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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.06.2006
Aktenzeichen: VIII ZR 135/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 478 a.F.
Dem Käufer steht die in § 478 BGB a.F. vorausgesetzte Mängeleinrede auch dann zu, wenn er sich mit der Zahlung des Restkaufpreises in Verzug befindet (Fortführung von BGHZ 113, 232).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 135/05

Verkündet am: 14. Juni 2006

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2006 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert, die Richter Ball, Dr. Wolst und Dr. Frellesen sowie die Richterin Hermanns

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. Mai 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Oberlandesgericht auf die Berufung der Klägerin unter Abänderung des Urteils der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 2. April 2003 der Klage stattgegeben und die Widerklage - in Höhe eines Betrages von 85.038 € nebst Zinsen - abgewiesen hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Am 10. Juli 2000 bestellte die Beklagte bei der Klägerin, einer Omnibus-Vertriebsgesellschaft, einen C. -Kleinreisebus (Neufahrzeug) Typ O. mit diversen Extras. In dem der Bestellung zugrunde liegenden Angebot der Klägerin wurde auf deren Allgemeine Geschäftsbedingungen Bezug genommen, die unter Ziff. VII (Gewährleistung) auszugsweise wie folgt lauten:

"1. Der Verkäufer leistet Gewähr für eine dem jeweiligen Stand der Technik des Typs des Kaufgegenstands entsprechende Fehlerfreiheit während drei Jahren oder maximal 100.000 km Fahrleistung.

2. Der Käufer hat Anspruch auf Beseitigung von Fehlern und durch sie an anderen Teilen des Kaufgegenstands verursachten Schäden (Nachbesserung). (....)

3. Wenn der Fehler nicht beseitigt werden kann oder für den Käufer weitere Nachbesserungsversuche unzumutbar sind, kann der Käufer anstelle der Nachbesserung Wandlung (Rückgängigmachung des Kaufvertrages) oder Minderung (Herabsetzung der Vergütung) verlangen. (.....)"

Die Klägerin bestätigte den Auftrag mit Schreiben vom 11. Juli 2000 und stellte für das am 25. August 2000 von der Beklagten übernommene Fahrzeug 189.399,30 DM zuzüglich 30.303,88 DM Mehrwertsteuer in Rechnung. Die Beklagte finanzierte den Nettokaufpreis über ein Darlehen der G. mbH (G. ). Wegen der Mehrwertsteuer trat die Beklagte einen Vorsteuererstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt G. an die Klägerin ab; seitens des Finanzamts erfolgte keine Zahlung an die Klägerin.

Die Beklagte rügte verschiedene Mängel des Fahrzeugs, die zum Teil behoben wurden. Am 5. Juni 2001 kam es zu einem Totalschaden des Motors. Der Bus wurde daraufhin von der Klägerin abgeholt und in eine Werkstatt verbracht. Mit Schreiben vom 13. Juni 2001 forderte die Beklagte die Klägerin auf, den Motorschaden beheben zu lassen. Die Klägerin kam der Aufforderung nicht nach; sie berief sich gegenüber dem Nachbesserungsverlangen der Beklagten mit Schreiben vom 27. Juni 2001 auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen der noch nicht gezahlten Mehrwertsteuer. Die Beklagte verlangte mit Schreiben vom 25. Juli 2001 die Rückabwicklung des Kaufvertrags.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung des Restkaufpreises von 15.494,13 € (= Mehrwertsteuer in Höhe von 30.303,88 DM) begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, etwa erforderliche Reparaturen seien von ihr nicht geschuldet, da der Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt sei; deshalb stehe ihr das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht zu. Darüber hinaus hat sich die Klägerin gegenüber etwaigen Gewährleistungsansprüchen der Beklagten auf Verjährung berufen.

