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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.12.2003
Aktenzeichen: X ZB 2/03
Rechtsgebiete: PatG


Vorschriften:

PatG § 100 Abs. 3 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ZB 2/03

vom 9. Dezember 2003

in der Rechtsbeschwerdesache

betreffend das Patent 196 46 115

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf am 9. Dezember 2003 beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 7. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 20. November 2002 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 50.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

1. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des deutschen Patents 196 46 115, dessen Erteilung am 25. Mai 2000 veröffentlicht worden ist. Das Patent betrifft die Verwendung von Temperiereinrichtungen zur Temperierung eines Temperierblocks.

Der einzige Patentanspruch hat folgenden Wortlaut:

"Verwendung von Temperiereinrichtungen zur Temperierung eines Temperierblockes für Laborthermostate mit Aufnahmen an einer Aufnahmeseite für die Aufnahme der mit Probeflüssigkeit gefüllten Bereiche von Behältern in großflächigem Kontakt, mit wenigstens zwei den Temperierblock wärmeleitend kontaktierenden Temperiereinrichtungen, wobei die Temperiereinrichtungen mit aneinandergrenzenden Feldern einer der Aufnahmeseite gegenüberliegenden Kontaktierseite des Temperierblockes mit Ausnahme von Zwischenräumen im Bereich der Feldgrenzen über die gesamte Fläche des Temperierblockes in großflächigem Kontakt stehen, und wobei wenigstens zwei Temperiereinrichtungen Aufnahme (lies Aufnahmen) gegenüberliegen, zur Erzeugung eines Temperaturgradienten zwischen unterschiedlichen Stellen des Temperierblockes, wobei die Temperiereinrichtungen auf unterschiedliche Temperaturen eingestellt werden und wobei sich über die Temperiereinrichtungen hinweg der Temperaturgradient im Temperierblock einstellt."

Das Deutsche Patent- und Markenamt hat mit Beschluß vom 19. Oktober 2001 das Patent nach Prüfung von Einsprüchen in vollem Umfang aufrechterhalten. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Rechtsbeschwerdegegnerinnen hat das Bundespatentgericht den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts aufgehoben und das Patent, auch soweit es mit Hilfsanträgen verteidigt wurde, widerrufen. Hiergegen richtet sich die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde.

2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und zulässig. Die Rechtsbeschwerdeführerin macht mit ihr einen Begründungsmangel im Sinne von § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG geltend und beruft sich weiter darauf, daß ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sei (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG, Art. 103 Abs. 1 GG).

3. a) Wie die Rechtsbeschwerde mit Recht geltend macht, kann nach der Rechtsprechung des Senats ein Begründungsmangel auch bei vorhandener Begründung dann vorliegen, wenn diese unverständlich, widersprüchlich oder verworren ist (st. Rspr., u.a. BGHZ 39, 333 - Warmpressen; Sen.Beschl. v. 31.12.1991 - X ZB 5/91, GRUR 1992, 159 - Crackkatalysator II; Sen.Beschl. v. 14.05.1996 - X ZB 4/95, GRUR 1996, 753 - Informationssignal). Ein solcher Mangel liegt jedoch nicht vor.

b) Das Bundespatentgericht hat das Patent widerrufen, weil die Verwendung von Temperiereinrichtungen zur Temperierung eines Temperierblocks für Laborthermostate gemäß dem einzigen Patentanspruch nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit sei. In der deutschen Offenlegungsschrift 31 22 008 werde ein Thermostat zum Temperieren von Probengut beschrieben und dargestellt, der Aufnahmen an einer Aufnahmenseite aufweise, welche in großflächigem Kontakt mit wenigstens zwei den Temperierblock wärmeleitend kontaktierenden Temperiereinrichtungen stünden. Die Temperiereinrichtungen stünden mit aneinander grenzenden Feldern auf der Kontaktierseite des Temperierblockes über die gesamte Fläche des Temperierblockes mit diesem in großflächigem Kontakt. Bei dieser bekannten Vorrichtung würden die Felder so temperiert, daß eine im wesentlichen konstante Temperaturverteilung über den Temperierblock entstehe. Die US-Patentschrift 5 525 300 beschreibe einen Temperierblock zum Temperieren von Probengut, bei dem die Temperiereinrichtung in großflächigem Kontakt mit den Aufnahmen stehe. Um einen Temperaturgradienten über den Temperierblock zu erzeugen, sei an einer Seite des Temperierblocks eine Temperiereinrichtung zur Heizung, auf der anderen Seite eine Vorrichtung zur Kühlung angeordnet. Es sei zudem in dieser Schrift angegeben, daß für die Temperiereinrichtung Peltierelemente verwendet werden könnten. Der Fachmann, ein Ingenieur auf dem Gebiet der chemisch-physikalischen Laborgeräte, insbesondere Temperiereinrichtungen für PCR-Prozesse, wisse aufgrund seiner Fachkenntnisse, daß Peltierelemente flächige Temperierelemente seien, die sinnvollerweise auf Flächen aufgebracht würden. Wolle er diese Peltierelemente zur Erzeugung eines Temperaturgradienten verwenden, so werde er sie in den Randbereichen unterhalb der Aufnahmen anordnen. Da bei der aus der deutschen Offenlegungsschrift bekannten Temperiereinrichtung auch Peltierelemente zum Temperieren verwendet würden, liege für den Fachmann der Gedanke nicht fern, zum Erzeugen eines Temperaturgradienten die Peltierelemente entsprechend mit unterschiedlicher Temperatur zu betreiben. Damit gelange der Fachmann aber zum Gegenstand des einzigen Patentanspruchs, ohne erfinderisch tätig zu werden.

