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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.09.2008
Aktenzeichen: VIII ZR 163/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 719 Abs. 2
ZPO § 544 Abs. 5 Satz 2
ZPO § 712
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

VIII ZR 163/08

vom

3. September 2008

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. September 2008 durch die Richter Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Hermanns und Dr. Milger beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 5. November 2007 und dem Urteil der Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin vom 6. Mai 2008 einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beklagten sind durch Urteil des Amtsgerichts vom 5. November 2007 zur Räumung und Herausgabe eines gemieteten Reihenhauses verurteilt worden. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom 6. Mai 2008 zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und innerhalb verlängerter Begründungsfrist beantragen die Beklagten, die Zwangsvollstreckung aus den vorbezeichneten Urteilen einstweilen einzustellen. Sie machen geltend, dass nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht neue Umstände eingetreten seien, die die Annahme rechtfertigten, dass die auf den 4. September 2008 anberaumte Zwangsräumung ihnen einen unersetzlichen Nachteil bringen würde.

II.

Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist nicht begründet.

1. Wird Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, dass die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2, § 544 Abs. 5 Satz 2 ZPO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann sich der Schuldner allerdings nur dann darauf berufen, die Zwangsvollstreckung bringe ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn er in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat der Schuldner dies versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nicht in Betracht. Eine Ausnahme gilt allenfalls dann, wenn es dem Schuldner im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen Antrag nach § 712 ZPO zu stellen, oder wenn sich nachträglich neue Gründe ergeben haben (Senatsbeschluss vom 19. Oktober 2005 - VIII ZR 208/05, WuM 2005, 735 unter II 1).

2. Einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO haben die Beklagten in der Berufungsinstanz nicht gestellt. Nachträglich entstandene Umstände, die eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung rechtfertigen könnten, sind nicht glaubhaft gemacht.

a) Ohne Erfolg machen die Beklagten unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vom 29. August 2008 und zweier ärztlicher Atteste geltend, dem erwachsenen Sohn der Beklagten zu 1, der am 15. Juli 2008 und somit nach Erlass des Berufungsurteils - zwei Wochen vor Ablauf der darin auf den 31. Juli 2008 festgesetzten Räumungsfrist - wieder in das Haus eingezogen sei, drohten im Falle einer Zwangsräumung wegen seiner Herzerkrankung und einer damit phasenweise verbundenen Depression schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Gegen die Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens spricht, dass es von den Beklagten in den Vorinstanzen in ihren Anträgen auf Verlängerung der Räumungsfrist (§ 721 ZPO) und auf Vollstreckungsschutz (§ 765a ZPO) nicht geltend gemacht worden ist, obwohl die jetzt vorgebrachten Umstände bereits seit dem 15. Juli 2008 vorgelegen haben sollen und der Termin für die Zwangsräumung bereits Mitte August festgesetzt worden ist. Noch mit der am 25. August 2008 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung haben die Beklagten die jetzt für den Fall der Zwangsräumung für den Sohn befürchteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht erwähnt, sondern mitgeteilt, dass der Sohn bei den Sanierungsarbeiten des im Sommer 2007 erworbenen Hauses in R. und bei dem Umzug - wenn auch in eingeschränktem Umfang - mithelfe.

Abgesehen davon ist nicht dargetan, dass sich der Sohn der mit einer Zwangsräumung verbundenen gesundheitlichen Belastung nicht in zumutbarer Weise - etwa durch Rückkehr in seine Studentenunterkunft in M. - entziehen könnte. Denn die Beklagten tragen nicht vor, dass der Sohn seine Wohnung in M. aufgegeben habe; sie machen lediglich geltend, dass er beabsichtige, sein Studium abzubrechen und nicht nach M. zurückzukehren.

b) Vergeblich berufen sich die Beklagten ferner darauf, dass die Sanierungsarbeiten an dem 2007 erworbenen Haus wegen eines Mitte Mai 2008 festgestellten Hausbockbefalls noch nicht abgeschlossen seien und ein Zwischenumzug der Beklagten zu 1 aus gesundheitlichen Gründen nicht zumutbar sei.

Nach der Schilderung des Standes der Bau- und Sanierungsmaßnahmen im Schreiben der Bauingenieurin P. vom 8. Juli 2008 drängt sich auf, dass auch ohne den zusätzlichen Sanierungsbedarf wegen des Insektenbefalls eine Bezugsfertigkeit des Hauses im Sommer 2008 nicht hätte erreicht werden können und dies auch zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung schon absehbar war. Die Beklagten tragen auch selbst nicht vor, dass der Abschluss der Sanierungsarbeiten zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz unmittelbar bevorstand und deshalb ein Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO entbehrlich gewesen wäre. Sie hätten deshalb unabhängig von dem später festgestellten Insektenbefall Veranlassung gehabt, in der Berufungsinstanz einen entsprechenden Antrag zu stellen. Dies gilt auch im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beklagten zu 1, die schon seit langem bestanden.



Ende der Entscheidung

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