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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.06.2005
Aktenzeichen: VIII ZR 378/04
Rechtsgebiete: BGB, ZVG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 546 Abs. 1
BGB § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a
BGB § 569 Abs. 3 Nr. 1
BGB § 1192 Abs. 1
BGB § 1124 Abs. 2
ZVG § 152 Abs. 1
ZPO § 301
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VIII ZR 378/04

Verkündet am: 22. Juni 2005

in dem Rechtsstreit

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Dr. Leimert und Dr. Frellesen sowie die Richterin Hermanns

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Teilurteil der Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin vom 26. Juli 2004 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten zu 1 Miete bzw. Nutzungsentschädigung in Höhe von 79.761,76 € nebst Zinsen für ein Einfamilienhaus und von beiden Beklagten die Räumung desselben.

Der Beklagte zu 2 schenkte sein mit zwei Gebäuden bebautes Anwesen in B. , S. Straße , mit notariellem Vertrag vom 26. Oktober 1984 seinen Söhnen T. und M. S. . Die Eigentumsumschreibung erfolgte am 22. Mai 1985. Zugunsten der H. bank AG wurde am 1. Juni 1992 zu Lasten des Anwesens eine Grundschuld über 4 Millionen DM zur Sicherung eines dem Beklagten zu 2 gewährten Kredits eingetragen. Mit Beschluß vom 24. November 1996 ordnete das Amtsgericht Wedding die Zwangsverwaltung über das Grundstück an und bestellte den Kläger zum Zwangsverwalter.

Die Beklagte zu 1, die Mutter des Beklagten zu 2, bewohnt seit mehreren Jahrzehnten das hintere Einfamilienhaus auf dem Anwesen. Der Beklagte zu 2 zog nach dem 17. Dezember 2001 (Zwangsräumung des vorderen Gebäudes) in das hintere Gebäude ein. Die Beklagten behaupten, die Beklagte zu 1 habe mit den Eigentümern des Grundstücks am 29. Mai 1994 einen schriftlichen Mietvertrag über das hintere Einfamilienhaus abgeschlossen. In diesem Mietvertrag hätten sich die Eigentümer verpflichtet, der Beklagten zu 1 das Haus auf Lebenszeit als Wohnung zu überlassen. Im Gegenzug habe sich die Beklagte zu 1 verpflichtet, an die Eigentümer eine einmalige Vorauszahlung in Höhe von 70.000 DM zu leisten. Die Beklagte zu 1 habe die 70.000 DM kurz nach Vertragsunterzeichnung an die Eigentümer ausgezahlt.

Der Kläger bestreitet das Vorliegen eines Mietvertrages. Vorsorglich kündigte er am 8. April 2002 einen etwa bestehenden Mietvertrag wegen Ausbleibens jeglicher Mietzahlungen. Er ist der Auffassung, er könne von den Beklagten Räumung des Hauses verlangen und habe gegen die Beklagte zu 1 Anspruch auf Zahlung eines monatlichen üblichen Mietentgelts in Höhe von 3.000 DM (= 1.533,88 €); hierzu macht er die auf die Zeit von Januar 1998 bis April 2002 entfallenden Beträge geltend.

Das Amtsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landgericht hat durch Teilurteil die Beklagten verurteilt, das hintere Einfamilienhaus zu räumen und an den Kläger herauszugeben; die Entscheidung über den Zahlungsantrag hat es dem Schlußurteil vorbehalten. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten weiter die Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

Der Erlaß eines Teilurteils sei zulässig, da hinsichtlich der in diesem Teilurteil nicht entschiedenen Frage des Anspruchs auf Miete bzw. Nutzungsentschädigung keine sich widersprechenden Entscheidungen denkbar seien.

Der Kläger habe gegen die Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des Grundstücks gemäß § 546 Abs. 1 BGB. Dabei sei davon auszugehen, daß die Grundstückseigentümer M. und T. S. am 29. Mai 1994 mit der Beklagten zu 1 einen Mietvertrag über das hintere Einfamilienhaus des Inhalts geschlossen hätten, daß die Beklagte zu 1 auf Lebenszeit das Haus bewohnen und an Dritte untervermieten dürfe und daß die Beklagte zu 1 hierfür eine Einmalzahlung von 70.000 DM als Miete geleistet habe.

