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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.04.2004
Aktenzeichen: X ZR 155/00
Rechtsgebiete: PatG


Vorschriften:

PatG § 111 Abs. 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 155/00

Verkündet am: 6. April 2004

in der Patentnichtigkeitssache

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens sowie den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung gegen das am 25. Mai 2000 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 38 32 438 (Streitpatents), das auf einer Anmeldung vom 23. September 1988 beruht und dessen Erteilung am 5. Oktober 1989 veröffentlicht worden ist. Patentanspruch 1 des vier Patentansprüche umfassenden Streitpatents hat folgenden Wortlaut:

"Aus elastischem Textilmaterial bestehende Bandage, z.B. Strumpf, die mit einem Polster versehen ist, das von einem Überzug aus gleichem oder ähnlichem Textilmaterial abgedeckt und mittels über das Polster überstehender Ränder an dem Textilmaterial der Bandage befestigt ist,

dadurch gekennzeichnet, daß der Überzug (3) auf seiner dem Polster (2) zugewandten Seite mit einer elastischen, thermoplastischen Kunststoffbeschichtung (6) versehen ist, die im Bereich der Ränder (4, 5) durch Erhitzung mit dem Textilmaterial (1) der Bandage verklebt ist und deren Erweichungstemperatur unter derjenigen der Textilmaterialien liegt."

Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht neu, jedenfalls beruhe er nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie beantragt,

die Nichtigkeitsklage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin tritt diesem Begehren entgegen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Univ.-Prof. Dr.-Ing. B. W. , das der Gutachter in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat gutachterliche Stellungnahmen des Prof. Dr. R. K. und des Beratenden Ingenieurs für HF-Schweißtechnik G. F. A. zu den Gerichtsakten gereicht.

Entscheidungsgründe:

I. Die rechtzeitig eingelegte und begründete Berufung ist zulässig, obwohl die Beklagte innerhalb der Berufungsbegründungsfrist einen förmlichen Berufungsantrag nicht zu den Akten gereicht hat.

Allerdings muß nach § 111 Abs. 3 Nr. 1 PatG in Patentnichtigkeitsverfahren die Berufungsbegründung die Berufungsanträge enthalten (so schon Entschließung des Senats v. 08.01.1991, GRUR 1991, 448 - Elektronenerzeugung - für die Berufungsschrift). Diesem Erfordernis ist jedoch bereits dann genügt, wenn sich aus der Berufungsbegründung - gegebenenfalls in Verbindung mit innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eingereichten weiteren Schriftsätzen und in Verbindung mit dabei zulässigerweise in Bezug genommenen Unterlagen - eindeutig ergibt, inwieweit das Urteil des Bundespatentgerichts angefochten werden soll und welche Änderungen vorgenommen werden sollen (vgl. Senat, aaO; Urt. v. 05.06.1997 - X ZR 73/96; Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Bd. I, 571). Ein solch eindeutiges Begehren ist im Streitfall der Berufungsbegründung zu entnehmen. Diese läßt keine Zweifel, daß die Berufung mit dem dann im Termin zur mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich formulierten, oben wiedergegebenen Antrag eingelegt sein sollte.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Das Streitpatent betrifft eine Bandage, die aus einem elastischen Textilmaterial besteht und mit einem Polster versehen ist, das mittels eines ebenfalls aus einem elastischen Textilmaterial bestehenden Überzugs an dem ersten Textilmaterial (Grundmaterial) befestigt ist. Die Streitpatentschrift schildert als übliche Befestigung, überstehende Ränder des Überzugs auf dem Grundmaterial festzunähen. Hieran soll unerwünscht sein, daß durch das Vernähen die Bandage in dem betreffenden Bereich an Elastizität verliert, selbst wenn man Stichmuster verwendet, von denen bekannt ist, daß sie einer Randnaht eine gewisse Elastizität erhalten. Aus der die Vorteile der Erfindung darstellenden Textstelle in Sp. 2 Z. 9 ff. der Beschreibung ist überdies zu entnehmen, daß das übliche Festnähen des Überzugs auch im Hinblick auf eine einfache und leicht zu automatisierende Herstellung des Produkts als nicht optimal angesehen wird. In der Streitpatentschrift wird ferner als bei Polsterung z.B. von Automobilsitzen bereits bekannte Methode erwähnt, einen Überzug, der mit einer Plastikschicht ausgestattet ist, mit dem Grundmaterial unter Anwendung von Hochfrequenz zu verschweißen. Diese Befestigungsmethode wird jedoch als für die Herstellung von gepolsterten Bandagen ungeeignet abgelehnt, weil sie im Bereich der Schweißnähte sogar eine ausgeprägte Elastizitätsminderung zur Folge habe.

