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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 04.05.1999
Aktenzeichen: X ZR 131/96
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 286
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

X ZR 131/96

Verkündet am: 4. Mai 1999

Wermes Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Scharen und Keukenschrijver

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München in Augsburg vom 29. Juli 1996 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerklage in Höhe von 25.098,75 DM abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangte von der Beklagten die restliche Vergütung aus einem Agenturvertrag, durch den sie sich zur Unterstützung der Beklagten bei der Vorbereitung und Durchführung einer Reise für Geschäftspartner nach Kanada verpflichtet hatte. Gegen diesen dem Grunde und der Höhe nach bestrittenen Anspruch hatte die Beklagte mit einem Aufwendungsersatzanspruch aufgerechnet und wegen des darüber hinausgehenden Betrages von 39.163,25 DM Widerklage erhoben. Die Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin habe ihre Pflichten aus dem Agenturvertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt. Ihr seien deshalb im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Reise Aufwendungen entstanden, die die Klägerin als Schadensersatz wegen Vertragsverletzung bzw. aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zu tragen habe. Außerdem sei die Klägerin nach § 2.4 des Agenturvertrages verpflichtet, alle Einsparungen, die Leistungsträger auf Preise gewähren, in voller Höhe weiterzugeben. Die Klägerin habe deshalb 25.098,75 DM an sie zu zahlen; denn die Klägerin habe auf die Flugkosten 4,5 % Provision von der Firma M.-Reisen ... erhalten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten und die erhobene Widerklage hatten keinen Erfolg. Mit der Revision hat die Beklagte die Klageabweisung und die Verurteilung der Klägerin auf die Widerklage erstrebt.

Der Senat hat durch Beschluß vom 20. Januar 1998 die Revision der Beklagten nur hinsichtlich eines Teilbetrages der Widerklage in Höhe von 25.098,75 DM angenommen; im übrigen hat er die Revision nicht angenommen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Revision der Beklagten ist die Klägerin nicht erschienen.

Die Beklagte beantragt nunmehr,

im Wege des Versäumnisurteils das angefochtene Urteil im Umfang der Annahme aufzuheben und auf die Widerklage der Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 25.098,75 DM zu zahlen.

Entscheidungsgründe:

Über die Revision ist, da die Revisionsbeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund einer Sachprüfung wie nach einer streitigen Verhandlung zu entscheiden (BGHZ 37, 79, 81 f.).

Die Revision der Beklagten hat, soweit sie noch anhängig ist, Erfolg. In diesem Umfang führt sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Beklagten gegen die Klägerin auf Zahlung von 25.098,75 DM verneint. Es hat dies damit begründet, die Klägerin habe zwar nach § 2.4 des Agenturvertrages jede Einsparung bei den Preisen der Leistungsträger in voller Höhe an die Beklagte weiterzugeben. Die Klägerin habe auch von der Firma M.-Reisen ... einen Bruttobetrag von 24.500,-- DM erhalten. Dabei handele es sich um die Hälfte der Provision, die das Reisebüro von der L. AG für den Verkauf der Flugtickets an die Beklagte zur Durchführung der von der Beklagten veranstalteten Gruppenreise nach Kanada bekommen und vereinbarungsgemäß an die Klägerin gezahlt habe. Dabei handele es sich nicht um Einsparungen bei den Preisen der Leistungsträger, weil die M.-Reisen nicht als Leistungsträger tätig geworden sei. Grundlage der Zahlung sei allein der Kooperationsvertrag zwischen der Klägerin und der M.-Reisen.

2. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand.

a) Ob die Annahme des Berufungsgerichts, ein Anspruch auf Zahlung der Provision bestehe nicht, zutreffend ist, hängt vom Inhalt der von der Klägerin im Rahmen des Agenturvertrages geschuldeten Leistung ab. Dieser ist im Wege der tatrichterlichen Auslegung der übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien festzustellen. Die revisionsrechtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Tatrichter dabei gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat oder ob seine Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht, indem er etwa unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften wesentliches Auslegungsmaterial außer acht gelassen hat (st. Rspr., etwa BGH, Urt. v. 11.3.1996 - II ZR 26/95, NJW-RR 1996, 932; Sen.Urt. v. 25.2.1992 - X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, 1968).

