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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.11.2002
Aktenzeichen: X ZB 23/01
Rechtsgebiete: GebrMG, Gesetz zu der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992


Vorschriften:

GebrMG § 4a Abs. 1 Satz 1
GebrMG § 8 Abs. 1
Gesetz zu der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992 Art. 1
a) Ein Verbot, bei der Eintragung eines Gebrauchsmusters vom Eintragungsantrag abzuweichen, berührt grundsätzlich nicht die Entscheidung über Anträge des Anmelders in bezug auf die Art und Weise des Vollzugs der Eintragung. Eine sachliche Zurückweisung der Anmeldung läßt sich jedenfalls im Regelfall nicht darauf stützen, daß einem solchen Antrag nicht stattgegeben werden kann.

b) Niederdeutsche (plattdeutsche) Anmeldeunterlagen sind im Sinn des § 4a Abs. 1 Satz 1 GebrMG nicht in deutscher Sprache abgefaßt.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ZB 23/01

vom

19. November 2002

in der Rechtsbeschwerdesache

Läägeünnerloage

betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung 200 02 064.1

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Anmelderinnen wird der Beschluß des 5. Senats (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 28. Februar 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückverwiesen.

Der Wert des Gegenstands des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 50.000,-- € festgesetzt.

Gründe:

I. Die Anmelderinnen haben am 5. Februar 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt auf dem dafür vorgesehenen Formblatt einen Antrag auf Eintragung eines Gebrauchsmusters eingereicht. Als Bezeichnung der Erfindung wurde "Läägeünnerloage" angegeben. Dem Antrag waren eine Beschreibung und Schutzansprüche, die jeweils auf Niederdeutsch abgefaßt sind, sowie ein Blatt Zeichnungen mit einigen erläuternden Angaben in Hochdeutsch beigefügt; die Gebühr wurde entrichtet. Am 3. und 4. Mai 2000 haben die Anmelderinnen eine "Übersetzung der ursprünglich eingereichten Unterlagen in die deutsche Sprache" eingereicht. Die Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung zurückgewiesen. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Anmelderinnen ist erfolglos geblieben (Leitsatz der Beschwerdeentscheidung veröffentlicht in BlPMZ 2002, 150 und Mitt. 2002, 265). Der Präsident des Deutschen Patent und Markenamts ist dem Beschwerdeverfahren auf Einladung des Bundespatentgerichts beigetreten.

Mit ihrer vom Bundespatentgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde beantragen die Anmelderinnen, den Beschluß des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Sache an dieses Gericht zurückzuverweisen. Der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamts hat sich im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht geäußert.

II. Die infolge Zulassung statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Bundespatentgericht (§ 18 Abs. 4 Satz 2 GebrMG i.V.m. § 108 Abs. 1 PatG).

1. Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, es gebe keine rechtliche Grundlage für die beantragte Eintragung des Gebrauchsmusters entweder nur in niederdeutscher ("plattdeutscher") oder zugleich in hochdeutscher und niederdeutscher Sprache. Zwar sei die Eintragung eines Gebrauchsmusters, für das fremdsprachige Anmeldeunterlagen eingereicht worden seien, zulässig, wenn der Anmelder eine deutsche Übersetzung nachreiche; der Eintragungsantrag beschränke sich aber nicht hierauf. Es werde nämlich ausdrücklich die Eintragung in der niederdeutschen Fassung beantragt; dies könne nicht bewilligt werden, weil nur die Anmeldung selbst mit fremdspachigen Unterlagen zugelassen sei, der Vollzug der Eintragung aber nur mit der deutschen Fassung. Bei einer Bekanntmachung sowohl mit der hochdeutschen als auch mit der niederdeutschen Bezeichnung wäre für Interessierte nicht erkennbar, daß es sich bei dem niederdeutschen Zusatz um eine Übersetzung und nicht um eine weitere Bestimmungsangabe handle; hierdurch könnte Verwirrung gestiftet werden.

2. Die Rechtsbeschwerde, mit der weiter hilfsweise das Begehren verfolgt wird, das Gebrauchsmuster (allein) mit der hochdeutschen Bezeichnung "Liegeunterlage" einzutragen, stellt zunächst die Auffassung des Bundespatentgerichts zur Überprüfung, Niederdeutsch sei nicht Deutsch im Sinn der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen. Andernfalls seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung ebenfalls erfüllt, da die Übersetzung innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Frist eingereicht worden sei. Für die Auffassung des Bundespatentgerichts, die Eintragung könne nicht mit einer (auch) niederdeutschen Bezeichnung erfolgen, fehle es an einer gesetzlichen Grundlage.

