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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.10.2001
Aktenzeichen: VIII ZB 19/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 188 Abs. 3
ZPO § 233
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 222 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZB 19/01

vom

24. Oktober 2001

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Oktober 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Ball, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenat in Freiburg - vom 9. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 96.730,60 DM.

Gründe:

I. Das Landgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 19. Dezember 2000 verurteilt, an die Klägerin 96.730,60 DM nebst Zinsen zu zahlen. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte durch seinen Prozeßbevollmächtigten Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift ist per Telefax am 29. Januar 2001 beim Oberlandesgericht eingegangen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 2. März 2001 hat der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt. Hierzu hat er glaubhaft gemacht:

Ungeachtet der schriftlichen Verfügung seines Prozeßbevollmächtigten habe die in dessen Büro tätige Auszubildende als Fristende nicht den 28. Februar, sondern den 1. März 2001 notiert. Bei Vorlage der Akten aufgrund der einwöchigen Vorfrist, die die Auszubildende falsch, aber folgerichtig nicht für den 21., sondern den 22. Februar 2001 vermerkt habe, habe der Prozeßbevollmächtigte die Bearbeitung der Sache wegen eines bevorstehenden Kurzurlaubs bis zum 1. März 2001 zurückgestellt, nachdem er sich anhand des Fristenkalenders von der Eintragung einer entsprechenden Frist überzeugt gehabt habe.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Beklagten.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Zu Recht hat das Oberlandesgericht die von dem Beklagten beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt. Die Versäumung der gemäß § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 3 BGB am 28. Februar 2001 abgelaufenen einmonatigen Frist zur Begründung der Berufung war entgegen § 233 ZPO nicht unverschuldet, sondern beruht vielmehr auf einem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, das sich dieser nach § 85 Abs. 2 ZPO anrechnen lassen muß.

Dahinstehen kann, ob es dem Prozeßbevollmächtigten, wie das Oberlandesgericht in erster Linie angenommen hat, aufgrund eines Organisations- bzw. Überwachungsverschuldens anzulasten ist, daß die in seinem Büro tätige Auszubildende ungeachtet seiner schriftlichen Verfügung als Fristende nicht den 28. Februar, sondern den 1. März 2001 notiert hat. Jedenfalls hat der Prozeßbevollmächtigte die Versäumung der Frist deswegen verschuldet, weil er die gebotene Fristkontrolle unterlassen hat, als ihm - gemäß dem in der Beschwerdebegründung noch einmal klargestellten Vortrag - die Akten zu der von der Auszubildenden notierten Vorfrist am 22. Februar 2001 vorgelegt worden sind.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten - wie hier auf Vorfrist (zu deren Erfordernis bei Rechtsmittelbegründungsfristen vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 1994 - I ZB 5/94, NJW 1994, 2831 unter 3 a und vom 25. Juni 1997 - XII ZB 61/97, NJW-RR 1997, 1289 unter II, jew.m.w.Nachw.) - zur Bearbeitung vorgelegt werden (Beschlüsse vom 6. Juli 1994 - VIII ZB 12/94, NJW 1994, 2831 unter II 1 und 2, vom 29. September 1998 - VI ZB 16/98, BRAK-Mitt. 1998, 269 unter II und vom 9. März 1999 - VI ZB 3/99, NJW 1999, 2048 unter II 1, jew.m.w.Nachw.). Diese Prüfung muß zwar nicht sofort erfolgen, weil die Vorfrist gerade den Sinn hat, dem Rechtsanwalt einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden Tag vorgenommen werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. März 1999 aaO und vom 5. Oktober 1999 - VI ZB 22/99, NJW 2000, 365 unter II 1 c, jew.m.w.Nachw.). Soll die Prüfung Sinn machen, darf sie jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Rechtsanwalt - gegebenenfalls erst am letzten Tag der Frist (vgl. BGH, Beschluß vom 27. Mai 1997 - VI ZB 10/97, NJW 1997, 2825 unter II 2) - die eigentliche Bearbeitung der Sache vornimmt. Vielmehr entsteht die Prüfungspflicht mit Vorlage der Akten unabhängig davon, ob sich der Rechtsanwalt daraufhin zur sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91, NJW 1992, 841 unter II, vom 6. Juli 1994 aaO, vom 27. Februar 1997 - I ZB 50/96, NJW 1997, 1708 unter II 2 c und vom 29. September 1998 aaO). Dementsprechend muß sich der Rechtsanwalt, der die eigentliche Sachbearbeitung zurückstellen will, bei der Vorlage auf Vorfrist auch davon überzeugen, ob ihm am Tag des Fristablaufs noch Zeit für die Anfertigung der Rechtsmittelbegründung oder für einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist verbleibt (BGH, Beschlüsse vom 27. Mai 1997 und 29. September 1998 aaO).

b) Demgemäß hätte hier der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten bei Vorlage der Akten am 22. Februar 2001 oder am folgenden Tag prüfen müssen, ob die Berufungsbegründungsfrist richtig notiert war. Dazu genügte nicht der Blick in den Fristenkalender, da hierdurch ein Fehler bei der Fristberechnung und -eintragung nicht zu erkennen war. Vielmehr hätte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten die Prüfung anhand der Akten vornehmen müssen. Hätte er dies getan, hätte er festgestellt, daß die Auszubildende seine Verfügung nicht beachtet und den Fristablauf abweichend davon nicht auf den 28. Februar, sondern den 1. März 2001 notiert hatte. In diesem Fall wäre die Frist nicht versäumt worden.

2. Da dem Beklagten mithin keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren war, hat das Oberlandesgericht die Berufung des Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen.



Ende der Entscheidung

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