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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.11.2001
Aktenzeichen: X ARZ 266/01
Rechtsgebiete: GVG, ZPO


Vorschriften:

GVG § 17 a
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 1

Entscheidung wurde am 30.04.2002 korrigiert: Vorschriften geändert
Die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ist in dem durch § 17 a GVG eröffneten Instanzenzug festzulegen. Ein Ausspruch zur Zulässigkeit des Rechtswegs entsprechend § 36 ZPO kommt allerdings ausnahmsweise in Betracht, wenn dies zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit notwendig ist.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ARZ 266/01

vom 13. November 2001

in Sachen

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. November 2001 durch die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

beschlossen:

Tenor:

Als das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges wird das Amtsgericht Cottbus bestimmt.

Gründe:

A. Der beklagte Steuerberater erledigte steuerliche Angelegenheiten für den klagenden Rechtsanwalt. Der Beklagte ist der Ansicht, aus dem beendeten Mandatsverhältnis stünden noch Honoraransprüche offen.

Die Tochter des Klägers war Mitarbeiterin des Beklagten. Sie beansprucht hierfür noch Lohn und hat diese Forderung an den Kläger abgetreten. Nach dessen Darstellung soll die Lohnforderung die berechtigte Honorarforderung des Beklagten übersteigen.

Der Kläger hat vor dem Amtsgericht Cottbus Klage erhoben mit dem Antrag,

den Beklagten zu verurteilen, bestimmte, den Kläger betreffende und im Besitz des Beklagten befindliche Steuerunterlagen herauszugeben.

Der Beklagte hat sich wegen der Honoraransprüche auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen und beantragt,

einen Teil der Steuerunterlagen nur Zug um Zug gegen Zahlung des seiner Meinung nach noch ausstehenden Honorars herausgeben zu müssen und im übrigen die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist demgegenüber der Meinung, daß dem Beklagten wegen der Honorarforderung ein Zurückbehaltungsrecht nicht zustehe, weil er mit den Lohnansprüchen der Tochter und einem Erstattungsanspruch wegen anwaltlicher Beratung aufgerechnet habe.

Das Amtsgericht Cottbus hat nach mündlicher Verhandlung durch den Parteien am 1. bzw. 13. September 1999 zugestellten Beschluß vom 30. August 1999 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Cottbus als ausschließlich zuständiges Gericht verwiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht Cottbus ausgeführt, bei der zur Aufrechnung gestellten, der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte unterliegenden Lohnforderung handele es sich um einen nicht abtrennbaren Teil des Rechtsstreits.

Vor dem Arbeitsgericht Cottbus hat der Kläger, gestützt auf die Lohnabtretung, klageerweiternd zusätzlich beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.985,76 DM netto zu zahlen.

Über diesen Klageantrag ist im arbeitsgerichtlichen Rechtszug durch Teilurteil rechtskräftig entschieden. Hinsichtlich des auf Herausgabe von Steuerunterlagen gerichteten Klagebegehrens hat das Arbeitsgericht Cottbus sich hingegen seinerseits für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Cottbus verwiesen. Diese zusammen mit dem Teilurteil vom 21. Juni 2000 getroffene Entscheidung ist den Parteien am 20. Juli bzw. 3. August 2000 zugestellt worden.

Das Amtsgericht Cottbus hat die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt, worauf das Arbeitsgericht Cottbus das Landesarbeitsgericht Brandenburg um Bestimmung des zuständigen Gerichts gebeten hat. Das Landesarbeitsgericht Brandenburg wiederum hat angeregt, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Daraufhin hat durch Beschluß vom 7. September 2001 das Amtsgericht Cottbus sich für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.

B. 1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges trifft § 17 a GVG eine eigenständige Regelung, die einen Streit von Gerichten verschiedener Rechtswege von vornherein ausschließen soll. Das angerufene Gericht kann hierzu seine eigene Zuständigkeit aussprechen. Wenn es hingegen den zu ihm führenden Rechtsweg für unzulässig hält, hat es dies auszusprechen und den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Außerdem sieht das Gesetz vor, daß beide Entscheidungen auf ihre Richtigkeit hin in einem Instanzenzug überprüft werden können. Das Nähere hierzu ist in § 17 a Abs. 4 Satz 2 ff. GVG geregelt. Anders als die Verweisung wegen örtlicher und sachlicher Unzuständigkeit eines ordentlichen Gerichts (§ 281 ZPO) kann also insbesondere der nach § 17 a Abs. 2 GVG ergehende Verweisungsbeschluß auf sofortige Beschwerde einer Partei im Rechtsmittelzug überprüft werden. Hieraus kann abgeleitet werden, daß ein nach § 17 a Abs. 2 GVG ergangener Beschluß, sobald er rechtskräftig geworden ist, einer weiteren Überprüfung entzogen ist. Die Regelung in § 17 a Abs. 5 GVG bestätigt dies. Angesichts dieser Rechtslage kommt die Bindungswirkung, die § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG verleiht, grundsätzlich auch einem Verweisungsbeschluß zu, der nicht hätte ergehen dürfen (BAG, Beschl. v. 22.07.1998 - V AS 17/98, NZA 1998, 1190 ff.). Die gesetzliche Bindungswirkung fehlt deshalb auch einem Rückverweisungsbeschluß grundsätzlich nicht (BGHZ 144, 21). Wenn ein solcher Beschluß mißachtet, daß das beschließende Gericht bereits seinerseits rechtskräftig als das zuständige des zulässigen Rechtswegs bestimmt worden ist, muß das hingenommen werden, weil entweder die Parteien nicht durch Einlegung des zulässigen Rechtsmittels eine Korrektur ermöglicht haben oder der Fehler trotz Rechtsmittels in dem vom Gesetz hierfür vorgesehenen Instanzenzug nicht korrigiert worden ist. Wenn verschiedene Gerichte unterschiedlicher Rechtswege sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, bedarf es deshalb einer Bestimmung durch ein übergeordnetes Gericht nicht mehr. Dem trägt § 36 ZPO Rechnung, indem es eine Bestimmung durch ein Obergericht im Falle eines Streits zwischen Gerichten unterschiedlicher Rechtswege über die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht vorsieht.

