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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.12.1998
Aktenzeichen: X ZB 2/98
Rechtsgebiete: PatG


Vorschriften:

PatG 1981 § 123 Abs. 1
PatG 1981 § 39 Abs. 1
PatG 1981 § 123 Abs. 1

Ob jemand bei Versäumung einer gesetzlichen Frist einen Rechtsnachteil erleidet, beurteilt sich allein danach, ob die unmittelbare Folge der Säumnis, gemessen an dem von der Norm zugrunde gelegten regelmäßigen Verlauf der Dinge, im allgemeinen nachteilig ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Rechtsfolge aufgrund besonderer (rechtlicher oder wirtschaftlicher) Umstände oder Verfahrenslagen im konkreten Einzelfall als nachteilig oder vorteilhaft erweist.

PatG 1981 §§ 123 Abs. 1, 39 Abs. 1

a) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Anmelderin bei der Teilung erklärt hat, daß sie auf den Gegenstand der Teilanmeldung für den Fall verzichte, daß die Teilungserklärung nach § 39 Abs. 3 PatG als nicht abgegeben gelte.

b) Wird die Anmeldung im Beschwerdeverfahren geteilt, so erstreckt sich die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts auch auf die Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Gebühr für die Trennanmeldung. Eine insoweit vom Patentamt gewährte Wiedereinsetzung ist wirkungslos.

BGH, Beschl. v. 15. Dezember 1998 - X ZB 2/98 - Bundespatentgericht


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ZB 2/98

vom

15. Dezember 1998

in der Rechtsbeschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung P 36 45 342.0-53

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dipl.-Ing. Frhr. v. Maltzahn, Dr. Melullis, Scharen und Keukenschrijver

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerden der Anmelderin und des Präsidenten des Deutschen Patentamts werden der Beschluß des 17. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 11. November 1997 aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Der Wert des Gegenstandes der Rechtsbeschwerden wird auf 100.000,-- DM festgesetzt.

Gründe:

I. Am 20. November 1986 meldete die Rechtsbeschwerdeführerin I beim Deutschen Patentamt ein "Mehrfachsteuersystem und -verfahren für Plattenspeicher" zum Patent an. Das Deutsche Patentamt wies die Anmeldung wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit zurück. Dagegen erhob die Anmelderin Beschwerde. Im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht erklärte sie in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 1995 die Teilung der Anmeldung. Gleichzeitig überreichte sie als Gegenstand der Trennanmeldung drei Patentansprüche. Im übrigen beantragte sie, den Beschluß des Patentamts aufzuheben und das nachgesuchte Patent auf der Grundlage - ebenfalls überreichter - neuer Unterlagen für die verbleibende Stammanmeldung zu erteilen. Für den Fall, daß die Teilungserklärung "wegen der rechtlichen Nichtabgabefiktion unwirksam sein sollte", verzichtete sie auf den Gegenstand der abgeteilten Anmeldung.

Das Bundespatentgericht wies die Beschwerde der Anmelderin durch rechtskräftig gewordenen Beschluß vom selben Tage (9. März 1995) zurück (17 W(pat) 34/93) und ordnete an, daß das die Teilanmeldung betreffende Beschwerdeverfahren nach Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 39 PatG) fortgesetzt werde.

Für die Trennanmeldung reichte die Anmelderin am 2. Juni 1995 beim Patentamt die vollständigen Unterlagen ein. Die Jahresgebühren gingen am 1. August 1995 nach Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 39 Abs. 3 PatG beim Patentamt ein. Wegen der verspätet geleisteten Zahlung beantragte die Anmelderin mit Schriftsatz vom 26. September 1995 sowohl beim Patentamt als auch beim Bundespatentgericht die Wiedereinsetzung in die Frist des § 39 Abs. 3 PatG für die Zahlung der Gebühren für die Trennanmeldung.

Mit Beschluß vom 7. November 1995 wies die Prüfungsstelle des Patentamts den Wiedereinsetzungsantrag zurück. Auf die Beschwerde der Anmelderin hob sie diesen Beschluß mit weiterem Beschluß vom 27. Dezember 1995 auf und entschied, daß die Sache erneut in Behandlung genommen werde. Im Januar 1996 wurden die Trennakten dem Bundespatentgericht vorgelegt.

