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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 13.12.2005
Aktenzeichen: X ZR 128/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
BGB §§ 651 a ff.
BGB § 651 a Abs. 2
BGB § 651 k
BGB § 651 k Abs. 3 Satz 4
BGB § 651 k Abs. 4 Satz 1
BGB § 651 k Abs. 4 Satz 2
BGB § 651 k Abs. 4 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

X ZR 128/04

vom 13. Dezember 2005

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter Asendorf einstimmig

beschlossen:

Tenor:

Die Sache wird an den III. Zivilsenat abgegeben.

Gründe:

I. Die Klägerin klagt gegen ein Reisebüro auf Schadensersatz, weil es sie bei der Vermittlung einer Pauschalreise nach Bulgarien nicht darauf aufmerksam machte, dass für die Einreise ein Reisepass erforderlich war.

Die Sache ist als Rechtsstreit über einen Reisevertrag dem X. Zivilsenat zugeteilt worden (GVP X Nr. 11). Dieser hat mit der Begründung, dass zwischen der Klägerin und dem Reisebüro kein Reisevertrag bestanden habe, wohl aber eine Parallele zur Anlagenvermittlung gegeben sei, die unter das dem III. Zivilsenat zugewiesene Auftragsrecht falle (GVP III Nr. 7), den III. Zivilsenat um Übernahme gebeten, der jedoch die Übernahme abgelehnt hat.

II. Nach eingehender Befassung mit der Ansicht des III. Zivilsenats hält der X. Zivilsenat an seiner Auffassung fest und gibt die Sache daher gemäß GVP VI 1 a an den III. Zivilsenat ab.

1. Der X. Zivilsenat ist nach dem Geschäftsverteilungsplan nur "für Rechtsstreitigkeiten über Reiseverträge" zuständig. Reiseverträge regeln die Rechtsbeziehungen zwischen einem Reiseveranstalter und dem Reisenden, wobei Veranstalter eine Person ist, die die Reise verantwortlich organisiert und anbietet (Palandt/Sprau, BGB, 65. Aufl., vor § 651 a Rdn. 3). Die eventuelle Vertragsbeziehung zwischen einem Reisebüro, das die Reisen eines Veranstalters lediglich vermittelt, und einem Reisekunden ist daher kein Reisevertrag (Palandt/Sprau, aaO Rdn. 4). Dies sieht auch der III. Zivilsenat nicht anders.

2. Der III. Zivilsenat beruft sich darauf, dass die das Reisevertragsrecht regelnden Vorschriften der §§ 651 a ff. BGB "zum Teil auch dann eingreifen, wenn das Reisebüro als Reisevermittler auftritt (vgl. § 651 a Abs. 2, § 651 k Abs. 3 und 4 BGB)". Daraus ergibt sich indes keine grundsätzliche Zuständigkeit des X. Zivilsenats für die Rechtsbeziehungen zwischen Reisebüros und Reisekunden.

a) In diesem Zusammenhang muss der vom III. Zivilsenat herangezogene § 651 a Abs. 2 BGB von vornherein außer Betracht bleiben, da er nicht das Verhältnis zwischen Reisevermittler und Reisekunden betrifft. Nach dieser Vorschrift bleibt die Erklärung, nur Vermittler zu sein, unberücksichtigt, wenn der Anschein der Leistungserbringung in eigener Verantwortung begründet wird. Es geht also um den Fall, dass jemand als Reiseveranstalter auftritt und damit aus der Sicht des Kunden, die entscheidend ist (Palandt/Sprau, § 651 a Rdn. 4), Reiseveranstalter ist, sich aber gleichwohl, nämlich durch eine abweichende Erklärung, der Haftung des Reiseveranstalters entziehen will. Diese Möglichkeit wird ihm versagt. Dabei handelt es sich nur um eine ausdrückliche Niederlegung des Ergebnisses, zu dem schon eine Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB führen würde (Palandt/Sprau, § 651 a Rdn. 8). Es geht bei dieser Vorschrift also um einen Reisevertrag zwischen Veranstalter und Kunden, nicht hingegen um das Rechtsverhältnis zwischen dem vermittelnden Reisebüro und dem Reisekunden.