Der Kläger habe diesen Mietvertrag wirksam gekündigt. Aus § 152 Abs. 1 ZVG habe er das Recht, eine Kündigung des Mietvertrags auszusprechen, wenn dies wegen der wirtschaftlichen Verwertung notwendig sei. Dies sei hier der Fall, da wegen Ausbleibens der Mieten eine Befriedigung der Grundpfandrechtsgläubiger erheblich gefährdet sei. Es liege der Kündigungsgrund des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3a BGB in Verbindung mit § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB vor, da keinerlei Mietzahlungen an den Kläger erfolgt seien. Die Zahlung der 70.000 DM sei gegenüber dem Zwangsverwalter als Vorausverfügung gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1124 Abs. 2 BGB unwirksam. Anderenfalls wäre der Zugriff des Pfandgläubigers auf die Miet- oder Pachtzinsen durch ein außerhalb des Grundbuchs erfolgendes Geschäft vereitelt.

II.

Die Revision ist begründet. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht ein Teilurteil erlassen hat. Ein Teilurteil ist dann unzulässig, wenn es eine Frage entscheidet, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über die anderen Ansprüche noch einmal stellt. Dann besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu den Vorfragen. Ein Teilurteil gemäß § 301 ZPO darf nur ergehen, wenn die Beurteilung des Teilanspruchs, auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht, vom Ausgang des Streits über den Rest des Anspruchs unabhängig ist (BGHZ 107, 236, 242; BGH, Urteil vom 27. Mai 1992 - IV ZR 42/91, NJW-RR 1992, 1053 unter I 2). Diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht gefolgt.

Das Berufungsgericht ist aufgrund der amtsgerichtlichen Feststellungen davon ausgegangen, daß die Grundstückseigentümer M. und T. S. mit der Beklagten zu 1 einen Mietvertrag geschlossen und daß die Beklagte zu 1 70.000 DM als Miete an die Vermieter gezahlt habe; diese Zahlung hat es aber gemäß §§ 1192 Abs. 1, 1124 Abs. 2 BGB gegenüber dem Kläger als Zwangsverwalter als unwirksam angesehen. Bei der Entscheidung über den Zahlungsanspruch ist das Berufungsgericht an sein Teilurteil über den Räumungsanspruch und die hierzu getroffenen Feststellungen nicht gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1967 - VIII ZR 255/64, NJW 1967, 1231). Käme das Revisionsgericht bezüglich des Räumungsanspruchs zu dem Ergebnis, daß das Berufungsgericht die Rechtsgrundsätze zur Wirksamkeit einmaliger Mietzinsvorauszahlungen dem Zwangsverwalter gegenüber verkannt habe und aufgrund des Mietvertrages und der Zahlung der 70.000 DM ein Räumungsanspruch nicht bestehe - was jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen ist (vgl. BGHZ 37, 347 f. und 137, 106 f.) -, wären das Teilurteil aufzuheben und die Klage bezüglich des Räumungsanspruchs abzuweisen. Hieran wäre das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung über den Zahlungsanspruch nicht gebunden. Es könnte aufgrund seiner Tatsachenfeststellungen den Abschluß eines Mietvertrages sowie die Zahlung der 70.000 DM verneinen und der Zahlungsklage in seinem Schlußurteil stattgeben. Damit besteht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen. Das Revisionsgericht könnte zu einer rechtskräftigen Klageabweisung bezüglich des Räumungsanspruchs kommen, wenn es von der gegenüber dem Zwangsverwalter wirksamen und nach dem Mietvertrag ausreichenden Zahlung der 70.000 DM ausgehen müßte, während das Berufungsgericht bezüglich des Zahlungsanspruchs aufgrund abweichender Feststellungen (vgl. hierzu die Ausführungen in der Revisionserwiderung) der Klage stattzugeben hätte.

III.

Das Rechtsmittel führt deshalb zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO).



Ende der Entscheidung

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