Das Bundespatentgericht wies die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluß des Patentamts vom 28. Oktober 1992 auch wegen des am 9. März 1995 abgetrennten Teils der Anmeldung zurück und stellte fest, daß die Teilungserklärung als nicht abgegeben gelte und die Teilanmeldung nicht entstanden sei. Des weiteren stellte es fest, daß der Beschluß des Patentamts vom 27. Dezember 1995, mit dem dieses der Anmelderin Wiedereinsetzung in die Frist nach § 39 Abs. 3 PatG gewährt habe, unwirksam sei. Den an das Bundespatentgericht gerichteten Wiedereinsetzungsantrag vom 26. September 1995 wies es zurück (BPatGE 39, 98 = GRUR 1998, 665).

Hiergegen richten sich die - zugelassenen - Rechtsbeschwerden der Anmelderin und des Präsidenten des Patentamts, der dem Verfahren gemäß § 77 PatG beigetreten ist. Beide Rechtsbeschwerdeführer beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.

II. Die Rechtsbeschwerden sind kraft Zulassung statthaft und auch im übrigen zulässig. Sie eröffnen die volle Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nach Art einer Revision, ungeachtet dessen, daß das Bundespatentgericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde nur zur Klärung der Rechtsfrage für angezeigt gehalten hat, ob bei Versäumung der Frist des § 39 Abs. 3 PatG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfindet (BGHZ 90, 318, 320 - Zinkenkreisel).

Die Rechtsbeschwerden haben auch in der Sache Erfolg.

1. Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, daß die Teilungserklärung vom 9. März 1995 nach § 39 Abs. 3 PatG als nicht abgegeben gelte, weil die Anmelderin die Gebühren für die Teilanmeldung erst am 1. August und am 26. September 1995, somit nicht innerhalb der in § 39 Abs. 3 PatG hierfür vorgesehenen Frist von drei Monaten nach Eingang der Teilungserklärung entrichtet habe.

Der Beschluß des Patentamts vom 27. Dezember 1995, mit dem das Patentamt die Sache "erneut in Behandlung genommen" und damit sinngemäß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe gewähren wollen, sei unwirksam, weil das Patentamt für die Gewährung einer Wiedereinsetzung nicht zuständig gewesen sei. Im übrigen sei die gewährte Wiedereinsetzung auch deshalb gesetzwidrig, weil im Falle der Versäumung der Frist gemäß § 39 Abs. 3 PatG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgeschlossen sei. Nach § 123 Abs. 1 PatG könne eine Wiedereinsetzung nur in solche Fristen erfolgen, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hätten. Daran fehle es hier. Rechtsfolge der Fristversäumung sei nach § 39 Abs. 3 PatG, daß die Teilungserklärung als nicht abgegeben gelte. Der Gegenstand der Teilanmeldung gehe dem Anmelder also nicht verloren, sondern falle in die Stammanmeldung zurück. Ein Rechtsnachteil sei damit nicht verbunden. Der Anmelder könne - soweit nicht ein Rechtsmißbrauch vorliege - die Anmeldung jederzeit in identischer Weise erneut teilen und dadurch eine weitere Frist gemäß § 39 Abs. 3 PatG in Lauf setzen. Dieser Weg sei der Anmelderin zwar im vorliegenden Fall verwehrt, weil das Bundespatentgericht im Stammverfahren die Zurückweisung der Anmeldung durch das Patentamt mit Beschluß vom 9. März 1995 - inzwischen rechtskräftig - bestätigt habe. Ein Rückfall des Gegenstandes der Teilanmeldung in die Stammanmeldung sei somit nicht mehr möglich; er sei für die Anmelderin verloren. Dieser Rechtsnachteil beruhe aber ausschließlich auf der vorzeitigen Entscheidung im Verfahren der Stammanmeldung, nicht auf der gesetzlichen Rechtsfolge des § 39 Abs. 3 PatG.

