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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: VIII ZB 98/06
Rechtsgebiete: ZPO, RVG


Vorschriften:

ZPO §§ 103 ff.
ZPO § 138 Abs. 3
ZPO § 331 Abs. 3
RVG § 2 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VIII ZB 98/06

vom 20. Mai 2008

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Wiechers, die Richterinnen Hermanns und Dr. Hessel sowie den Richter Dr. Achilles

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. September 2006 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Stuttgart vom 14. August 2006 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte der Klägerin über die in diesem Beschluss festgesetzten Kosten hinaus weitere 424,20 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juli 2006 zu erstatten hat.

Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 424,20 € festgesetzt. Gründe:

I.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung des Restkaufpreises für Warenlieferungen in Anspruch genommen. Mit Schreiben vom 27. Juni 2006 hat der Beklagte persönlich dem Landgericht folgendes mitgeteilt:

"... zwischenzeitlich habe ich die Schuld gegenüber der Fa. K. GmbH [= Klägerin] anerkannt und mit dieser eine Teilzahlungsvereinbarung getroffen, die allerdings vorsieht, dass die Forderung tituliert wird. Da ich die Forderung nicht bestreite, sondern vielmehr anerkenne, bitte ich, aus Kostengründen den Termin vom 03.07.2006 aufzuheben und Anerkenntnis-Urteil im schriftlichen Verfahren zu erlassen."

Nach Telefonaten mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem Beklagten hat der Einzelrichter den vorgenannten Termin aufgehoben und verfügt, dass der Haupttermin durch ein schriftliches Vorverfahren vorbereitet werden solle. In einem Vermerk über den Inhalt der Telefonate heißt es unter anderem:

"... Beide sind mit diesem Vorgehen und dem Erlass eines VU ... einverstanden."

Durch Versäumnisurteil gemäß § 331 Abs. 3 ZPO hat das Landgericht der Klage in der nach einer ersten Teilzahlung des Beklagten noch geltend gemachten Höhe von 16.611,21 € nebst Zinsen stattgegeben, den Rechtsstreit auf Antrag der Klägerin im Übrigen in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auferlegt.

Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten unter anderem die Festsetzung einer 1,2-fachen Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) nach einem Streitwert von 16.611,21 € in Höhe von 727,20 € beantragt. Zur Begründung heißt es in dem Antrag, auf Veranlassung des Beklagten habe mit diesem eine telefonische Verhandlung stattgefunden, die dazu geführt habe, dass er die Forderung mit Schreiben vom 27. Juni 2006 anerkannt und die Erledigung des Rechtsstreits durch Versäumnisurteil ermöglicht habe. Dem ist der Beklagte nicht entgegengetreten.

Die Rechtspflegerin hat lediglich eine 0,5-fache Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG in Höhe von 303 € in Ansatz gebracht. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist auch begründet. Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, dass statt der beantragten 1,2-fachen Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 727,20 € lediglich eine 0,5-fache Terminsgebühr nach Nr. 3105 VV RVG in Höhe von 303 € in Ansatz zu bringen ist.

1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt:

Es könne dahinstehen, ob eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG gemäß der 3. Alternative der Vorbemerkung 3.3 angefallen sei. Jedenfalls könne sie nicht Gegenstand der Kostenfestsetzung nach §§ 103 ff. ZPO sein. Diese bedürfe praktikabler Berechnungsgrundlagen. Die Tatsachen, die für die Entstehung einer außergerichtlichen Terminsgebühr maßgebend seien, ließen sich nicht den Akten entnehmen. Müsse der Kostenbeamte im Streitfall Beweis über tatsächliche Vorgänge erheben, die sich außerhalb des gerichtlichen Verfahrens ereignet hätten, werde die Kostenfestsetzung erschwert und verliere sie ihren Charakter als Mittel zum zügigen Ausgleich von Verfahrenskosten.