Die Beklagte hat mit ihrer Widerklage (Antrag 1) die Rückzahlung des Nettokaufpreises nebst Zinsen an die G. begehrt und hat darüber hinaus im Wege der Aufrechnung gegenüber der Klageforderung und der Widerklage (Anträge 2 und 3) Schadensersatzansprüche geltend gemacht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf den Widerklageantrag zu 1 verurteilt, an die G. 85.038 € nebst Zinsen zu zahlen; hierbei handelt es sich um den Nettokaufpreis abzüglich der von der Beklagten erlangten Nutzungsvorteile, die das Landgericht auf 11.800 € geschätzt hat. Im Übrigen hat das Landgericht die Widerklage abgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Klägerin deren Klage stattgegeben und die Widerklage insgesamt abgewiesen; die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der diese die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt. Der vom Landgericht bei dem Widerklageantrag zu 1) vorgenommene Abzug wegen der Nutzungsentschädigung sowie die Widerklageanträge zu 2) und 3) sind nicht Gegenstand der Revision.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg und führt zur Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zahlung des der Höhe nach unstreitigen Restkaufpreises (Mehrwertsteueranteil) von 15.494,13 € zu. Die Beklagte sei spätestens mit der Zustellung des Mahnbescheids am 14. Februar 2001 in Verzug geraten. Das von der Beklagten erstmals mit Schriftsatz vom 22. Juni 2001 wegen verschiedener Mängel geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht habe den Zahlungsverzug nicht beseitigt. Sei bereits Verzug eingetreten, genüge die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes zur Heilung des Verzugs nicht; dies gelte erst recht bei danach aufgetretenen Mängeln. Wer sich in Verzug befinde, müsse die Folgen seiner eigenen Vertragsverletzung beseitigen, bevor er sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufe. Hierzu sei es erforderlich, dass er die von ihm geschuldete Leistung erbringe oder sie dem anderen Vertragsteil so anbiete, dass dieser in Verzug gerate. Diese Voraussetzungen habe die Beklagte nicht erfüllt. Selbst mit Schriftsatz vom 22. Juni 2001 habe die Beklagte nicht einmal Zug-um-Zug-Leistung angeboten, sondern unter gleichzeitigem Hinweis auf fehlende Fälligkeit des Restkaufpreises auf einer Vorleistung der Klägerin bestanden. Spätestens mit der Wandelungserklärung vom 25. Juli 2001 und deren Einführung in den Prozess habe die Beklagte endgültig jegliche Zahlungsbereitschaft aufgegeben und Rückabwicklung gefordert. Ein Zurückbehaltungsrecht habe danach nicht mehr in Betracht kommen können. Die Beklagte erstrebe keine Nachbesserung mehr. Auch mit Rücksicht auf § 478 BGB a.F. könne daher offen bleiben, ob Gewährleistungsrechte vor Ablauf der Verjährungsfrist angezeigt oder gar in verjährungsunterbrechender Weise gerichtlich geltend gemacht worden seien.

Die widerklagend geltend gemachten Ansprüche der Beklagten bestünden insgesamt nicht. Selbst wenn zugunsten der Beklagten von der Geltung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin auszugehen wäre und die Klägerin danach gemäß VII Ziff. 1 drei Jahre Gewähr zu leisten gehabt hätte, so wäre die Beklagte weder zur Wandelung noch zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verzuges berechtigt. Die Klägerin habe sich in VII 2 ihrer AGB, was nicht zu beanstanden sei, das Recht zur Nachbesserung vorbehalten. Nachdem die Beklagte, wie dargelegt, den Restkaufpreis nicht gezahlt habe und in Zahlungsverzug geraten sei, habe die Klägerin mit Schreiben vom 27. Juni 2001 von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht. Die aufgrund des bereits eingetretenen Zahlungsverzuges der Beklagten ohnedies unberechtigte Wandelungserklärung der Beklagten im Schreiben vom 25. Juli 2001 sei zeitlich erst danach gekommen und damit ins Leere gegangen. Aufgrund des Zahlungsverzuges der Beklagten habe die Klägerin ihrerseits nicht in Verzug geraten können.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Der Klägerin steht ein Anspruch aus § 433 Abs. 2 BGB auf Zahlung des Restkaufpreises nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachvortrag der Beklagten nicht zu; vielmehr hat danach die Beklagte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach §§ 346, 467, 465, 462, 459 BGB (a.F.).

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die wechselseitig geltend gemachten Ansprüche der Parteien aus dem Kaufvertrag vom 10./11. Juli 2000 nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) zu beurteilen sind, weil das Schuldverhältnis vor dem 1. Januar 2002 entstanden ist (Art. 229 § 5 EGBGB).

2. Für das Revisionsverfahren ist das Vorbringen der Beklagten zugrunde zu legen, wonach der von der Klägerin am 10. Juli 2000 gekaufte Kleinbus bei Gefahrübergang einen Sachmangel (§ 459 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.) aufwies - wie es im Übrigen das Landgericht hinsichtlich des am 5. Juni 2001 aufgetretenen Motorschadens nach Einholung eines Sachverständigengutachtens auch festgestellt hat -, und dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin Vertragsbestandteil geworden sind. Hiervon ausgehend hatte die Beklagte Anspruch auf Wandelung des Kaufvertrags (§ 462 BGB a.F.), den sie mit Schreiben vom 25. Juli 2001 geltend gemacht hat. Durch den Vollzug der Wandelung wird der Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet (§§ 465, 467, 346 ff. BGB a.F.), so dass der Klägerin ein Erfüllungsanspruch auf Zahlung des Restkaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB a.F.) nicht mehr zusteht.