b) Anders liegt es allerdings zum Teil bei dem vom III. Zivilsenat weiter herangezogenen § 651 k BGB. Diese Vorschrift betrifft zwar in erster Linie die Sicherungspflicht des Reiseveranstalters für den Fall der Insolvenz. Abs. 3 Satz 4 besagt dann aber, dass der Reisevermittler dem Reisenden gegenüber verpflichtet ist, den Sicherungsschein auf seine Gültigkeit hin zu überprüfen. Hier wird in der Tat eine Prüfungspflicht des Reisevermittlers gegenüber dem Reisekunden statuiert, bei deren Verletzung auch ein Schadensersatzanspruch des Reisenden besteht. Ebenso liegt es bei § 651 k Abs. 4 Satz 1 BGB, wonach Reiseveranstalter und Reisevermittler Zahlungen des Reisenden nur fordern und annehmen dürfen, wenn dem Reisenden ein Sicherungsschein übergeben wurde. Die vom III. Zivilsenat weiter erwähnte Regelung des § 651 k Abs. 4 Satz 2 und 3 BGB, wonach ein Reisevermittler unter Umständen als vom Reiseveranstalter zur Annahme von Zahlungen ermächtigt gilt, betrifft hingegen wiederum nur das Verhältnis zwischen den Reisekunden und dem Reiseveranstalter, der die Zahlung an den Vermittler als Erfüllung gelten lassen muss.

Aus den zwei isolierten, punktuellen, nur im Zusammenhang mit dem Sicherungsschein ergangenen Regelungen in § 651 k Abs. 3 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 BGB, dass der Reisevermittler dem Reisekunden zur Prüfung des Sicherungsscheins und zur Übergabe des Sicherungsscheins vor Zahlungsannahme verpflichtet ist, lässt sich aber keinesfalls herleiten, dass das ganze Rechtsverhältnis zwischen Reisevermittler und Reisendem unter das Reisevertragsrecht der §§ 651 a ff. BGB fallen soll. Denn diese Vorschriften geben für alle anderen Rechtsfragen des Verhältnisses zwischen Reisebüro und Reisekunden nichts her. Sie besagen z.B. auch nichts über die im vorliegenden Fall im Streit befindliche Aufklärungspflicht des Reisebüros über die Einreisevorschriften.

3. Der X. Zivilsenat hat auch früher nicht seine Zuständigkeit für das Verhältnis zwischen Reisevermittler und Reisekunden angenommen. Aus den vom III. Zivilsenat erwähnten beiden Entscheidungen des X. Zivilsenats ergibt sich nichts dergleichen.

a) In BGHZ 156, 220, 225 ging es um einen Reisevertrag, d.h. um das Verhältnis zwischen Reiseveranstalter und Reisekunden. Der Reiseveranstalter hatte lediglich - erfolglos - versucht, sich als bloßer Vermittler darzustellen.

b) Im Urteil vom 10. Dezember 2002 (X ZR 193/99, NJW 2003, 743) ergab sich die Anspruchsgrundlage nicht aus Rechtsbeziehungen zwischen Reisevermittler und Reisekunden. Anspruchsgrundlage war vielmehr der Handelsvertretervertrag zwischen einem Reiseveranstalter und einem Reisevermittler. Bei der Prüfung, ob dem Reiseveranstalter der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen den Reisevermittler zustand, kam es lediglich als Vorfrage darauf an, ob das beklagte Reisebüro aufgrund eines Treuhandverhältnisses zu den Reisenden berechtigt war, wegen der Insolvenz des Reiseveranstalters Rückzahlungen an die Kunden vorzunehmen. Bei dieser Vorfrage handelte es sich nicht um den Schwerpunkt des Falls. Der Senat verneinte sie, ohne zu entscheiden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen zwischen einem Reisebüro und einem Reisekunden ein Reisevermittlungsvertrag zustande kommt. Für die rechtliche Einordnung des etwaigen Reisevermittlungsvertrages zog der Senat übrigens schon damals einen Auftrag oder einen Geschäftsbesorgungsvertrag in Betracht, die beide in die Zuständigkeit des III. Zivilsenats fallen würden. Der Schwerpunkt des Falls lag vielmehr in der Auseinandersetzung mit Funktion und Konsequenzen des Sicherungsscheins. Im vorliegenden Fall spielt der Sicherungsschein hingegen keine Rolle.

Nur am Rande sei erwähnt, dass dieser im Reisevertragsrecht gelegene Schwerpunkt des Sicherungsscheins es rechtfertigte, dass der X. Zivilsenat damals über einen Anspruch aus dem Handelsvertretervertrag zwischen Reiseveranstalter und Reisebüro entschied. Ein solcher Anspruch fällt grundsätzlich in die Zuständigkeit des für das Handelsvertreterrecht zuständigen VIII. Zivilsenats. Der X. Zivilsenat hat denn auch im Jahre 2005 in einem Fall, wo ein Reisebüro Schadensersatz von einem Reiseveranstalter verlangte, den VIII. Zivilsenat um Übernahme gebeten (X ZR 171/04). Dieser Bitte ist der VIII. Zivilsenat ohne weiteres nachgekommen.

Ende der Entscheidung

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