Für die im Beschwerdeverfahren entstandene Teilanmeldung sei allein das Bundespatentgericht zuständig. Eine Bindung des Bundespatentgerichts an die vom Patentamt gleichwohl gewährte Wiedereinsetzung ergebe sich nicht daraus, daß eine die Wiedereinsetzung gewährende Entscheidung nach § 123 Abs. 4 PatG unanfechtbar sei. Diese Bestimmung dürfe als Ausnahmeregelung nicht weit ausgelegt werden. Sie greife ein, wenn die Wiedereinsetzung auf einem einfachen Sach- oder Rechtsfehler beruhe, möglicherweise auch dann, wenn eine unzuständige Stelle entschieden habe. Sie könne aber nicht zum Zuge kommen, wenn eine Wiedereinsetzung von vornherein unstatthaft sei.

Da eine Wiedereinsetzung nicht statthaft sei, sei auch der an das Bundespatentgericht gerichtete Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen gewesen.

2. Den dagegen gerichteten Rügen der Rechtsbeschwerden hält der angefochtene Beschluß nicht in allen Punkten und auch nicht im Ergebnis stand.

a) Das Bundespatentgericht hat nicht geprüft, ob die von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung vom 9. März 1995 abgegebene Teilungserklärung wirksam war, ob also aufgrund dieser Teilungserklärung eine Teilanmeldung zunächst (auflösend bedingt) entstanden ist. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist dies somit zu unterstellen.

b) Das Bundespatentgericht ist davon ausgegangen, daß die Anmelderin die in § 39 Abs. 3 PatG vorgesehene Frist für die Entrichtung der Gebühren für die Trennanmeldung versäumt hat. Das wird von den Rechtsbeschwerden nicht angegriffen und läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.

c) Mit Recht rügen die Rechtsbeschwerden die Auffassung des Bundespatentgerichts als rechtsfehlerhaft, daß im Fall einer Versäumung der Frist nach § 39 Abs. 3 PatG eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand generell ausgeschlossen sei. Nach § 123 Abs. 1 PatG findet die Wiedereinsetzung in solche Fristen statt, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Ob eine angeordnete Rechtsfolge einen solchen Rechtsnachteil darstellt, ist, wie sich unmittelbar aus § 123 Abs. 1 PatG ergibt, nur anhand der betreffenden Norm selbst zu bestimmen. Es kann somit nicht darauf ankommen, ob sich die Rechtsfolge aufgrund besonderer (rechtlicher oder wirtschaftlicher) Umstände oder Verfahrenslagen im konkreten Einzelfall als nachteilig oder vorteilhaft erweist. Maßgeblich ist vielmehr, ob die unmittelbare Folge der Säumnis, gemessen an dem von der Norm zugrunde gelegten regelmäßigen Verlauf der Dinge, im allgemeinen nachteilig ist (vgl. RGZ 125, 58, 64; Benkard, PatG/GebrMG, 9. Aufl., § 123 Rdn. 7; Schulte, PatG, 5. Aufl., § 123 Rdn. 14). Das ist hier der Fall.

Bereits mit dem Eingang einer formell und materiell wirksamen Teilungserklärung wird die Anmeldung geteilt (Sen.Beschl. v. 14. Juli 1993 - X ZB 9/92, GRUR 1993, 890, 891 - Teilungsgebühren). Für den Anmelder entsteht dadurch eine andere materiell-rechtliche und prozessuale Lage, als sie vorher bestand. Diese neue Rechts- und Verfahrenslage ist allein schon deswegen als dem Anmelder günstig anzusehen, weil sie ausschließlich auf seinem in Ausübung eines ihm vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsrechts erklärten Willen beruht. Durch die Fiktion des § 39 Abs. 3 PatG wird diese Rechtslage gegen seinen erklärten Willen rückwirkend beseitigt (BGH aaO - Teilungsgebühren). Darin liegt ein Rechtsnachteil im Sinne von § 123 Abs. 1 PatG.

Für die Frage des Rechtsnachteils ist unerheblich, ob der Anmelder nach Abgabe der Teilungserklärung - zunächst - anderen Sinnes geworden war und die Rechtsfolge des § 39 Abs. 3 PatG bewußt herbeigeführt hat. Für die Annahme eines Rechtsnachteils ist auch ohne Bedeutung, welches Schicksal der Gegenstand der Trennanmeldung als weitere Folge der Fiktion des § 39 Abs. 3 PatG erleidet.

d) Eine Wiedereinsetzung ist im vorliegenden Fall auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Anmelderin bei Abgabe der Teilungserklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht erklärt hat, daß sie auf den Gegenstand der Teilanmeldung für den Fall verzichte, daß die Teilungserklärung nach § 39 Abs. 3 PatG als nicht abgegeben gelte. Dabei kann dahingestellt bleiben,ob ein solcher "Verzicht" gegen den Grundsatz der Bedingungsfeindlichkeit von Verfahrenshandlungen verstößt.