Auch der Streit des Amtsgerichts Cottbus und des Arbeitsgerichts Cottbus ist hiermit entschieden. Nach dem Vorgesagten ist das Amtsgericht Cottbus das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges, weil der noch anhängige Rechtsstreit durch zusammen mit dem Teilurteil vom 21. Juni 2000 ergangenen, unangefochtenen und unanfechtbaren Beschluß des Arbeitsgerichts Cottbus an das Amtsgericht Cottbus mit der sich aus § 17 b Abs. 1 GVG ergebenden Folge verwiesen worden ist, daß der Rechtsstreit nunmehr bei diesem Gericht anhängig ist.

Für den vorliegenden Fall kann dabei unentschieden bleiben, ob trotz des in § 17 a Abs. 4 Satz 2 ff. GVG eigens für die Frage des zulässigen Rechtsweges vorgesehenen Instanzenzugs ein rechtskräftiger Beschluß nach § 17 a Abs. 2 GVG ausnahmsweise das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges nicht bindet (so BAG, aaO). Eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung wäre in Anbetracht der durch § 17 a GVG selbst eröffneten Überprüfungsmöglichkeit allenfalls bei "extremen Verstößen" denkbar (vgl. BVerwG, Beschl. v. 08.11.1994 - IX AV 1.94, DVBl. 1995, 572 m.w.N.; auch BAG, aaO), etwa wenn der Beschluß jeder Grundlage entbehrt oder dazu führt, daß die Verweisung bei Auslegung und Anwendung der maßgeblichen Normen sich in einer nicht mehr hinnehmbaren Weise von dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 24.02.2000 - III ZB 33/99, NJW 2000, 1343, 1344; auch BVerwGE 29, 45, 49 m.w.N.; BFH, Beschl. v. 23.04.1991 - VII B 221/90, Rechtspfleger 1992, 82 f.). Das kann hier hinsichtlich des Verweisungsbeschlusses des Arbeitsgerichts Cottbus vom 21. Juni 2000 nicht festgestellt werden. Das Herausgabeverlangen des Klägers, über das (noch) zu entscheiden ist, hat einen Streitgegenstand, der gemäß § 13 GVG - wie von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen wird - vor die ordentlichen Gerichte gehört. Nur wenn (und soweit) der zivilrechtliche Herausgabeanspruch bejaht werden kann und deshalb zu prüfen ist, ob das vom Beklagten als Gegenrecht geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht gleichwohl nur zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung führen kann, kann ein arbeitsrechtlicher Anspruch überhaupt Bedeutung erlangen. Eine in diesem Rahmen zu treffende Entscheidung des Amtsgerichts Cottbus über diesen - als Klageforderung - in einen anderen Rechtsweg gehörenden Anspruch hätte zudem nicht teil an der Rechtskraft der vom Amtsgericht Cottbus zu erlassenden, die Instanz beendenden Entscheidung (BGH, Urt. v. 11.11.1994 - V ZR 46/93, NJW 1995, 967). Das weist den (noch) anhängigen Rechtsstreit sogar eindeutig der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit dem Amtsgericht Cottbus zu.

2. Gleichwohl spricht der Senat die Rechtswegzuständigkeit des Amtsgerichts Cottbus hier in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ausdrücklich aus. Der neuerliche Beschluß des Amtsgerichts Cottbus vom 7. September 2001, der seinerseits nicht den Anforderungen des § 17 a Abs. 2 GVG genügt (vgl. BVerwG, aaO), rechtfertigt die Annahme, daß der Rechtsstreit von dem Amtsgericht Cottbus nicht prozeßordnungsgemäß betrieben werden wird, obwohl er gemäß § 17 b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist. Im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege und der Rechtssicherheit ist es deshalb geboten, ausnahmsweise die sich aus § 17 a GVG ergebende Rechtswegzuständigkeit auszusprechen. § 36 ZPO bietet die für einen solchen Fall sachgerechte Norm (Sen.Beschl. v. 26.07.2001 - X ARZ 132/01, Umdr. S. 2 f, zur Veröffentlichung vorgesehen; v. 26.03.1994 - X ARZ 902/93, NJW 1994, 2032; vgl. auch schon BGHZ 104, 363 ff.). Da bei einem Streit von Gerichten unterschiedlichen Rechtswegs ein im Rechtszuge zunächst höheres Gericht nicht existiert, führt die deshalb gebotene entsprechende Anwendung von § 36 ZPO dazu, daß zur Entscheidung der Oberste Gerichtshof des Bundes berufen ist, der zuerst um die Bestimmung angegangen wurde (Sen.Beschl. v. 26.07.2001, aaO; BAG, aaO; vgl. auch BT-Drucks. 13/9124, S. 46).



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