2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Beschwerdegericht hat bereits verkannt, dass eine Terminsgebühr (Nr. 3104 VV RVG) in Ansatz gebracht werden kann, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen des Gebührentatbestandes unstreitig sind. Das ist, wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, nicht nur dann der Fall, wenn der Gegner die maßgeblichen Tatsachen im Wege eines Geständnisses (§ 288 ZPO) eingeräumt hat (Beschluss vom 20. November 2006 - II ZB 6/06, NJW-RR 2007, 286, Tz. 6), sondern auch dann, wenn der Gegner sich zu dem den Gebührentatbestand begründenden, ihm zur Stellungnahme überreichten Vortrag nicht erklärt und dieser daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als unstreitig anzusehen ist (Beschluss vom 14. Dezember 2006 - V ZB 11/06, NJW-RR 2007, 787, Tz. 8).

Letzteres trifft hier zu. Die Klägerin hat zur Begründung ihres Antrags auf Festsetzung einer Terminsgebühr vorgetragen, auf Veranlassung des Beklagten habe mit diesem eine telefonische Verhandlung stattgefunden, die dazu geführt habe, dass er die Forderung mit Schreiben vom 27. Juni 2006 anerkannt und die Erledigung des Rechtsstreits durch Versäumnisurteil ermöglicht habe. Dem ist der Beklagte nicht entgegengetreten. Danach ist dieser Vortrag als zugestanden anzusehen, zumal er mit dem Schreiben des Beklagten vom 27. Juni 2006 und dem oben (unter I) zitierten Inhalt des Vermerks des erstinstanzlichen Einzelrichters in Einklang steht.

b) Angesichts dessen kommt es hier nicht mehr darauf an, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts eine Terminsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO selbst dann festgesetzt werden kann, wenn sich die dafür maßgeblichen Tatsachen nicht ohne weiteres aus der Gerichtsakte ergeben oder streitig sind (Beschluss vom 27. Februar 2007 - XI ZB 38/05, NJW 2007, 2858, Tz. 6; Beschluss vom 4. April 2007 - III ZB 79/06, NJW 2007, 2493, Tz. 9; Beschluss vom 10. Mai 2007 - VII ZB 110/06, NJW 2007, 2859, Tz. 8 f.).

3. Der angefochtene Beschluss stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Das Beschwerdegericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - offen gelassen, ob hier eine Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG in Verbindung mit Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Alt. 3, Nr. 3104 VV entstanden ist. Das ist indessen zu bejahen.

Nach der zitierten Regelung entsteht eine Terminsgebühr, wenn der Rechtsanwalt, auch ohne Beteiligung des Gerichts, an einer Besprechung mitwirkt, die auf die Vermeidung oder Erledigung des gerichtlichen Verfahrens gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind hier nach dem unstreitigen Vortrag der Klägerin durch das Telefongespräch ihres Prozessbevollmächtigten mit dem Beklagten, das zu der Erledigung des Rechtsstreits durch das Versäumnisurteil des Landgerichts geführt hat, erfüllt. Dass die Besprechung telefonisch erfolgt ist, reicht aus (BGH, Beschluss vom 20. November 2006, aaO, Tz. 8 m.w.N.). Das Gespräch war auch gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2006, aaO, Tz. 14 m.w.N.), wie sich aus der hierdurch herbeigeführten Erledigung des Rechtsstreits ergibt. Dem Ansatz der Terminsgebühr steht schließlich nicht entgegen, dass der nicht anwaltlich vertretene Beklagte die Sache vor dem Landgericht wegen des dort bestehenden Anwaltszwangs (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht selbst hätte erörtern können, weil der betreffende Gebührentatbestand lediglich auf einer Seite die Mitwirkung eines Anwalts erfordert (BGH, Beschluss vom 14. Dezember 2006, aaO, Tz. 12).

III.

Nach alledem ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Da es gemäß den vorstehenden Ausführungen weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden und unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Rechtspflegerin zugunsten der Klägerin die geltend gemachte 1,2-fache Terminsgebühr in voller Höhe in Ansatz bringen.

Ende der Entscheidung

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