c) Die Rechtsbeschwerde rügt, das Bundespatentgericht habe sich nicht mit dem wesentlichen technischen Inhalt der im Patentanspruch geschützten Verwendung befaßt. Nach dem Inhalt des Patentanspruchs solle sich der Temperaturgradient im Temperierblock über die Temperiereinrichtung hinweg einstellen, und zwar nach den Hilfsanträgen 2 und 4 mit einem im wesentlichen linear ansteigenden Temperaturverlauf. Das linear ansteigende Temperaturgefälle solle mit der geschützten Verwendung über den ganzen Temperierblock erzeugt werden. Mit dieser besonderen technischen Funktion, die den erfinderischen Kern der geschützten Verwendung darstelle, befasse sich der angefochtene Beschluß überhaupt nicht. Das zeige sich auch an den Ausführungen des Bundespatentgerichts zu Hilfsantrag 2. Bei der geschützten Verwendung gehe es nicht um einen im wesentlichen linear ansteigenden Temperaturverlauf, sondern darum, daß man mit konstruktiven Mitteln des Temperierblocks aus der deutschen Offenlegungsschrift 31 22 008 ein Temperaturgefälle über den ganzen Temperierblock mit im wesentlichen linear ansteigendem Temperaturverlauf erreichen könne.

d) Mit diesen Beanstandungen legt die Rechtsbeschwerde keinen Begründungsmangel im dargestellten Sinne dar. Sie rügt der Sache nach lediglich, das Bundespatentgericht habe den erfinderischen Kern der geschützten Verwendung verkannt und sei deshalb zu einem falschen Ergebnis gelangt. Diese Beanstandungen betreffen aber die inhaltliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung, die im Verfahren der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde nicht zu überprüfen ist. Selbst wenn mit der Rechtsbeschwerde davon auszugehen wäre, daß der gerügte Fehler besonders gravierend ist, rechtfertigte dies die Annahme eines Begründungsmangels im Sinne des § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG nicht. Denn diese Vorschrift stellt nicht auf die Intensität eines Fehlers in der angefochtenen Entscheidung ab (vgl. Sen.Beschl. v. 26.02.1985 - X ZB 12/84, Mitt. 1985, 152 - Tetrafluoräthylenpolymer). § 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG dient vielmehr ausschließlich der Sicherung des Anspruchs der betroffenen Beteiligten auf Mitteilungen der Gründe, aus denen ihr Rechtsbegehren keinen Erfolg hatte (Sen.Beschl. v. 29.07.2003 - X ZB 29/01, BGH-Rep. 2003, 1437 - Paroxetin).

