zu ersetzen hat, die ihr aus der Rückabwicklung des Erwerbsvertrags entstanden sind und entstehen werden. Die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Ansprüche auf Nutzungsentschädigung hat es im Wege des Vorteilsausgleichs nur in Höhe von 8.511,25 € als Abzugsposten berücksichtigt.

Auf die Berufung beider Parteien hat das Oberlandesgericht die Beklagte zur Zahlung von 200.960,69 € Zug um Zug gegen Löschung der Auflassungsvormerkungen und einer Grundschuld sowie Rückgabe der Eigentumswohnung verurteilt. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin weitergehende Schäden zu ersetzen hat. In dem zugesprochenen Betrag sind u. a. auch die Kosten der Finanzierung des Erwerbspreises enthalten. Den Wert der im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigenden Wohnungsnutzung durch den Zedenten hat das Berufungsgericht für den Zeitraum vom 1. August 1997 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 12. August 2003 mit 9.331,43 € ermittelt. Verzugszinsen hat das Berufungsgericht der Klägerin nicht zuerkannt.

Der Senat hat die Revision der Beklagten zugelassen, mit der sie das Ziel verfolgt, dass der Nutzungsvorteil, den sich die Klägerin anrechnen lassen muss, mit nicht weniger als 47.462,42 € berücksichtigt wird.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anschlussrevision gegen die Abweisung des Zinsanspruchs aus der Hauptsumme.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

Das für das Schuldverhältnis maßgebende Recht bestimmt sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die bei der Bemessung des Schadensersatzes im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigende Nutzung der Immobilie durch den Zedenten sei nicht entsprechend dem üblichen oder fiktiven Mietzins für eine gleichartige Sache zu bewerten. Zugrunde zu legen sei lediglich der "Wertverzehr", den die Immobilie durch diese Nutzung erfahren habe. Dieser Wertverlust sei ausgehend von dem tatsächlichen Wert des Objekts nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung im Vergleich zwischen der tatsächlichen Gebrauchsdauer und der voraussichtlichen Gesamtnutzungszeit der Eigentumswohnung zu ermitteln.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung teilweise nicht stand.

1. Das Berufungsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Klägerin nicht den vollen Erwerbspreis als Schaden geltend machen kann. Vielmehr muss sie sich im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen, dass der Zedent die Eigentumswohnung einige Jahre bewohnt hat. Der Wert der Nutzung ist bei der Bemessung des Schadensersatzes anzurechnen. Dabei handelt es sich um die Berechnung des Schadensersatzes, nicht um eine Aufrechnung.

2. Richtig ist ferner der Ansatz des Berufungsgerichts, dass der Nutzungsvorteil in ein Verhältnis zum Wert der mit dem Erwerb der Eigentumswohnung getätigten Investition gesetzt und zeitanteilig linear berechnet werden muss (zum zutreffenden Wertansatz vgl. sogleich 3.).

a) Dieser Wert ist eine greifbare und verlässliche Größe, die es erlaubt, denjenigen Vorteil in Geld auszudrücken, den ein Eigentümer entsprechend seiner Investitionsentscheidung durch die eigene Nutzung einer Immobilie hat. Für einen Mieter und auch für einen Vermieter kann die Miete einen Anhaltspunkt für Nutzungsvorteile bieten. Ein selbstnutzender Eigentümer dagegen zieht seinen geldwerten Vorteil entsprechend seinem Aufwand für den Erwerb der Eigentumswohnung.

b) Darüber hinaus trifft es zu, dass der Nutzungsvorteil zeitanteilig linear zu ermitteln ist. Ausgehend von der Tatsache, dass eine Eigentumswohnung mit dem Bauwerk, in dem sie sich befindet, im allgemeinen eine begrenzte Lebensdauer hat, lässt sich der Wert der Eigennutzung, gemessen am Wert der Eigentumswohnung, in gleichmäßigen Beträgen je abgewohntem Jahr ausdrücken. Die Revision stellt nicht in Frage und es ist auch rechtlich bedenkenfrei, dass das sachverständig beratene Berufungsgericht die Gesamtnutzungsdauer für die vom Zedenten erworbene Eigentumswohnung mit 80 Jahren angesetzt hat. Dementsprechend ist der Berechnung des Nutzungsvorteils für jedes Jahr, welches der Zedent dort wohnt oder gewohnt hat, ein achtzigstel des Investitionsaufwandes und für den Teil eines Jahre der entsprechende Anteil zugrunde zu legen.

Im Gegensatz zur Auffassung der Revision kommt eine degressive Ermittlung nicht in Betracht. Es geht hier nicht um den Wert oder Restwert der Wohnung als Vermögensgegenstand, sondern um die Bewertung der Nutzung für den Eigentümer. Dieser Wert ist im ersten oder fünften Jahr einer Nutzung grundsätzlich nicht anders als in späteren Jahren. Die von der Revision hervorgehobenen Reparaturkosten sind in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Sie berühren den Vorteil für den selbstnutzenden Eigentümer rechnerisch gleichmäßig in allen Jahren, gegebenenfalls über Rücklagen, nicht nur in den Jahren, in denen Reparaturen anfallen.