3. Die Zurückweisung der Gebrauchsmusteranmeldung wird durch die vom Bundespatentgericht angezogenen Gründe nicht getragen.

a) § 8 Abs. 1 Satz 1 GebrMG in der zum Zeitpunkt der Gebrauchsmusteranmeldung geltenden Fassung sieht vor, daß das Patentamt die Eintragung des Gebrauchsmusters in die Rolle (jetzt: in das Register) verfügt, wenn die Anmeldung den Anforderungen des (richtig: der) §§ 4, 4a GebrMG entspricht. Daß dies nicht der Fall ist, hat das Bundespatentgericht nicht rechtsfehlerfrei festgestellt.

b) Rechtlich zutreffend ist das Bundespatentgericht davon ausgegangen, daß die Anmeldung im Sinn des § 4a GebrMG jedenfalls teilweise, nämlich hinsichtlich ihrer Bezeichnung, der Schutzansprüche und der Beschreibung, nicht in deutscher Sprache abgefaßt ist. Diese Bestimmung geht in ihrem Anwendungsbereich derjenigen über die Amtssprache in § 126 PatG, auf die § 21 Abs. 1 GebrMG verweist, vor und verdrängt diese. Dabei kommt es nicht auf die sprachwissenschaftliche oder systematische Zuordnung des Niederdeutschen zur deutschen Sprache an, über dessen Charakter als Sprache oder Dialekt in der Sprachwissenschaft keine eindeutige Meinung herrscht (vgl. z.B. Haarmann, Soziologie und Politik der Sprachen Europas, 1975, S. 186; Goossens, Niederdeutsche Sprache - Versuch einer Definition, in ders. (Hrsg.) Niederdeutsch - Sprache und Literatur, Bd. 1, 2. Aufl. 1983, S. 23 bezeichnet das Neuniederdeutsche nicht als eine Sprache, "sondern als eine Gruppe von Dialekten im deutschen Sprachgebiet"); sondern auf die normative Regelung. Deshalb bedarf es keiner Klärung, ob eine Sprachform im Rechtssinn zugleich eine Form des Deutschen sein und ihr zugleich in bestimmten rechtlichen Zusammenhängen diese Qualität abgesprochen werden kann. Aus der Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zur Vorbereitung der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen vom 23. Januar 1998 (BGBl. II S. 1334) und aus dem Gesetz zu der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992 (BGBl. 1998 II S. 1314) folgt nämlich, daß Niederdeutsch als Regionalsprache bezeichnet und damit jedenfalls in bestimmtem Umfang wie eine eigenständige Sprache behandelt und als solche privilegiert wird. Das genügt jedenfalls dafür, Niederdeutsch wie eine der von § 4a GebrMG erfaßten Sprachen zu behandeln. Es macht jedenfalls keinen Sinn, Niederdeutsch insoweit schlechter zu stellen als etwa die norddeutschen Minderheitensprachen Nordfriesisch oder Saterfriesisch.

c) Nach den tatrichterlichen Feststellungen im angefochtenen Beschluß, die die Rechtsbeschwerde nicht angreift, sind innerhalb der Dreimonatsfrist des § 4a GebrMG eine Übersetzung der ursprünglich in Niederdeutsch eingereichten Unterlagen nachgereicht worden. Der Gegenstand des Gebrauchsmusters ist in den ursprünglich eingereichten Unterlagen als "Läägeünnerloage" und in der nachgereichten Übersetzung als "Liegeunterlage" bezeichnet. Daß andere der in §§ 4, 4a GebrMG genannten Erfordernisse nicht erfüllt sind, hat das Bundespatentgericht nicht festgestellt. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist daher zugunsten der Anmelderinnen davon auszugehen, daß ihnen genügt ist.