Hiernach ergibt sich als der Erfindung zugrundeliegendes Problem, eine gepolsterte Bandage zur Verfügung zu stellen, die einfach und in leicht zu automatisierender Weise herzustellen ist und bei der die Elastizität des verwendeten Textilmaterials im Bereich der Befestigung des Überzugs an dem Grundmaterial möglichst wenig beeinflußt ist.

2. Die Merkmale des nach Patentanspruch 1 als Lösung vorgeschlagenen Gegenstands lassen sich wie folgt gliedern:

Bandage aus

1. einem elastischen Textilmaterial,

2. einem Polster,

3. einem Überzug, der

a) das Polster abdeckt,

b) über das Polster überstehende Ränder hat,

c) aus gleichem oder ähnlichem Textilmaterial (wie das Material zu 1.) besteht,

d) auf seiner dem Polster zugewandten Seite mit einer Kunststoffbeschichtung versehen ist,

a) die elastisch und thermoplastisch ist,

ß) deren Erweichungstemperatur unter derjenigen der Textilmaterialien liegt,

e) mittels der überstehenden Ränder an dem Textilmaterial (zu 1.) befestigt ist,

a) indem die Kunststoffbeschichtung (Merkmal 3 d a und ß) im Bereich der Ränder durch Erhitzung mit diesem Textilmaterial verklebt ist.

Durch den Verzicht auf Befestigungsnähte vermeidet dieser Vorschlag eine durch diese bedingte Beeinträchtigung der Elastizität der verwendeten Textilmaterialien. Soweit die Textilmaterialien selbst infolge ihrer bereichsweise gegebenen Doppellage die Elastizität der Bandage beeinflussen, besteht zu genähten Bandagen kein wesentlicher Unterschied, weil auch bei diesen mit bereichsweise doppelt liegendem Textilmaterial gearbeitet wird. Das Streitpatent macht nicht nur personalintensives und zeitaufwendiges manuelles Nähen, sondern auch Nähmaschinen überflüssig, die - was durch das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des Prof. Dr. K. bestätigt wird - in der Bedienung nicht einfach zu handhaben sind. Durch Nutzung des Klebens wird hingegen die Möglichkeit automatisierter Herstellung von gepolsterten Bandagen gefördert. Gegenüber den im Wege des Hochfrequenzschweißens für den Automobilbau hergestellten gepolsterten Körpern, die in der Streitpatentschrift noch erwähnt sind, besteht der Vorteil des patentgemäßen Vorschlags dabei darin, daß eine bereichsweise Verhärtung vermieden werden kann. Verantwortlich hierfür ist die geringe Erweichungstemperatur der elastischen Kunststoffbeschichtung, die eine Verklebung mittels Erhitzung erlaubt, ohne daß die Textilmaterialien selbst in einen Erweichungszustand versetzt werden. Das betreffende Merkmal bedeutet dem Fachmann deshalb auch, daß patentgemäß keine - so die Ausdrucksweise des gerichtlichen Sachverständigen - strukturelle Verbindung gewählt werden soll, wie sie nach den überzeugenden und von den Parteien insoweit unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des gerichtlichen Sachverständigen bei jeder Art von Schweißen typisch ist, weil hierbei ein deren Beschaffenheit verändernder Eingriff in die zu verbindenden Materialschichten erfolgt. Angesichts des Vorschlags, stattdessen auf das Kleben zu setzen, das zu einer - wie der gerichtliche Sachverständige sich insoweit ausgedrückt hat - adhäsiven Verbindung führt, droht so von der hierzu vorgesehenen zusätzlichen Kunststoffbeschichtung der Elastizität der verwendeten Textilmaterialien eine nachteilige Beeinträchtigung nicht, weil diese Schicht nach dem Streitpatent selbst elastisch ist.

3. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1 ist zwar neu, weil - was in der Berufungsinstanz auch von der Klägerin nicht mehr in Zweifel gezogen wird - keine Entgegenhaltung sämtliche Merkmale in Kombination aufweist; er beruht jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil die Entwicklung der vorgeschlagenen Bandage im Anmeldezeitpunkt im Können des Fachmanns lag.

a) Aus der Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Überzeugung gewonnen, daß die Fertigung und Entwicklung von Bandagen zum Arbeitsgebiet von Unternehmen gehört, die auf elastische Produkte wie Miederwaren, Binden usw. spezialisiert sind und für die Entwicklung neuer Produkte auf Textiltechniker oder Diplomingenieure mit einem Fachhochschulabschluß zurückgreifen, die sich die bei elastischen Produkten erforderlichen Spezialkenntnisse und -fähigkeiten durch langjährige entsprechende Berufstätigkeit erworben haben. Was den besonderen Pflichtenkatalog bei Bandagen betrifft, bestehen wegen des hier gegebenen orthopädischen Bezugs auch keine durchgreifenden Zweifel daran, daß dieser Personenkreis ferner gewohnt ist, sich, wenn es wie bei Bandagen ersichtlich darauf ankommen kann, auch das Wissen eines Orthopädiefachmanns, beispielsweise eines Facharztes für Orthopädie, zu erschließen und zu nutzen. Als maßgeblicher Fachmann kann deshalb im Streitfall eine Person angesehen werden, die auf profunde Kenntnisse sowohl der Orthopädie als auch der Textiltechnik zurückgreifen kann. Hierzu gehört insbesondere auch das Wissen um die am Anmeldetag bekannten Verfahren zum Fügen von elastischen Gewirken und Gestricken, weil solche Kenntnisse Textiltechniker bereits in ihrer Ausbildung in vollem Umfang erwerben. Hierauf hat der gerichtliche Sachverständige schon in seinem schriftlichen Gutachten ausdrücklich hingewiesen.

b) Angesichts der umfassenden Kenntnisse des Fachmanns, die auch das mit sachverständigen technischen Richtern besetzte Bundespatentgericht zugrunde gelegt hat, rechtfertigt sich die Überzeugung, daß die Entwicklung der patentgemäßen Bandage nahelag.

Nach der Darstellung in der Streitpatentschrift und den insoweit übereinstimmenden Angaben der Parteien war es zum Anmeldezeitpunkt Praxis, Bandagen nach Maßgabe der Merkmale 1, 2, 3 a, b, c herzustellen, bei denen die Befestigung (Merkmal 3 e) im Wege des Annähens der Ränder erfolgte. Aus fachlicher Sicht konnte und mußte das verbesserungswürdig erscheinen. Dabei kann dahinstehen, ob Elastizitätsmängel der genähten Bandage Grund hierfür boten. Wie aus Sp. 2 Z. 9 ff. der Streitpatentschrift hervorgeht, bestand jedenfalls ein Bedürfnis nach einfacherer Herstellung, als sie durch Nähen möglich war. Damit rückten andere Verbindungstechniken in den Blick des Fachmanns. Aufgrund seiner verfügbaren Kenntnisse auf dem Gebiet der Textiltechnik wußte der Fachmann, daß dies unter anderem thermische Fügetechniken waren, bei denen die zu verbindenden Textilien selbst, gegebenenfalls unter Verwendung in Form von Pasten, Pulver, Gasen aufgebrachter Hilfsstoffe, oder eine aus Klebstoff oder Thermoplast gebildete Verbundschicht mittels Hitze bereichsweise in geschmolzenen oder teigigen Zustand versetzt werden und hierdurch eine dauerhafte Verbindung geschaffen wird. Dies belegt die Dokumentation "Thermisches Trennen und Fügen von Textilien und Textilverbundstoffen" in Heft 20 der Zeitschrift "Bekleidungstechnik - Nähtechnik". Denn dort sind die thermischen Fügeprozesse nicht nur als relativ leicht automatisierbar bezeichnet (S. 23), sondern die insoweit möglichen Alternativen umfänglich behandelt. Dies gilt insbesondere auch für das thermische Kleben, bei dem - wie im Streitpatent vorgeschlagen - ein Mehrschichtenverbundsystem im Fügebereich geschaffen wird, dessen Verbundschicht ein Klebstoff oder Thermoplast bildet, der durch Erhitzen und anschließendes Abkühlen für die Verbindung sorgt (S. 21 links). Dabei wird auch darauf verwiesen, daß die thermischen Fügeprozesse einen bestimmten Anteil an thermoplastischen Fasern, also Kunststoff, voraussetzen (S. 18 links oben, S. 19 rechts oben) und dies auch beim Kleben gilt (S. 21 links). Die Möglichkeit, unter Nutzung einer Verbundschicht mittels Erhitzung zu verkleben, bedeutete für den Fachmann deshalb die Verwendung eines mit einer Kunststoffbeschichtung versehenen Textilmaterials (Merkmal 3 d).