Zweck der Verzichtserklärung ist es, daß der Gegenstand der Trennanmeldung auch dann, wenn nach § 39 Abs. 3 PatG die Teilungserklärung als nicht abgegeben fingiert wird, nicht mehr in die Stammanmeldung zurückfällt. Im dortigen Verfahren soll so eine definitive, von dem gesetzlich vorgesehenen Schwebezustand unabhängige Entscheidungsgrundlage gewonnen werden. Verfahrenstechnisch wird dies durch die Erklärung der Anmelderin erreicht, daß nicht die Teilungserklärung als nicht abgegeben, sondern die Teilanmeldung als zurückgenommen gelten soll, wie es nunmehr § 40 Abs. 2 Satz 3 MarkenG für die Teilung einer Markenanmeldung - in bewußter Abkehr von der in § 39 Abs. 3 PatG getroffenen Regelung - von Gesetzes wegen vorsieht (vgl. Begründung zum Entwurf des Markenrechtsreformgesetzes, BlPMZ 1994, Sonderheft, S. 45, 85). Der von der Anmelderin für den Fall des Eintritts der Nichtabgabefiktion erklärte "Verzicht" auf den Gegenstand der Trennanmeldung ist daher, seine Wirksamkeit unterstellt, als bedingte Rücknahme der Teilanmeldung auszulegen.

Der damit verbundene Rechtsnachteil (Rücknahme der Anmeldung anstelle der gesetzlich vorgesehenen Fiktion der Nichtabgabe der Teilungserklärung) würde allerdings nicht aufgrund gesetzlicher Vorschrift, sondern nur wegen der Erklärung der Anmelderin eintreten. Einer Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 39 Abs. 3 PatG steht dies gleichwohl nicht entgegen. Die Erklärung ist nämlich einschränkend in der Weise auszulegen, daß mit ihr nicht zugleich auf das Recht auf Wiedereinsetzung in die Frist des § 39 Abs. 3 PatG verzichtet werden soll.

e) Bei Versäumung der Frist des § 39 Abs. 3 PatG ist daher eine Wiedereinsetzung - jedenfalls im vorliegenden Fall - möglich. Der angefochtene Beschluß kann daher keinen Bestand haben. Im wiedereröffneten Beschwerderechtszug wird das Bundespatentgericht über den bei ihm gestellten Wiedereinsetzungsantrag erneut zu befinden haben. Die durch Entscheidung der Prüfungsstelle des Patentamts mit Beschluß vom 27. Dezember 1995 gewährte Wiedereinsetzung ist wirkungslos. Das ergibt sich aus folgendem:

aa) Das Patentamt war zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist des § 39 Abs. 3 PatG nicht berufen. Nach § 123 Abs. 3 PatG beschließt über den Antrag auf Wiedereinsetzung die Stelle, die über die nachgeholte Handlung zu beschließen hat. Die Beurteilung der Rechtzeitigkeit der Gebührenzahlung nach § 39 Abs. 2 und 3 PatG oblag hier dem Bundespatentgericht. Wird eine Anmeldung im Beschwerdeverfahren geteilt, so erstreckt sich die Zuständigkeit des Beschwerdegerichts nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch auf die Trennanmeldung (Sen.Beschl. v. 23. September 1997 - X ZB 14/96, GRUR 1998, 458, 460 - Textdatenwiedergabe - m.w.N.). Diese Zuständigkeit beschränkt sich nicht auf die sachliche Behandlung der Trennanmeldung (vgl. Sen.Beschl. v. 7. Dezember 1971 - X ZB 31/70, GRUR 1972, 474, 475 - Ausscheidungsanmeldung; Sen.Beschl. v. 29. April 1969 - X ZB 14/67, GRUR 1969, 562, 563 - Appreturmittel). Das wäre auch nicht sachgerecht, weil sich die sachliche und die formelle Behandlung einer Trennanmeldung oft nicht eindeutig auseinander halten lassen. Anderes gilt nur für solche Handlungen, für die nach gesetzlicher Vorschrift eine abschließende Empfangszuständigkeit des Patentamts besteht.