b) Mit Recht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe bei der Auslegung des Agenturvertrages wesentlichen Prozeßstoff nicht berücksichtigt und deshalb einen Anspruch der Beklagten auf die Provision verneint (§ 286 ZPO). Die Begründung des Urteils läßt nicht erkennen, daß das Berufungsgericht den Prozeßstoff umfassend gewürdigt und den Vertrag der Parteien interessengerecht ausgelegt hat. Sollte - wovon das Berufungsgericht ausgeht - durch § 2.4 des Agenturvertrages sichergestellt werden, daß die Beklagte nur die Preise zu bezahlen hatte, die ein Leistungsträger auch tatsächlich erhält, so hätte es nahegelegen, sämtliche Kosteneinsparungen weiterzugeben, um die Reisekosten der Beklagten möglichst günstig zu gestalten. Aus wirtschaftlicher Sicht wären als Einsparungen im Sinne des Agenturvertrages auch Provisionen der Leistungsträger an die Klägerin anzusehen, die tatsächlich zu einer Verringerung des Leistungsentgeltes führten.

Daß die Klägerin selbst dies so gesehen hat, könnte zum einen aus dem Umstand folgen, daß sie den Agenturvertrag mit der Beklagten am 22. Oktober 1993 geschlossen hat, nachdem sie zuvor durch den Kooperationsvertrag mit der M.-Reisen am 11. Oktober 1993 die Weitergabe der Provision der L. AG vereinbart hatte, und damit sich in Kenntnis tatsächlicher Einsparungen zu deren Weitergabe an die Beklagte verpflichtete. Zum anderen könnte für diese Auslegung des § 2.4 des Agenturvertrages auch das bisherige Beweisergebnis sprechen. Nach der Aussage des Zeugen R. stand nämlich die Firma M.-Reisen, ein dem Franchise der L. AG angeschlossenes Unternehmen, mit der Klägerin in ständiger Geschäftsverbindung. Da die L. AG ihre Flugtickets ausschließlich über solche Franchise-Unternehmen gegen Provision vertreibt, könnte dieses Vertriebssystem für den Kunden als Einheit anzusehen sein, so daß die L. AG Leistungsträger im Sinne des Agenturvertrages wäre. Die zwischen Firma M.-Reisen und der Klägerin vereinbarte Provisionszahlung könnte sich daher wirtschaftlich als ein Rabatt auf die bezahlten Flugtickets darstellen. Die Klägerin hätte damit die Flugscheine zu einem günstigeren Preis erhalten als die der Beklagten berechneten Netto-Preise dies ausweisen. Da nach dem Verständnis des Berufungsgerichts die Beklagte gemäß § 2.4 des Agenturvertrages nur die Preise bezahlen sollte, die der Leistungsträger tatsächlich erhält, könnte bei Würdigung dieser Umstände die Vereinbarung der Parteien dahin zu verstehen sein, daß alle Einsparungen, auch die durch Verhandlungen mit den Leistungsträgern vereinbarten Provisionen, weiterzugeben waren.

Von diesem Verständnis des Vertrages scheint die Klägerin im übrigen auch in ihrem Prozeßvortrag ausgegangen zu sein. Sie hat nämlich in ihrem Schriftsatz vom 16. Februar 1997 (S. 7) vortragen lassen, die von der L. AG gezahlten Provisionen seien bereits in die Flugtickets einkalkuliert. Dies entspricht ihrem Schreiben vom 11. Oktober 1993, in dem sie unter "Vergütung" neben den Brutto- und Netto-Preisen auch die Provisionszahlungen aufführt, und dem Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 10. Oktober 1995, in dem diese bestreiten, von der L. AG oder einem anderen Leistungsträger eine Provision oder einen Vorteil erhalten zu haben. Daß die Klägerin die Provisionszahlung nachträglich zu verschleiern suchte, indem sie von der Firma M.-Reisen Stillschweigen über die Auszahlungszusage verlangte, wie sich aus deren Schreiben vom 21. Oktober 1993 ergibt, könnte unterstreichen, daß sie von einer Zahlungspflicht aus § 2.4 des Agenturvertrages ausging.

3. Da der Rechtsstreit - soweit noch anhängig - nicht zur Entscheidung reif ist, ist das angefochtene Urteil im Umfang der mit der Widerklage geltend gemachten Provisionsforderung aufzuheben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden hat. Das Berufungsgericht wird bei seiner Auslegung des § 2.4 des Agenturvertrages den vorgetragenen Sachverhalt, das Ergebnis der Beweisaufnahme, die vorgelegten Urkunden und auch das Verhalten der Kläger vor und während des Prozesses erneut umfassend zu würdigen haben. Dabei wird auch zu erwägen sein, ob die Provisionsabrede als unzulässige Umgehung des Agenturvertrages der Parteien angesehen werden könnte.

Ende der Entscheidung

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