Gerade das thermische Kleben unter Verwendung solcher Materialien mußte dem Fachmann als bei der Herstellung gepolsterter Bandagen in Betracht zu ziehende Alternative zum Nähen erscheinen. Denn das - wie auch die Streitpatentschrift in Sp. 1 Z. 23 ff. angibt - aus anderen Bereichen bekannte Schweißen führt wegen des strukturellen Eingriffs in die zu verbindenden Gewebe oder Gewirke zu deren Erstarrung im Fügebereich. Da dies dem Fachmann zum Anmeldezeitpunkt auf Grund seiner Ausbildung und Erfahrung bekannt war, hat deshalb auch der gerichtliche Sachverständige keine Zweifel gehabt, daß fachlicherseits Anlaß bestand, als Alternative für das Nähen gerade das Kleben ins Auge zu fassen. Die bereits erwähnte umfassende Dokumentation ist auch hierfür ein Beleg. Dem Kleben als solchem werden dort sowohl gegenüber dem Nähen als auch gegenüber dem Schweißen Vorteile zugeschrieben (S. 21 links). Außerdem heißt es auf S. 22, daß beim thermischen Kleben eine unübersehbare Menge an Klebechemikalien existiere, so daß im Prinzip für jedes Textil eine Verbindungsmöglichkeit bestehe. Der Senat entnimmt hieraus, daß der Nutzung des thermischen Verklebens der überstehenden Ränder mittels einer notwendigerweise zwischen dem Überzug und dem Grundmaterial befindlichen und auf einem der beiden Textilmaterialien aufgebrachten Kunststoffbeschichtung (Merkmal 3 d) anstelle des Vernähens aus fachlicher Sicht keine prinzipiellen Hinderungsgründe entgegenstanden. Das von der Beklagten vorgelegte Privatgutachten des Prof. Dr. K. bestätigt das. Danach hat sich das dort als teuer bezeichnete Nähen durchgesetzt, weil man mit dieser Methode die Flexibilität in der Fertigung erreichen kann, der man bei schnell wechselnden Moden bei vielen Varianten je Modell und kleinen Größen bedarf. Solche Notwendigkeiten bestehen bei Bandagen nicht. Eine sachliche Präferenz für genähte Erzeugnisse gab es hier deshalb nicht. Dem Fachmann stand vielmehr auch und gerade das in der bereits erwähnten Dokumentation als vorteilhaft herausgestellte thermische Kleben mittels einer zusätzlichen Kunststoffbeschichtung zur Verfügung.