4. Die Rechtsbeschwerde beruft sich ebenfalls ohne Erfolg darauf, daß der Anspruch der Rechtsbeschwerdeführerin auf rechtliches Gehör verletzt sei.

a) Die Rechtsbeschwerde macht dazu geltend, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Rechtsbeschwerdeführerin zum erfinderischen Kern der geschützten Verwendung übergangen. Aus dem angefochtenen Beschluß sei nicht zu entnehmen, daß das Bundespatentgericht diesen Vortrag überhaupt zur Kenntnis genommen habe. Er werde an keiner Stelle des Beschlusses auch nur andeutungsweise erwähnt. Jedenfalls ergebe sich aus der Begründung, daß das Bundespatentgericht diesen entscheidungserheblichen Vortrag nicht in seine Erwägungen einbezogen und auch nicht beschieden habe.

b) Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt jedem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und dem Gericht die eigene Auffassung zu den erheblichen Rechtsfragen darzulegen; das Gericht ist verpflichtet, dieses Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr.; BVerfG NJW 1995, 2095, 2096 m.w.N.; Sen.Beschl. v. 19.05.1999 - X ZB 13/98, GRUR 1999, 919 - Zugriffsinformation m.w.N.). Hieraus kann nicht abgeleitet werden, daß sich das Gericht mit jedem Vorbringen einer Partei in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen oder gar sich hiermit in einer bestimmten Weise auseinanderzusetzen habe. Das Fehlen einer Auseinandersetzung in den Entscheidungsgründen erlaubt deshalb für sich genommen noch nicht den Schluß, das Gericht habe das Parteivorbringen nicht hinreichend berücksichtigt. Grundsätzlich ist vielmehr davon auszugehen, daß ein Gericht das von ihm entgegengenommene Parteivorbringen auch zur Kenntnis genommen hat. Es muß deshalb besondere Umstände geben, die deutlich machen, daß tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung des Gerichts überhaupt nicht erwogen worden ist (st. Rspr.; vgl. BVerfG NJW 1992, 1031 m.w.N.; Sen.Beschl. v. 19.05.1999, aaO).

Das Bundespatentgericht hat bei der Auseinandersetzung mit Hilfsantrag 2 ausgeführt, der Patentanspruch nach diesem Hilfsantrag unterscheide sich von dem nach dem Hauptantrag dadurch, daß ein im wesentlichen linear ansteigender Temperaturverlauf erreicht werden solle. Das Merkmal sei durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen, denn auch bei der aus der US-Patentschrift 5 525 300 bekannten Einrichtung solle ein im wesentlichen konstanter Temperaturverlauf erreicht werden. Nach dem Verständnis des Bundespatentgerichts kam es danach auf den Vortrag der Rechtsbeschwerdeführerin, dessen Übergehung die Rechtsbeschwerdeführerin beanstandet, nicht an und erübrigten sich Ausführungen hierzu. Ob diese Überzeugung des Bundespatentgerichts der Sache nach zutreffend ist, ist in dem Verfahren über die nicht zugelassene Rechtsbeschwerde nicht zu prüfen. Ein Recht, mit der eigenen Einschätzung durchzudringen, gibt der Anspruch auf rechtliches Gehör einem Prozeßbeteiligten nicht.

c) Auch soweit das Bundespatentgericht in dem angefochtenen Beschluß nicht auf das Argument der Rechtsbeschwerdeführerin eingegangen ist, erst nach Bekanntwerden der geschützten Verwendung hätten die Hersteller von Geräten der in der deutschen Offenlegungsschrift 31 22 008 beschriebenen Bauart erkannt, daß man mit dieser auf gleiche Temperaturen im Temperaturblock ausgerichteten Konstruktion auch einen gleichmäßigen Temperaturgradienten über den ganzen Temperaturblock mit einem im wesentlichen linearen Temperaturverlauf erzeugen könne, indem man die großflächigen Temperiereinrichtungen auf der Unterseite auf unterschiedliche Temperaturen einstelle, ist das Recht der Rechtsbeschwerdeführerin auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Die Rechtsbeschwerdeführerin hat geltend gemacht, dies sei ein nahezu erdrückender Beleg dafür, daß der Fachmann nicht ohne erfinderische Leistung zu der geschützten Verwendung habe kommen können. Entscheidend für die Frage, ob eine erfinderische Tätigkeit vorliegt, ist jedoch die Frage, ob die Verwendung für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt nahegelegen hat. Dabei mag die Reaktion der Fachwelt auf das Bekanntwerden der geschützten Verwendung ein gewisses Beweisanzeichen darstellen können, entscheidend ist sie jedoch nicht. Deshalb war das Bundespatentgericht auch nicht gehalten, auf diese Argumentation gesondert einzugehen, insbesondere nachdem es anderweit ein Naheliegen der beanspruchten Lehre festgestellt hat. Daraus, daß es dies unterlassen hat, ist jedenfalls nicht der Schluß zu ziehen, daß es dieses Vorbringen der Rechtsbeschwerdeführerin nicht zur Kenntnis genommen hat.

5. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.



Ende der Entscheidung

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