So liegt es im Hinblick auf die Gebührenzahlung. Nach § 2 PatGebZV sind die Gebühren sowohl des Patentamts als auch des Bundespatentgerichts, soweit nicht Gebührenmarken verwendet werden, an die Zahlstelle des Patentamts zu entrichten.

Über die Rechtzeitigkeit der Gebührenzahlung (und des Eingangs der Unterlagen) hat dagegen ausschließlich das Bundespatentgericht zu befinden, wenn die Trennanmeldung bei ihm entstanden ist. Denn davon hängt nach § 39 Abs. 3 PatG der Bestand der Trennanmeldung ab. Ob eine Trennanmeldung entstanden und nicht wieder in Fortfall gekommen ist, kann nur vom Bundespatentgericht in dem bei ihm anhängigen Trennanmeldeverfahren entschieden werden. Das Bundespatentgericht war daher auch für die beantragte Wiedereinsetzung zuständig.

Aus § 20 Abs. 2 PatG kann entgegen der Ansicht der Anmelderin nichts anderes hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift entscheidet ausschließlich das Patentamt darüber, ob ein Patent wegen fehlender Zahlung der Jahresgebühren oder fehlender Erfinderbenennung erloschen ist. Die betreffenden Erlöschenstatbestände sind damit einer inzidenten Prüfung durch die ordentlichen Gerichte, etwa in einem Patentverletzungsprozeß, oder durch das Bundespatentgericht, z.B. in einem Einspruchsbeschwerdeverfahren, entzogen. Um einen solchen Erlöschenstatbestand handelt es sich hier jedoch nicht. Eine Beschränkung der Entscheidungszuständigkeit des Bundespatentgerichts im Hinblick auf den Fortbestand einer bei ihm entstandenen Trennanmeldung kann daher nicht aus § 20 Abs. 2 PatG abgeleitet werden.

bb) Eine Bindung des Bundespatentgerichts an die vom Patentamt gewährte Wiedereinsetzung ergibt sich auch nicht daraus, daß nach § 123 Abs. 4 PatG Beschlüsse, die eine Wiedereinsetzung gewähren, unanfechtbar sind. Das zeigt schon die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. § 123 Abs. 4 PatG ist - als § 43 Abs. 3 a PatG a.F. - der gleichlautenden Bestimmung des § 238 Abs. 3 ZPO nachgebildet und auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages zusammen mit dieser durch das Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung gerichtlicher Verfahren (Vereinfachungsnovelle) vom 3. Dezember 1976 (BGBl. 1976 I S. 3281) eingeführt worden. § 238 Abs. 3 ZPO entstammte einem früheren Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Zivilprozeßordnung (vgl. BT-Drucks. 7/5250, S. 8, 21, 91 und BT-Drucks. VI/790, S. 5, 47). Zweck der Regelung ist es, zu verhindern, daß das Revisionsgericht im Zivilprozeß eine vom Berufungsgericht gewährte Wiedereinsetzung in die Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist überprüft und dadurch das Berufungsverfahren nachträglich gegebenenfalls entwertet wird (BT-Drucks. VI/790, S. 47). Vorausgesetzt ist damit, daß das Berufungsgericht im Rahmen seiner Zuständigkeit über die Wiedereinsetzung entschieden hat. Dagegen war eine Bindung nicht auch für den Fall beabsichtigt, daß eine Vorinstanz in einem bei ihm gar nicht oder nicht mehr anhängigen Verfahren fälschlich Wiedereinsetzung gewährt (vgl. BGH, Beschl. v. 30. März 1993 - VIII ZR 58/93, BGHR ZPO § 237 - Revisionsgericht 3; Münch.Komm./Feiber, ZPO, § 237 Rdn. 4; für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ebenso Eyermann/Fröhler, VwGO, 9. Aufl. (1988), § 60 Rdn. 32; a.A. dies., VwGO, 10. Aufl., aaO; Redeker/von Oertzen, VwGO, 11. Aufl., § 60 Rdn. 22; Kopp, VwGO, 11. Aufl., § 60 Rdn. 39 Fußnote 48).

III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten (§ 107 Abs. 1 PatG).



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