d) Wie das Bundespatentgericht insoweit zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei den Fragen, mit welcher Bezeichnung das Gebrauchsmuster in das Register (früher: in die Rolle) einzutragen und mit welcher Bezeichnung die Eintragung im Patentblatt bekanntzumachen ist (§ 8 Abs. 3 PatG), um solche des Vollzugs der Eintragung, nicht aber um das Ausreichen der Anmeldeunterlagen. Dieser Vollzug richtet sich indessen nicht nach den Anträgen der Anmelderinnen, sondern nach den maßgeblichen Bestimmungen des vom Patentamt anzuwendenden Verfahrensrechts. Wenn die Anmelderinnen eine bestimmte Auffassung zum Vollzug vertreten und insoweit bestimmte Anträge stellen, betrifft dies mithin nicht die Frage, ob das Gebrauchsmuster einzutragen ist, sondern ausschließlich die Modalitäten der Eintragung. Insoweit ist das Patentamt aber an Anträge der Verfahrensbeteiligten nicht gebunden, auch wenn diesen, soweit von ihrem Begehren abgewichen wird, die Beschwerde eröffnet sein mag. Unterschiedliche Vorstellungen über den Vollzug der Eintragung geben dem Patentamt nicht die Befugnis, die Eintragung als solche zu versagen. Ein Verbot, vom Erteilungs- oder Eintragungsantrag abzuweichen (vgl. Benkard PatG GebrMG 9. Aufl. § 49 PatG Rdn. 2; Busse PatG 5. Aufl. vor § 34 PatG Rdn. 52 f., § 48 PatG Rdn. 17 f., § 8 GebrMG Rdn. 11; Loth § 8 GebrMG Rdn. 10), betrifft zunächst nur den Inhalt des Schutzrechts als solchen, nicht dagegen auch solche Anträge, die sich allein auf die in den einschlägigen Rechtsnormen geregelte formale Durchführung der Erteilung oder Eintragung beziehen. Sie berührt deshalb grundsätzlich nicht die Entscheidung über weitergehende Anträge des Anmelders in bezug auf die Art und Weise des Vollzugs der Erteilung oder Eintragung. Insoweit mag es geboten sein, derartige verfahrensbezogene Anträge zu bescheiden und gegebenenfalls zurückzuweisen, eine sachliche Zurückweisung der Anmeldung läßt sich jedenfalls im Regelfall nicht darauf stützen, daß einem solchen Antrag nicht stattgegeben werden kann. So entspricht es allgemeiner Auffassung und soweit ersichtlich auch der bisherigen Entscheidungspraxis des Gebrauchsmuster-Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts, daß ein unbegründeter Antrag auf Aussetzung der Eintragung (§ 8 Abs. 1 Satz 3 GebrMG i.V.m. § 49 Abs. 2 PatG) als solcher zurückzuweisen ist und nicht zur Zurückweisung der den gesetzlichen Erfordernissen genügenden Anmeldung insgesamt führt (BPatG GRUR 1980, 786; BPatG, Beschl. v. 4.11.1982 - 5 W (pat) 6/82; Benkard § 8 GebrMG Rdn. 8; Busse aaO § 8 GebrMG Rdn. 7; Bühring GebrMG 5. Aufl. § 8 Rdn. 28; Loth § 8 GebrMG Rdn. 7).

e) Für die Entscheidung über die Frage, ob die Anmeldung zu Recht zurückgewiesen worden ist, bedarf es somit einer Festlegung, mit welcher Bezeichnung die Eintragung und die Bekanntmachung zu erfolgen haben, nicht. Im vorliegenden Fall werden die vom Bundespatentgericht herangezogenen Gesichtspunkte bei der Ausübung eines insoweit möglicherweise eröffneten Ermessens berücksichtigt werden können.

4. Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als zutreffend. Zu Recht hat das Bundespatentgericht der Frage eines durch den Umfang der Veröffentlichungen verursachten Mehraufwands für das Patentamt keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Dabei fällt neben dem Umstand, daß ein entsprechender Zurückweisungsgrund dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, insbesondere ins Gewicht, daß - anders als bei Patentanmeldungen - eine gesetzliche Verpflichtung des Patentamts, die Anmeldeunterlagen zu veröffentlichen, über die Regelung in § 8 Abs. 3 GebrMG hinaus, die lediglich zur Bekanntmachung der Eintragungen im Patentblatt in regelmäßig erscheinenden Übersichten, neuerdings auch in elektronischer Form, vorsieht, nicht besteht. Wenn das Patentamt über seine gesetzlichen Verpflichtungen hinaus von sich aus "Gebrauchsmusterschriften" herausgibt (vgl. Mitteilung des Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts BlPMZ 1999, 269) oder eingereichte Übersetzungen veröffentlicht, kann es den daraus entstehenden Aufwand nicht zur Begründung der Zurückweisung heranziehen. Die Verhältnisse liegen hier zudem nicht anders als bei Einreichung der ursprünglichen Unterlagen in jeder anderen Sprache außer Deutsch. Etwaigen Mehraufwand gegenüber der früheren Regelung, die nur deutschsprachige Anmeldungen zuließ, nimmt das Gesetz hier im Interesse einer anmelderfreundlichen Lösung in Kauf (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Gesetze, BT-Drucks. 13/9971; BlPMZ 1998, 393, 395 f.).

III. Eine Kostenauferlegung kommt schon wegen der Regelung in § 109 Abs. 2 PatG i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 2 GebrMG nicht in Betracht. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.

Ende der Entscheidung

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