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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: VIII ZR 303/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 561 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 303/00

Verkündet am: 26. September 2001

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Beyer, Dr. Leimert und Dr. Frellesen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 17. Oktober 2000 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 19. Dezember 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Kaufpreiszahlung und Abnahme von Kartonagen in Anspruch.

Seit 1994 bezog die Beklagte für das von ihr zu vermarktende Obst und Gemüse Kartonagen von der Klägerin. Dabei teilte die Beklagte der Klägerin regelmäßig jeweils im Frühjahr ihren voraussichtlichen Kartonagenbedarf für das laufende Jahr mit, woraufhin die Klägerin die Kartonagen bei ihrer Lieferfirma, der H. Papierfabrik, in Auftrag gab und die Beklagte die Kartonagen sodann in Teilmengen abrief. Jeweils am Jahresende vereinbarten die Parteien, daß die nicht abgenommenen Kartonagen bei der Herstellerin oder der Klägerin verblieben, von der Beklagten jedoch bezahlt und im Folgejahr von der Klägerin ausgeliefert wurden.

Auf Anfrage der Klägerin nach dem voraussichtlichen Bedarf der Beklagten an Kartonagen für das Jahr 1998 teilte diese mit Fax vom 12. Mai 1998 der Klägerin eine Menge von insgesamt 100.000 Stück als "geplanten Kartonagenverbrauch für 1998" mit, lieferbar in Teilmengen in der Zeit von Juni bis September. Die Klägerin lieferte im Jahr 1998 unter Bezugnahme auf die Bestellung vom 12. Mai 1998 mit Lieferschein 35.100 Kartonagen, wobei 8.400 aus der Bestellung des Vorjahres stammten; diese Lieferungen wurden von der Beklagten bezahlt. Hinsichtlich weiterer 12.980 unaufgerichteter Kartonzuschnitte, die sich bei der Klägerin befanden, einigten die Parteien sich Ende des Jahres 1998 dahingehend, daß die Beklagte diese zum Preis von aufgerichteten Zuschnitten bezahlen und die Lieferung im Jahr 1999 erfolgen sollte; entsprechend wurde verfahren. Für das Jahr 1999 übermittelte die Beklagte der Klägerin keinen Kartonagenverbrauch, weil sie den Bedarf mit den bei ihr vorhandenen Restkartonagen aus dem Jahr 1998 decken konnte. Im August 1999 teilte die Klägerin der Beklagten mit, es stünden noch 78.355 Kartonagen aus dem angemeldeten Verbrauch für 1998 in der H. Papierfabrik zur Abholung bereit.

Am 13. August 1999 fand in den Räumen der J. Frischgemüse GmbH ein Gespräch zwischen der Beklagten, der H. Papierfabrik und der J. Frischgemüse GmbH statt, in dem über den Verkauf der vorhandenen Kartonagen an die J. Frischgemüse GmbH beraten wurde. Es kam lediglich zu einer Lieferung von 5.200 Kartons an letztere, wobei die Klägerin mit dem vereinbarten Kaufpreis nicht einverstanden war.

Nach fruchloser Aufforderung, die Kartonagen abzunehmen, begehrt die Klägerin von der Beklagten Kaufpreiszahlung von 108.455,36 DM nebst Zinsen sowie Abnahme von 60.320 Kartonagen.

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, zwar sei zwischen den Parteien ein Sukzessivlieferungsvertrag über 100.000 Stück Kartonagen für das Jahr 1998 dadurch zustande gekommen, daß die Klägerin das bindende Angebot der Beklagten gemäß Fax vom 12. Mai 1998 durch ihre im Jahr 1998 erfolgten Lieferungen angenommen habe. Die Parteien hätten jedoch diesen Vertrag durch die Ende 1998 getroffene Vereinbarung dahin abgeändert, daß nur noch die bei der Klägerin vorhandenen Kartonagen abzunehmen und zu bezahlen seien. Diese Vereinbarung sei vollzogen worden, ohne daß die Klägerin über einen Zeitraum von einem Dreivierteljahr die darüber hinausgehende Abnahme angemahnt habe. Sie habe darauf vielmehr erst gedrängt, als ihre Zulieferfirma von ihr selbst die Abnahme verlangt habe. Das Verhalten der Klägerin spreche dafür, daß die Abnahme der Kartonagen mit der Vereinbarung von Ende 1998 tatsächlich endgültig erledigt gewesen sei. Wenn die Klägerin entgegen ihrem eigenen Verhalten nunmehr das Gegenteil behaupte, so müsse sie dies substantiiert darlegen, woran es indes fehle.

II. Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte mit Fax vom 12. Mai 1998 der Klägerin ein bindendes Angebot zum Abschluß eines Vertrages über die Lieferung von 100.000 Stück Kartonagen für das Jahr 1998 gemacht hat, das von der Klägerin angenommen worden ist. Soweit die Beklagte im Wege der Gegenrüge in dem Fax vom 12. Mai 1998 kein bindendes Angebot sehen will, kann sie damit nicht durchdringen.

a) Daß die Beklagte im Faxschreiben vom 12. Mai 1998 lediglich den "geplanten Kartonageverbrauch für 1998" mitgeteilt hatte, steht einem bindenden Angebot nicht entgegen. In gleicher Weise war in den Jahren 1996 und 1997 verfahren worden, woraufhin die Klägerin entsprechend dem angegebenen Bedarf Kartonagen mit dem Firmenaufdruck der Beklagten herstellen ließ, lieferte und ihre Lieferungen auch bezahlt erhielt. Wenn die Revisionserwiderung demgegenüber hier in dem Fax vom 12. Mai 1998 nur eine Grundlage für Planungen der Klägerin sehen will, legt sie das Schreiben der Beklagten vom 12. Mai 1998 lediglich anders als das Berufungsgericht aus. Dieser Angriff gegen die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts ist unbeachtlich (§ 561 Abs. 2 ZPO).

b) Soweit die Revisionserwiderung in der bisherigen Handhabung, nach welcher jeweils am Jahresende die nicht abgenommenen Kartonagen von der Beklagten bezahlt und erst im Folgejahr von der Klägerin ausgeliefert wurden, ein Indiz dafür sehen will, daß mit der Mitteilung der Bedarfsplanung noch kein fester Liefervertrag für das bestimmte Jahr abgeschlossen worden sei, wertet sie auch hier nur die bisherige Handhabung der Parteien abweichend vom Berufungsgericht, das hieraus auf eine vorangegangene feste Bestellung für das laufende Jahr geschlossen hat. Die gesonderten Vereinbarungen der Parteien jeweils am Jahresende waren entgegen der Ansicht der Beklagten nicht "unerklärlich", sondern selbst dann notwendig, wenn lediglich eine schon begründete Abnahmeverpflichtung bis in das Folgejahr gestundet wurde. Im übrigen räumt die Revisionserwiderung ein, der Fall, daß der tatsächliche Bedarf der Beklagten von dem geplanten "und von der Klägerin möglicherweise auch bei ihren Bestellungen berücksichtigten Bedarf" abwich, sei ungeregelt und daher regelungsbedürftig gewesen. Warum die Klägerin, die aufgrund der von der Beklagten genannten Planungszahlen verbindliche Bestellungen bei ihrer Lieferfirma, der H. Papierfabrik, in Auftrag gegeben hatte, dann auf den von der Beklagten nicht abgenommenen und wegen des Firmenaufdrucks der Beklagten anderweitig schwer absetzbaren Kartonagen "sitzenbleiben" sollte, vermag auch die Revisionserwiderung nicht zu erklären.

c) Nicht durchgreifend ist das Argument, die Klägerin sei selbst nicht von einer verbindlichen Bestellung der Beklagten ausgegangen, weil sie erstmals eine Auftragsbestätigung vom 15. Mai 1998 - welche die Beklagte nicht erhalten haben will - erteilt habe. Abgesehen davon, daß hinsichtlich der Erteilung von Auftragsbestätigungen in den vorangegangenen Jahren nichts festgestellt ist, erscheint es vielmehr naheliegend, daß die Klägerin sich durch die Auftragsbestätigung vom 15. Mai 1998 gegenüber der Beklagten absichern wollte.

d) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung entsprach die angebliche Vereinbarung der Parteien Ende des Jahres 1998 gerade nicht inhaltlich dem Verhalten der Parteien in den vorangegangenen Jahren. Während in der Vergangenheit jeweils die bestellten Kartonagen, auch wenn sie noch nicht abgerufen worden waren, von der Beklagten bezahlt wurden, sollte nach der Behauptung der Beklagten durch die vorgenannte Vereinbarung die Kartonagenlieferung für das Jahr 1998 vielmehr insgesamt erledigt sein. Danach hätte aber die Klägerin - anders als in den Vorjahren - auf die Bezahlung von bestellten, von der Beklagten bisher nicht abgenommenen Kartonagen verzichtet.

2. Mit Erfolg beanstandet die Revision jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten den ursprünglichen Vertrag über die Lieferung von 100.000 Stück Kartonagen durch die Vereinbarung Ende 1998 dahin abgeändert, daß nur noch die bei der Klägerin vorhandenen Kartonagen abzunehmen und zu bezahlen seien.

a) Eine solche Vereinbarung, nach welcher durch Einigung über die Abnahme und Bezahlung von 12.980 Zuschnitten die Kartonagenlieferung für das Jahr 1998 insgesamt erledigt sein sollte, hat die Klägerin jedenfalls in der Berufungsinstanz ausdrücklich bestritten. Da die darlegungspflichtige Beklagte die angebliche Vereinbarung selbst nur pauschal behauptet hat, konnte sich die Klägerin entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auf ein einfaches Bestreiten beschränken (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404 unter II 2 b aa m.w.Nachw.).

b) Aus dem Verhalten der Klägerin bis zur erstmaligen Mahnung an die Beklagte, die restlichen Kartonagen abzunehmen, kann auf das Vorliegen der behaupteten Vereinbarung nicht geschlossen werden. Der gegenteiligen Annahme des Berufungsgerichts, das von einer Untätigkeit der Klägerin während eines Zeitraums von einem Dreivierteljahr ausgeht, ist die Grundlage bereits dadurch entzogen, daß nach dem berichtigten Tatbestand des angefochtenen Urteils eine mündliche Mahnung zur Abnahme schon vor dem ersten Mahnschreiben vom 20. September 1999 erfolgt ist. Da die Klägerin nach ihrem Vortrag davon ausging, daß die Beklagte nicht vor Frühjahr 1999 weitere Kartonagen aus der Bestellung des Jahres 1998 anfordern würde, so daß für sie vorher kein Anlaß bestand, die Abnahmeverpflichtung anzumahnen, kann aus dem Verhalten der Klägerin in dem vorherliegenden Zeitraum, in welchem sie nicht an die Beklagte herangetreten ist, nichts hergeleitet werden. Das Berufungsgericht hat ferner, wie die Revision weiter zu Recht rügt, unberücksichtigt gelassen, daß am 13. August 1999 Verhandlungen der Beklagten mit der Herstellerin der Kartonagen und der J. Frischgemüse GmbH über den Verkauf der vorhandenen Kartonagen an letztere stattgefunden haben; dies spricht dafür, daß sich die Beklagte als zur Zahlung verpflichtet ansah und um eine Schadensminderung bemühte. Zu Recht weist die Revision schließlich darauf hin, daß der von der Beklagten behauptete Verzicht der Klägerin, die nach ihrem Vortrag gegenüber der Herstellerfirma zur Bezahlung der bestellten Kartonagen verpflichtet war, auf eine Forderung von über 100.000 DM ohne Gegenleistung lebensfremd sowie erfahrungswidrig wäre. An die Feststellung eines Verzichtswillens und die Annahme eines Erlaßvertrages sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1999 - IV ZR 22/98, NJW-RR 1999, 1699 unter I 2 a m.w.Nachw.).

III. Die Sache war daher unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das noch die erforderlichen Feststellungen zu der von der Beklagten behaupteten Änderungsvereinbarung zu treffen haben wird.



Ende der Entscheidung

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