c) Der Mietwert der Eigentumswohnung kann zur Berechnung des Vorteils des Zedenten nicht herangezogen werden. Der Zedent hat sich entschieden, eine Wohnung nicht zu mieten, sondern zu erwerben. Dementsprechend hat er nicht die rechtliche und wirtschaftliche Stellung eines Mieters gewählt, sondern diejenige eines Eigentümers. Die Entscheidung des Zedenten kann nicht übergangen werden, nur weil die Beklagte mit der Folge schlecht geliefert hat, dass der Erwerbsvertrag fehlgeschlagen ist und rückabgewickelt werden muss. Dann muss auch der Nutzungsvorteil nicht mit Hinblick auf ein Mietverhältnis, sondern auf der Grundlage einer Eigentümerstellung des Zedenten ermittelt werden.

d) Dieses Ergebnis stimmt überein mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Berechnung von Nutzungsvorteilen nach fehlgeschlagenem Kauf beweglicher Sachen. Dort werden die Vorteile linear im Verhältnis zum Wert der Sache ermittelt und nicht nach den Maßstäben für einen üblichen oder fiktiven Mietzins berechnet (BGH, Urteil vom 26. Juni 1991 - VIII ZR 198/90, BGHZ 115, 47, 52; vgl. auch Urteil vom 10. Februar 2004 - X ZR 117/02, BGHZ 158, 63, 68).

3. Das Berufungsgericht legt seiner Berechnung des Nutzungsvorteils einen vom Sachverständigen ermittelten tatsächlichen Wert der Eigentumswohnung zugrunde. Damit will es im Anschluss an das Landgericht dem Minderwert der Wohnung wegen der Schallschutzmängel Rechnung tragen. Das ist rechtsfehlerhaft.

Die Schallschutzmängel dürfen nicht beim Ausgangswert der zeitanteiligen linearen Berechnung berücksichtigt werden, sondern sie müssen bei der Würdigung des Wertes des der Klägerin anzurechnenden Nutzungsvorteils in Ansatz gebracht werden. Denn auszugehen ist stets, auch bei einer mangelbehafteten Immobilie, vom Wert der Investition, also vom vereinbarten und entrichteten Erwerbspreis. Dieser ist im Rahmen des großen Schadensersatzes grundsätzlich zu erstatten. Bevor hiervon der zeitanteilig lineare Abschlag für den Nutzungsvorteil abgezogen wird, muss dieser Abschlag mit Hinblick auf die Mängel der Eigentumswohnung seinerseits gemindert werden. Denn der Nutzungsvorteil ist keine nur rechnerische Größe, sondern hängt auch vom Zustand und damit der Nutzbarkeit der Wohnung ab.

Wie umfangreich dieser mängelbedingte Abschlag von dem rechnerisch ermittelten Nutzungsvorteil anzusetzen ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung aller Umstände gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dabei kann anders als bei der Minderung einer Werklohnforderung nicht an die voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten angeknüpft werden. Denn diese sagen nichts über das Maß der Beeinträchtigungen aus, die der Zedent während seiner Wohnzeit in der Eigentumswohnung hinzunehmen hat oder hatte. Ebenso wenig kann die Minderung des Wertes der Wohnung maßgeblich sein. Beide, die Mangelbeseitigungskosten und die Wertminderung der Wohnung, können sehr gering und die Einschränkung der Nutzung kann gleichzeitig außerordentlich hoch sein. Umgekehrt sind hohe mangelbedingte Kosten denkbar, ohne dass der Wert der Nutzung wesentlich beeinträchtigt würde. Ausschlaggebend ist vielmehr die tatrichterliche Würdigung der festgestellten Mängel und deren Auswirkungen auf den Nutzungsvorteil. Beispielsweise werden sich selbst schwere und nur kostspielig zu beseitigende Mängel im Fundamentbereich eines Gebäudes meist wenig auf den Vorteil der Nutzung einer darin befindlichen Wohnung auswirken. Die in der zurückzugebenden Eigentumswohnung festgestellten Schallschutzmängel dagegen bedeuten möglicherweise eine beträchtliche Einschränkung der Nutzung unabhängig davon, wie hoch entsprechende Mangelbeseitigungskosten sind.

Der Abzug von dem zunächst nur rechnerisch ermittelten Nutzungsvorteil kann auf dieser Grundlage auch prozentual vorgenommen werden. Erst der daraus sich ergebende Betrag ist von dem Erwerbspreis als Nutzungsvorteil abzuziehen.

4. Der vom Schaden der Klägerin abzuziehende Nutzungsvorteil des Zedenten ist unabhängig von der Wertentwicklung der Immobilie. Der Erwerber, der die Rückabwicklung des Erwerbsvertrages durchsetzt, hat unter Berücksichtigung seiner Nutzungsvorteile Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen, vor allem des Erwerbspreises. Dagegen nimmt er nicht teil an Wertschwankungen des Objekts.

B.

Die zulässige Anschlussrevision der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, ein Anspruch der Klägerin auf Verzinsung ihrer Forderung sei nicht gegeben, weil sie die Beklagte nicht in Verzug gesetzt habe, ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Zinsen gemäß § 291 BGB stehen der Klägerin ebenfalls nicht zu (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 1971 - VII ZR 3/69, BGHZ 55, 198, 200).

Über die Kosten des Rechtsstreits wird das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache von Amts wegen zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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