Die gegenüber dem Gewährleistungsanspruch der Beklagten erhobene Verjährungseinrede der Klägerin (§ 477 BGB a.F.) greift nicht durch. Denn nach Ziff. VII 1 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen hatte die Klägerin während drei Jahren oder bis zu einer Fahrleistung von 100.000 Kilometern Gewähr für die Fehlerfreiheit des Fahrzeugs zu leisten. Diese Grenzen waren nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts bei Eintritt des Motorschadens weder in zeitlicher Hinsicht noch hinsichtlich der Fahrleistung überschritten.

3. Der Anspruch der Beklagten auf Wandelung des Kaufvertrages ist nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, durch das in Ziff. VII 2 und 3 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als vorrangig geregelte Nachbesserungsrecht der Klägerin ausgeschlossen. Diese Klauseln sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nach der Rechtsprechung des Senats gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam (BGHZ 93, 29, 62 f.; Urteil vom 5. November 1997 - VIII ZR 274/96, NJW 1998, 679 = WM 1998, 518 unter II 2 a zu einer inhaltlich übereinstimmenden Klausel). Denn Ziff. VII 3 sieht das Wiederaufleben der gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Käufers nur unzureichend vor, da die Klausel nicht alle Fälle des Fehlschlagens der Nachbesserung erfasst, insbesondere nicht deren unberechtigte Verweigerung durch den Verkäufer (Senatsurteil vom 5. November 1997, aaO; vgl. für den nichtkaufmännischen Verkehr § 11 Nr. 10 b AGBG).

Aufgrund der Unwirksamkeit der das Nachbesserungsrecht und dessen Vorrang regelnden Klauseln ist das Wandelungsbegehren der Beklagten gemäß § 6 Abs. 2 AGBG anhand der gesetzlichen Regelung in §§ 459, 462 BGB a.F. zu beurteilen (vgl. Senatsurteil vom 5. November 1997, aaO unter II 2 b). Die Beklagte war daher - abgesehen davon, dass die Klägerin Nachbesserung ohnehin verweigert hatte - zur Wandelung des Kaufvertrags berechtigt, wenn, wie ausgeführt (oben unter 2), ein Sachmangel zu unterstellen ist und Verjährung noch nicht eingetreten war.

4. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht der Beklagten die Berufung auf Mängel des Fahrzeugs mit der Begründung versagt, die Beklagte habe sich im Zeitpunkt ihrer Mängelrüge mit der Zahlung des Restkaufpreises bereits in Verzug befunden. Das Berufungsgericht hat insoweit verkannt, dass der Beklagten gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Restkaufpreises die in § 478 BGB a.F. vorausgesetzte allgemeine Mängeleinrede zustand, wenn ein Sachmangel vorlag und die Beklagte den Mangel rechtzeitig angezeigt hatte. Die Beklagte musste nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, zunächst den eigenen Verzug beseitigen, bevor sie ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Zahlungsanspruch der Klägerin geltend machen konnte. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Mängeleinrede aus § 478 BGB a.F., auch wenn sie - wie hier - erst im Prozess geltend gemacht wird, einen Verzug mit der Kaufpreiszahlung nicht nur hindert, sondern auch einen etwa bis dahin bestehenden Verzug entfallen lässt (BGHZ 113, 232, 236 unter Bezugnahme auf BGHZ 104, 6, 11 f.); insoweit gilt für § 478 BGB a.F. nichts anderes als für andere Einreden, die ein dauerndes oder zeitweiliges Leistungsverweigerungsrecht begründen (BGHZ 113, aaO). Da die Beklagte sich auf die Mängeleinrede bzw. ihr Wandelungsrecht jedenfalls im Prozess ausdrücklich berufen hat, kommt es auch im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob schon das bloße Bestehen von Gewährleistungsansprüchen, ohne dass diese spezifiziert geltend gemacht werden, dem Verzug mit der Kaufpreiszahlung entgegensteht (offen gelassen auch in BGHZ 104, aaO und BGHZ 113, aaO).

Etwas anderes ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. November 1994 (X ZR 104/91, NJW-RR 1995, 564) herzuleiten. Diese Entscheidung ist hier nicht einschlägig. Sie betraf einen vorleistungspflichtigen Werkunternehmer. Die Beklagte war dagegen hinsichtlich der Kaufpreiszahlung nicht vorleistungspflichtig.

III.

Auf die Revision der Beklagten ist das Berufungsurteil daher aufzuheben, und die Sache ist, da es weiterer Feststellungen bedarf, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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