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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.01.2004
Aktenzeichen: X ZR 124/02
Rechtsgebiete: PatG, ZPO


Vorschriften:

PatG § 81 Abs. 2
PatG § 111
PatG § 111 Abs. 3 Nr. 1
ZPO a.F. § 519 Abs. 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 124/02

Verkündet am: 13. Januar 2004

in der Patentnichtigkeitssache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Scharen, die Richterin Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 7. März 2002 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte ist Inhaberin des am 26. April 1988 angemeldeten und unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 291 194 (Streitpatents), das "Immunoassays and devices therefor" betrifft und 23 Patentansprüche umfaßt. Für das Streitpatent wurden die Prioritäten der britischen Patentanmeldungen 8 709 873 vom 27. April 1987 und 8 725 457 vom 30. Oktober 1987 in Anspruch genommen.

Gegen die Erteilung des Streitpatents erhob die Klägerin Einspruch beim Europäischen Patentamt. Die Technische Beschwerdekammer 3.3.4 verwies mit Entscheidung vom 27. Januar 2000 (T 0681/98) die Sache an die erste Instanz mit der Auflage, "das Patent auf der Grundlage des in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hauptantrags" der Patentinhaberin sowie einer daran anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten. Die Einspruchsabteilung entschied entsprechend mit Zwischenentscheidung vom 24. April 2001 (Pat600/29L-95-E). Die hiergegen erhobenen Beschwerden der Klägerin und anderer Einsprechenden wies die Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 4. Juli 2002 (T 094/01) zurück.

Während des Einspruchsbeschwerdeverfahrens hat die Klägerin Nichtigkeitsklage erhoben und geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er unter den Gesichtspunkten der Ausführbarkeit und Wiederholbarkeit der technischen Lehre nicht ausreichend offenbart sei. Die Nichtigkeitsklage sei trotz des noch anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahrens zulässig. Der Gegenstand des Streitpatents könne wegen der ersten unanfechtbar gewordenen Entscheidung der Beschwerdekammer nicht mehr verändert werden. Das noch anhängige Verfahren betreffe die Beschreibung, die lediglich der Interpretation und Auslegung diene, soweit hierfür überhaupt Bedarf bestehe. Da sie, die Klägerin, den mangelnden Rechtsbestand des Streitpatents im Verletzungsverfahren nicht geltend machen könne, sei sie in ihren Verteidigungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt, wenn die Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage von der Erledigung des Einspruchsverfahrens abhänge. Um die Ungleichbehandlung von Verletzungsbeklagten in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Verletzungsbeklagen in anderen Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens aufzuheben, denen die Möglichkeit offen stehe, sich im Verletzungsverfahren mit dem Einwand der Nichtigkeit des Streitpatents zu verteidigen, müsse § 81 Abs. 2 PatG dahin ausgelegt werden, daß die Nichtigkeitsklage zulässig sei, wenn die Fassung der Patentansprüche nicht mehr angegriffen werden könne.

Die Klägerin hat beantragt,

das europäische Patent 0 291 194 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten.

Das Bundespatentgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung ist zulässig. Zwar enthalten der Schriftsatz vom 13. Mai 2002, mit dem die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Bundespatentgerichts eingelegt hat, sowie der Schriftsatz vom 11. Juni 2002, mit dem sie ihr Rechtsmittel begründet hat, keine förmlichen Anträge. Die Klägerin hat damit weder in der Berufungsschrift noch in der Berufungsbegründung (§ 111 Abs. 3 Nr. 1 PatG) den gesetzlichen Anforderungen genügende Berufungsanträge formuliert; vielmehr hat sie erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auf Hinweis der Beklagten mit Schriftsatz vom 26. November 2002 Berufungsanträge eingereicht. Gleichwohl ist die Berufung zulässig.

Der Senat hat in seiner Entschließung vom 8. Januar 1991 (GRUR 1991, 448), die vor Inkrafttreten der Neuregelung des § 111 PatG durch das 2. PatÄndG am 1. November 1998 ergangen ist, unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung (Sen.Urt. v. 19.10.1954 - I ZR 29/53, GRUR 1955, 283, 284 f. - Elektronenerzeugung; Urt. v. 30.9.1959 - I ZR 59/57, GRUR 1960, 27 - Verbindungsklemme) ausgeführt, daß die Berufungsschrift im Patentnichtigkeitsverfahren die Berufungsanträge enthalten muß (§ 111 PatG a.F.). Dazu bedürfe es allerdings nicht eines förmlichen Antrages. Vielmehr sei es erforderlich, aber auch ausreichend, wenn die innerhalb der Berufungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergäben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das erstinstanzliche Urteil angefochten werden solle. Diese Grundsätze gelten auch nach der Neuregelung des § 111 Abs. 3 Nr. 1 PatG entsprechend, wonach nunmehr die Berufungsbegründung nur "die Erklärung" enthalten muß, "inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge)". Das entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung für Berufungsverfahren nach der ZPO, die in § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F. eine wortgleiche Regelung vorsah (BGH Urt. v. 4.6.1986 - IVb ZR 51/85, FamRZ 1987, 58, 59; Urt. v. 6.5.1987 - IVb ZR 52/86, NJW 1987, 3264, 3265 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung, die mit hinreichender Eindeutigkeit die Abänderung der angefochtenen Entscheidung und die Weiterverfolgung des bisherigen Sachbegehrens als Ziel des Rechtsmittels erkennen läßt. Die Berufungsklägerin hat im einzelnen Gründe vorgetragen, die ihre Auffassung stützen sollen, die Nichtigkeitsklage sei von Anfang an zulässig gewesen, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht hinreichend offenbart und das Streitpatent daher für nichtig zu erklären.

2. Es kann dahinstehen, ob die Nichtigkeitsklage in dem Verfahren vor dem Bundespatentgericht zulässig war. Sie ist jetzt jedenfalls zulässig, so daß nunmehr in der Sache zu entscheiden ist. Da das Bundespatentgericht noch keine Gelegenheit hatte, über die von der Klägerin geltend gemachten Nichtigkeitsgründe zu entscheiden, ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen (§§ 99 PatG, 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO n.F. analog; Sen.Urt. v. 13.1.2004 - X ZR 212/02, zur Veröffentlichung bestimmt).



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