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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 11.04.2006
Aktenzeichen: X ZR 139/03
Rechtsgebiete: PatG, ZPO


Vorschriften:

PatG § 8
ZPO § 308 Abs. 1 Satz 1
Der Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung stellt gegenüber dem Übertragungsanspruch des Alleinerfinders gegen den Patentinhaber ein Minus dar; er ist in dem Verlangen nach voller Übertragung des Rechts von vornherein mit enthalten.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 139/03

Verkündet am: 11. April 2006

Schneidbrennerstromdüse

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. April 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, Prof. Dr. Meier-Beck und Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das am 12. August 2003 verkündete Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht einen Übertragungsanspruch an dem der Beklagten erteilten deutschen Patent 197 37 934 geltend, das am 30. August 1997 angemeldet worden ist und eine "Stromdüse für Schweiß- und Schneidbrenner" und insbesondere deren Herstellung mittels eines Tiefbohrverfahrens betrifft, durch das die Düse aus stabförmigem Vollmaterial gebohrt wird.

Der Kläger war 1996 und 1997 beratend für die Beklagte tätig und bearbeitete für diese das Projekt "Substitution von Herstellmaterialien und deren Lieferanten für Stromdüsen und Spannhülsen". Vor der Patentanmeldung legte er der Beklagten zwei Berichte vor, in denen er auf Tiefbohrzerspanungsmethoden hinwies. Bei einer Besprechung kurz vor der Patentanmeldung beim Patentanwalt der Beklagten erhob er gegen die Nennung des Maschinenbauingenieurs S. als Alleinerfinder keine Einwände, teilte jedoch alsbald mit, er sei der Auffassung, dass die Anwendung des Tiefbohrverfahrens auf seine Tätigkeit zurückzuführen sei. Weiter hat er behauptet, er habe einen Mitarbeiter der Beklagten schon 1995 auf die Anwendung bestimmter Tiefbohrtechniken hingewiesen und diesen Vorschlag bei einer Vorsprache im August 1996 wiederholt. Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, S. habe das kostengünstige Bohren des Materials schon früher ins Gespräch gebracht, worauf in der Schweiz allerdings nicht zufriedenstellend verlaufene Versuche mit diesem Verfahren durchgeführt worden seien.

Das Landgericht hat die auf Übertragung des deutschen Patents 197 37 934 gerichtete Klage abgewiesen, weil der Kläger den Nachweis nicht erbracht habe, dass das Patent auf seine erfinderische Leistung zurückzuführen sei. Im Berufungsverfahren ist der Kläger durch das Gericht darauf hingewiesen worden, dass eine gemeinschaftliche Erfindung unter seiner Beteiligung vorliegen könne. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger daraufhin erstmals auch den vorher nicht angekündigten Hilfsantrag gestellt, die Beklagte zu verurteilen, ihm den festzustellenden Miterfinderanteil zu übertragen und in seine Eintragung als Mitinhaber und Miterfinder in die Patentrolle einzuwilligen. Die Berufung des Klägers ist - auch mit dem Hilfsantrag - ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision beantragt der Kläger, unter Aufhebung des Berufungsurteils nach seinen Schlussanträgen in der Berufungsinstanz zu erkennen, hilfsweise, die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.

I.

Das Berufungsgericht hat eine Alleinerfinderschaft des Klägers verneint. Dabei könne zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er den Begriff des Tiefbohrens in die Diskussion eingeführt habe. Dies sei aber nur ein Teilschritt auf dem Weg zur Problemlösung und setze den Kläger nicht in die Position des Alleinerfinders. Dahingestellt könne bleiben, ob S. ein Miterfinderanteil zukomme, weil er als möglichen Beitrag zur Problemlösung das Bohren mit hohen Geschwindigkeiten gesehen habe, sowie, ob weiteren Beteiligten ein Miterfinderanteil zukomme. In dem Hauptantrag sei die Übertragung eines Miterfinderanteils nicht als Minus enthalten; eine entsprechende Verurteilung sei daher nicht als Minus von Amts wegen zu prüfen gewesen. Zwar könne der an der Erfindung Beteiligte die Einräumung einer Mitberechtigung verlangen, dieser Anspruch unterscheide sich jedoch hinsichtlich seiner Voraussetzungen und Rechtsfolgen von dem des Alleinerfinders. Während der Alleinerfinder darlegen müsse, dass er alle zur Erfindung führenden Schritte getan habe, die zur Erteilung des Patents geführt hätten, müssten Miterfinder begründen, warum und zu welchem Anteil das Patent auf ihrem schöpferischen Anteil beruhe. Hinsichtlich der Rechtsfolgen ergebe sich der Unterschied aus der gemeinschaftlichen Verbundenheit der Miterfinder.

Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Sen.Urt. v. 17.10.2000 - X ZR 223/98, GRUR 2001, 226 = BGH-Rep. 2001, 86 - Rollenantriebseinheit) ergebe sich nichts anderes, auch wenn dort ausgeführt werde, dass der Anspruch auf Miterfindervergütung in dem geltend gemachten Anspruch auf Alleinerfindervergütung enthalten sei. Diese Ansprüche seien auf Zahlung einer Vergütung gerichtet, und der Vergütungsanspruch des Miterfinders stelle ein Minus gegenüber dem Vergütungsanspruch des Alleinerfinders dar.

Aus dem Verhalten des Klägers im Verfahren ergebe sich zudem, dass in dem auf Herausgabe gerichteten Petitum die Übertragung des Miterfinderanteils als Minus nicht enthalten sein könne.

Mit dem Hilfsantrag sei die Klage unzulässig, denn in seinem Nachschieben liege eine Klageänderung, der die Beklagte nicht zugestimmt habe und die nicht sachdienlich sei.

II.

Dies hält den Angriffen der Revision des Klägers nicht stand. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht verneint, dass das Begehren auf Einräumung einer Mitberechtigung in dem Begehren auf Übertragung des Patents als Minus enthalten war.

Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist das Gericht nicht befugt, der Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Mit seinem Hauptantrag begehrte der Kläger, das der Beklagten erteilte deutsche Patent 197 37 934 auf ihn zu übertragen. Dieser Anspruch steht dem Berechtigten (sowie dessen Rechtsnachfolger) gegen den Patentinhaber zu, wenn diesem bereits ein Patent erteilt worden ist (§ 8 Satz 2 PatG) und er nicht der Erfinder ist (insoweit weiterhin zutreffend BGHZ 82, 13, 16 - pneumatische Einrichtung, zu § 5 PatG 1961). War der Kläger aber, was die Vorinstanzen nicht abschließend geklärt haben und wovon zugunsten des Klägers im Revisionsverfahren auszugehen ist, Miterfinder, so kam zu seinen Gunsten materiellrechtlich ein Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung in Betracht (BGHZ 73, 337, 342 f. - Biedermeiermanschetten; vgl. Benkard/Bruchhausen, PatG, 9. Aufl. 1993, § 6 Rdn. 34; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl. 2003, § 8 Rdn. 24). Dieser Anspruch stellt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein Minus gegenüber dem Übertragungsanspruch dar und war von vornherein in diesem enthalten.

Der Senat hat bereits für die Klage auf Zahlung der Erfindervergütung entschieden, dass der Anspruch auf Miterfindervergütung von dem geltendgemachten Anspruch auf Vergütung als Alleinerfinder grundsätzlich miterfasst wird (Sen.Urt. v. 17.10.2000 - X ZR 223/98, GRUR 2001, 226 = BGH-Rep. 2001, 86 - Rollenantriebseinheit). Im Ergebnis nicht anders verhält es sich mit dem Übertragungsanspruch im Verhältnis zum Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung. Das ist nicht nur - wie die Revision mit gutem Grund annimmt - eine Frage der Prozessökonomie, sondern folgt auch aus dem Umfang des geltend gemachten Übertragungsanspruchs. Dieser unterscheidet sich in seiner Zielrichtung allerdings von dem Anspruch, der auf Zahlung einer Erfindervergütung - sei es als Miterfinder oder als Alleinerfinder - gerichtet ist. Jedoch hat der Senat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung zwischen dem Anspruch auf Übertragung und dem Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung einen substantiellen Unterschied nicht gesehen; er ist in beiden Fällen vielmehr von einem jedenfalls gleichartigen Anspruch (sog. "patentrechtliche Vindikation", krit. zu dieser Konstruktion Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl. (2004), S. 364 ff.) ausgegangen. Die Abgrenzung zwischen diesen Ansprüchen hat der Senat letztlich in Elementen gesehen, die einer wertenden Betrachtung unterliegen (Sen.Urt. v. 17.01.1995 - X ZR 130/93, Mitt. 1996, 16, 18 = NJW-RR 1995, 696 - gummielastische Masse I). Schon das spricht deutlich für die Annahme, dass das Verlangen nach Einräumung einer Mitberechtigung im Verlangen nach voller Übertragung des Rechts als Minus enthalten ist. Hierfür spricht weiter, dass sich eine Mitberechtigung schon bei unbefangener Betrachtung als Minus zur Alleinberechtigung darstellt (vgl. auch Kraßer aaO. S. 363, der insbesondere darauf hinweist, dass deren Einräumung in der gleichen Weise vorzunehmen ist wie die Vollübertragung).

