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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.10.2003
Aktenzeichen: VIII ZR 329/02
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 10 Nr. 1
AGBG § 6 Abs. 2
BGB § 147 Abs. 1
BGB § 147 Abs. 2
BGB § 147
BGB a.F. § 326 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 329/02

Verkündet am: 15. Oktober 2003

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Hübsch, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 17. Oktober 2002 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger unterzeichnete am 31. Juli 2001 ein Formular, mit dem er bei der Beklagten ein gebrauchtes Motorrad der Marke Y. zum Preis von 10.041,83 DM mit Liefertermin am 6. August 2001 bestellte. In dem Bestellformular wurde unter "Zahlungs- und Finanzierungsbedingungen" aufgenommen, daß eine Anzahlung von 4.000 DM in bar am 3. August 2001 und eine Restzahlung von 5.999 DM über die A. -Bank erfolgen sollte. Das Formular enthält ferner die Bestimmung:

"An diese Bestellung ist der Käufer vier Wochen gebunden. Der Kaufvertrag ist abgeschlossen, wenn der Verkäufer die Annahme oder Bestellung innerhalb der Frist schriftlich bestätigt hat oder die Lieferung ausgeführt ist."

Nachdem die Finanzierungsanfrage der Beklagten am 31. Juli 2001 von der A. -Bank abschlägig beschieden worden war, verkaufte die Beklagte das Fahrzeug am selben Tag an einen anderen Kunden weiter.

Der Kläger, der ein Ersatzmotorrad zu einem höheren Preis erworben hat, nimmt die Beklagte auf Zahlung des Differenzbetrages von 2.598,17 DM (1.328,42 €) als Schadensersatz in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Mit seiner - vom Landgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht festgestellt, daß zwischen den Parteien kein Kaufvertrag über das Motorrad abgeschlossen worden sei. Es brauche nicht entschieden zu werden, ob die vereinbarte vierwöchige Bindungsfrist unangemessen lang und daher gemäß § 10 Nr. 1 AGBG unwirksam sei, da auch in diesem Fall ein Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen sei. In diesem Fall griffen gemäß § 6 Abs. 2 AGBG die allgemeinen gesetzlichen Regeln ein; seitens der Beklagten sei weder bei den Vertragsverhandlungen über den Vertragsschluß eine Vertragsannahme unter Anwesenden gemäß § 147 Abs. 1 BGB erklärt noch eine Annahmeerklärung unter Abwesenden gemäß § 147 Abs. 2 BGB abgegeben worden.

Der Kläger könne die Mehrkosten für das ersatzweise beschaffte Motorrad auch nicht aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß ersetzt verlangen. Hier behaupte der Kläger, er habe der Beklagten noch am 31. Juli 2001 nach Mitteilung des Scheiterns der Finanzierung die Barzahlung des gesamten Kaufpreises angeboten, das Motorrad sei jedoch zu diesem Zeitpunkt schon verkauft gewesen. Eine Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsschluß käme nur dann in Betracht, wenn der Kläger der Beklagten die sofortige Barzahlung des gesamten Kaufpreises nach Scheitern der Finanzierungsanfrage zu einem Zeitpunkt angeboten hätte, in dem das Motorrad noch nicht anderweitig veräußert worden sei. Hier aber habe die Beklagte das Motorrad nach der negativen Auskunft der A. -Bank ohne weitere Rückfrage beim Kläger an einen Dritten veräußert. Diese Vorgehensweise stelle kein Verschulden bei Vertragsverhandlungen dar, da den Verkäufer bei Scheitern der Finanzierung keine Rückfragepflicht beim Käufer treffe, ob dieser den Kaufpreis auf andere Weise erbringen könne, bevor er, der Verkäufer, berechtigt sei, das Fahrzeug anderweitig zu veräußern. Die Interessenlage des Verkäufers verbiete es auch, den Vertrag dahingehend auszulegen, daß eine vorvertragliche Bindung gewollt sei.

II.

Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision ohne Erfolg und ist daher zurückzuweisen.

1. Auf das vor dem 1. Januar 2002 entstandene Schuldverhältnis der Parteien sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und des AGB-Gesetzes in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anwendbar (Art. 229 § 5 EGBGB).