Es mußte allerdings noch die - wie es auf S. 21 der Dokumentation auch heißt - genaue Auswahl des als Schicht aufgetragenen Klebers getroffen werden. Worauf hierbei zu achten war, gehörte aber - wenn es auf Grund der umfassenden Kenntnisse und Erfahrungen dem Fachmann nicht ohnehin bekannt war - jedenfalls zum zugänglichen Fachwissen, weil es aus der Dokumentation ebenfalls ersichtlich war. Denn sie erwähnt auf S. 22 als damals noch mögliche Probleme eine Versteifung, einen Kleberdurchschlag und die Langzeit- und Gebrauchsqualität. Da bei einer Bandage eine Versteifung ersichtlich nicht hingenommen werden kann, wußte der nach einer im Wege des Klebens herzustellenden Bandage strebende Fachmann daher, daß es bei der Suche nach einer als Kleber dienenden geeigneten Kunststoffbeschichtung vor allem auf deren Fähigkeit ankommt, ihrerseits eine Versteifung zu vermeiden, welche die Elastizität des verwendeten Textilmaterials beeinträchtigt. Damit war für diesen Einsatzzweck eine selbst elastische thermoplastische Kunststoffbeschichtung vorgegeben (Merkmal 3 d a). Um die in der Dokumentation genannten Vorteile des Klebens zu nutzen, war aber auch nahegelegt, dafür zu sorgen, daß es - wie es dort S. 21 heißt - zu einer thermischen Schädigung der Grundmaterialien nicht kommt. Eine dies gewährleistende und für einen Fachmann ohne weiteres erkennbare Vorgehensweise war eine entsprechende Begrenzung der Wärmezufuhr. Der gerichtliche Sachverständige hat dies prägnant dahin zusammengefaßt, für einen Fachmann, der sich für das Kleben entscheidet, sei es eine Zwangsläufigkeit gewesen, im niedrigeren Temperaturbereich zu arbeiten, eben weil es dabei um die Herstellung einer adhäsiven Verbindung gehe und mit ihr die sich beim Schweißen einstellende Versteifung zu vermeiden sei. Da die Wärmezufuhr für eine Erweichung der Kunststoffbeschichtung sorgen muß, damit diese als Kleber dienen kann, war dann aber auch nahegelegt, einen Kunststoff zu verwenden, dessen Erweichungstemperatur unter derjenigen der Textilmaterialien liegt (Merkmal 3 d ß).

Dem kann nicht entgegengehalten werden, ein solcher Kunststoff sei nicht verfügbar gewesen. Auch insoweit kann wieder auf die bereits erwähnte Dokumentation verwiesen werden. Denn sie benennt auf S. 22 links teilweise unter Angabe ihrer im Hinblick auf den Vorschlag des Streitpatents interessierenden Schmelzbereiche verschiedene Kunststoffe, die insoweit als geeignete Klebstoffe angesehen worden sind. Außerdem haben der gerichtliche Sachverständige und die Parteien übereinstimmend angegeben, daß aus Polyurethan, das mit Patentanspruch 2 auch als im Rahmen des Lösungsvorschlags nach dem Streitpatent liegendes Mittel beansprucht ist, eine solchermaßen beschaffene Kunststoffbeschichtung als Kleber hergestellt werden konnte. Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten ferner darauf hingewiesen, der Fachmann habe beispielsweise Polyurethan-Elastomer-Fäden bereits für die Herstellung von Stützstrümpfen und Bandagen verwendet; daher seien ihm die Eigenschaften dieses Werkstoffs, wie z.B. Erweichungstemperatur, Dehnbarkeit, elastisches Erholungsvermögen usw. vertraut gewesen. Außerdem lehrt die deutsche Offenlegungsschrift 23 42 149 die Verwendung bestimmter Polyurethane, die einen Schmelzbereich von 100 bis 120 °C haben und unter Erwärmung bis 170 °C bearbeitet werden sollen, was unstreitig weit unter der Schmelztemperatur beispielsweise von Gewebe liegt, das hauptsächlich aus Baumwolle besteht. Gleichwohl gelingt hiernach eine trennfeste Verbindung, wenn mit einer entsprechend erhitzten Bügelpresse kurzzeitig ausreichend Druck aufgebracht wird. Unter diesen Umständen mag der Zugang zu der patentgemäßen Lehre zwar wegen des in der Dokumentation erwähnten breiten Angebots von Kunststoffklebern nicht auf Anhieb möglich gewesen sein. Eine sachgerechte Auswahl war dem Fachmann jedenfalls aber auf Grund entsprechender Versuche möglich. Auch hieran lassen die überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung keine durchgreifenden Zweifel. Danach bilden Versuchsreihen die typische Vorgehensweise des nach Neuerungen suchenden Fachmanns, wenn - wie hier - praktikable Methoden wie einfache Abzugsversuche und -messungen zur Verfügung stehen. Da nichts dagegen spricht, daß die in der Dokumentation ferner angesprochenen Fragen nach Kleberdurchschlag und Langzeit- und Gebrauchsqualität durch im Fachkönnen liegende Versuche ebenfalls beantwortet werden konnten, ist ferner die Überzeugung gerechtfertigt, daß auch diese Gesichtspunkte den Fachmann nicht hinderten, den Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erörterten naheliegenden Weise aufzufinden.