Gegen dieses Ergebnis spricht nicht entscheidend, dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die teilweise Entziehung (Beschränkung) der Geschäftsführerbefugnis eines Gesellschafters einer Handelsgesellschaft nicht als Minus zu deren vollständiger Entziehung angesehen worden ist (BGH, Urt. v. 10.12.2001 - II ZR 139/00, BGH-Rep. 2002, 376 = MDR 2002, 467). Denn dort geht es anders als bei der Frage der Übertragung oder Einräumung einer Mitberechtigung um eine Umgestaltung des Gesellschaftsvertrags in anderer Weise als beantragt, die dem Gesellschafter nicht gegen seinen Antrag aufgedrängt werden darf, während im vorliegenden Fall die Begründung eines Gemeinschaftsverhältnisses nur Folge des Umfangs des Übertragungsanspruchs ist und sich die Gestaltung dieses Verhältnisses lediglich als Reflex aus dem möglicherweise bestehenden Anspruch ergibt.

Darauf, wie sich der Kläger in den Vorinstanzen verhalten hat, kommt es auf dieser Grundlage nicht an. Zudem hat der Kläger seine Position jedenfalls vor Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz geändert. Auch die weitere Frage, ob das Berufungsgericht eine in dem Hilfsantrag liegende Klageänderung mangels Sachdienlichkeit zurückweisen durfte, stellt sich nicht, weil der Antrag auf Einräumung einer Mitberechtigung bereits als Minus im Hauptantrag enthalten war.

III.

Da das Berufungsgericht die erfinderrechtliche Stellung des Klägers nicht abschließend geprüft hat und die bisher getroffenen Feststellungen für ihre Beantwortung keine ausreichende Grundlagen bilden, ist dem Senat eine Entscheidung in der Sache verwehrt. Das Berufungsgericht wird Gelegenheit haben, sich mit dem wechselseitigen Vorbringen der Parteien, der Kläger sei Alleinerfinder oder aber nicht einmal Miterfinder, weil er keinen schöpferischen Beitrag zu der Erfindung geleistet habe (Sen.Urt. v. 16.9.2003 - X ZR 142/01, GRUR 2004, 50 - Verkranzungsverfahren), erneut auseinanderzusetzen. Dabei wird es insbesondere darauf ankommen können, wer den Gedanken des Tiefbohrens beigetragen hat. Weiter wird sich das Berufungsgericht mit dem Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung über die Revision auseinanderzusetzen haben, dass der Kläger zur Übertragung der Erfindung auf die Beklagte verpflichtet sei oder diese bereits auf die Beklagte übertragen habe. Dabei wird es allerdings zu beachten haben, dass ein (Mit-)Erfinder sein Recht in der Regel nicht ohne angemessenen Ausgleich hergeben wird und dass es deshalb darauf ankommen könnte, ob ihm für eine solche Übertragung eine angemessene Gegenleistung in Geld gezahlt werden sollte (vgl. Sen.Urt. v. 21.12.2005 - X ZR 165/04, Mitt. 2006, 169, 170 f. - Zylinderrohr m.w.N.).



Ende der Entscheidung

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