Einen vertraglichen Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Nichterfüllung gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. haben die Vorinstanzen zu Recht verneint. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die in dem vom Kläger unterzeichneten Bestellformular zugunsten der Beklagten bestimmte vierwöchige Annahmefrist unangemessen lang und damit nach § 10 Nr. 1 AGBG (jetzt: 308 Nr. 1 BGB) unwirksam ist (vgl. BGHZ 145, 139, 143 betreffend Verkauf vorrätiger Möbel). In letzterem Fall tritt an die Stelle der unwirksamen Annahmefrist gemäß § 6 Abs. 2 AGBG (jetzt: 306 Abs. 2 BGB) die gesetzliche Regelung des § 147 BGB. Da die schriftliche Bestellung des Klägers vom 31. Juli 2001, die von der Beklagten nicht sofort angenommen wurde, als ein Antrag unter Abwesenden zu behandeln ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. September 1984 - II ZR 23/84, WM 1984, 1391 = NJW 1985, 196 unter 2 m.w.Nachw.), konnte dieser Antrag nur innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB angenommen werden. Nachdem die Beklagte jedoch - nach Ablehnung der vorgesehenen Finanzierung des Restkaufpreises durch die A. -Bank - den Abschluß eines Kaufvertrages mit dem Kläger verweigert hat, ist dessen Antrag erloschen (§ 146 BGB).

2. Entgegen der Ansicht der Revision liegt auch kein Vorvertrag zwischen den Parteien vor, durch den die Beklagte im Falle der - auch anderweitig - gesicherten Kaufpreiszahlung zum Abschluß des Kaufvertrages verpflichtet gewesen wäre. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Annahme eines Vorvertrages nur gerechtfertigt ist, wenn besondere Umstände darauf schließen lassen, daß die Parteien sich - ausnahmsweise - schon binden wollten, bevor sie alle Vertragspunkte abschließend geregelt hatten (Senatsurteil vom 26. März 1980 - VIII ZR 150/79, WM 1980, 805 = NJW 1980, 1577 unter 1 c cc m.w.Nachw.; siehe auch MünchKommBGB/Kramer, 4. Aufl., Vor § 145 Rdnr. 43). Durch die Verwendung des Bestellformulars der Beklagten haben die Parteien jedoch, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat (§§ 133, 157 BGB), zum Ausdruck gebracht, daß vor einer Annahme des Antrags durch die Verkäuferin keine vertragliche Bindung bestehen sollte, demnach auch nicht aufgrund eines Vorvertrages.

3. Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen scheidet gleichfalls aus.

Im Rahmen der Vertragsfreiheit hat jeder Vertragspartner grundsätzlich bis zum Vertragsabschluß das Recht, von dem in Aussicht genommenen Vertragsabschluß Abstand zu nehmen. Ein Schadensersatzanspruch wegen Abbruchs von Vertragsverhandlungen kommt dann in Betracht, wenn ein Vertragspartner bei der Gegenseite zurechenbar das aus dessen Sicht berechtigte Vertrauen erweckt hat, der Vertrag werde mit Sicherheit zustande kommen, sodann aber die Vertragsverhandlungen ohne triftigen Grund abbricht (vgl. Senatsurteil vom 10. Januar 1996 - VIII ZR 327/94, WM 1996, 738 unter II 3 b bb; BGH, Urteil vom 7. Dezember 2000 - VII ZR 360/98, WM 2001, 684 = NJW-RR 2001, 381 unter II 2 a, jew. m.w.Nachw.). Wenn auch das Vertragsangebot beim Angebotsempfänger gewisse Sorgfaltspflichten, insbesondere die Pflicht zu einer sorgfältigen Behandlung des Angebots auslösen kann (vgl. RGZ 107, 240, 242; Staudinger/Bork, BGB 2003, § 145 Rdnr. 37), ist dieser doch in seiner Entscheidung frei, ob er den angetragenen Vertrag schließen will.

Ein treuwidriges Verhalten im Sinne der obengenannten Rechtsprechung ist der Beklagten nicht vorzuwerfen. Wie die Beklagte unwiderlegt vorgetragen hat und es auch der Lebenserfahrung entspricht, sollte die Annahme der Bestellung des Klägers allein noch von der Finanzierungszusage der A. -Bank abhängen. Nachdem die Kreditanfrage für den Kläger seitens der A. -Bank noch am 31. Juli 2001 abschlägig beschieden worden war, war die Beklagte im Interesse eines baldigen Verkaufs des vorrätigen gebrauchten Motorrads befugt, dieses an einen zur Barzahlung bereiten Käufer zu veräußern. Eine Verpflichtung zu einem nochmaligen Eintritt in Vertragsverhandlungen mit dem Kläger, wobei nicht davon auszugehen war, daß dieser nunmehr zu einer Barzahlung in der Lage sein würde, traf die Beklagte entgegen der Ansicht der Revision nach dem gescheiterten Vertragsabschluß nicht. Auf den Gesichtspunkt, daß im Regelfall wegen treuwidrigen Abbruchs der Vertragsverhandlungen zwischen den künftigen Vertragsparteien nur das Vertrauensinteresse ersetzt wird, kommt es nicht mehr an (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1998 - XII ZR 126/96, NJW 1998, 2900 m.w.Nachw.).



Ende der Entscheidung

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