c) An der Überzeugung des Senats vermag nichts zu ändern, daß die Beklagte als Anzeichen für eine erfinderische Tätigkeit angeführt hat, trotz der Aufwendigkeit des Annähens des Überzugs sei lange Jahre niemand auf das mit dem Streitpatent vorgeschlagene Verkleben bei gepolsterten Bandagen gekommen. Dabei kann dahinstehen, wann dieses Zeitmoment überhaupt eine verläßliche Aussage im Hinblick auf die Patentfähigkeit einer Lehre zum technischen Handeln erlaubt. Im Streitfall ist nämlich davon auszugehen, daß es hierfür bereits an jeder Grundlage fehlt, weil entgegen der Meinung der Beklagten insoweit nicht auf die deutsche Offenlegungsschrift 23 42 149 abgestellt werden kann, die bereits 1975 offengelegt wurde. Wie der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage bestätigt hat, gibt diese Schrift dem Fachmann in erster Linie Anregung, wie beschichtete Flächengewebe (Laminate) hergestellt werden können. Der alternative Einsatz des Klebens an Stelle des Nähens wird hingegen in den in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen erstmals in der bereits mehrfach erwähnten Dokumentation behandelt, die erst aus Oktober 1987 stammt. Anhaltspunkte, sich den Gegenstand des Patentanspruchs 1 zu erschließen, können deshalb erst für einen Zeitpunkt angenommen werden, der knapp ein Jahr vor der Patentanmeldung liegt.

Auch das Privatgutachten von Prof. Dr. K. stellt die Überzeugung des Senats nicht in Frage. Es argumentiert hauptsächlich damit, daß dem Bekleidungstechniker bekannt gewesen sei, beim Verkleben oder Verschweißen von Textilien eine Verhärtung der Verbindungsstellen hinnehmen zu müssen. Daß der Fachmann tatsächlich ausschließlich mit einer solchen Notwendigkeit rechnen mußte, kann den zu den Akten gereichten Unterlagen jedoch nicht entnommen werden. Das von Prof. Dr. K. in Bezug genommene Werk von G. F. A. über HF-Schweißtechnik besagt derartiges nicht. Nur bei Verwendung von harter (weichmacherfreier) Beschichtung wird dort von einer Versteifung von Webwaren gesprochen. Außerdem erwähnt die bereits mehrfach zitierte Dokumentation als Einsatzgebiet für das Ultraschweißen ausdrücklich auch Bandagen, bei denen für jeden ersichtlich eine Verhärtung der Verbindungsstellen nicht hingenommen werden kann. Auch das war Hinweis für den Fachmann, daß eine gebrauchstaugliche Bandage nicht nur mittels Nähens, sondern auch mit auf Hitze setzender Verbindungsmethode herstellbar war, wenn geeignete Kunststoffe und auf sie abgestimmte Wärme zum Einsatz kommen.

Das Privatgutachten von G. F. A. schließlich ist in dem hier interessierenden Zusammenhang unergiebig.

4. Aus den soeben erörterten Gründen können auch die Unteransprüche 2 bis 4 keinen Bestand haben. Die Feststellung des Bundespatentgerichts, daß auch ihnen eine erfinderische Tätigkeit nicht zugrunde liege, weil es sich um lediglich fachübliche Alternativen handele, hat die Berufung auch nicht gesondert beanstandet.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 ZPO, 121 Abs. 2 PatG.

Ende der Entscheidung

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