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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: X ZR 214/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 288
ZPO § 532
BGB § 254
BGB § 633 Abs. 1 a.F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 214/00

Verkündet am: 6. Juni 2002

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juni 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Prof. Dr. Jestaedt, die Richterin Mühlens und die Richter Dr. Meier-Beck und Asendorf

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11. Oktober 2000 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Landwirt und befaßt sich mit der Aufzucht und Mast von Puten. Er unterhält dazu zwei Stallkomplexe, in denen jeweils ein Stallcomputer im Falle einer Störung über ein an ein Telefon gekoppeltes Selbstwählgerät Alarm auslöst. Das Wählgerät, von dem der Kläger behauptet, daß es von der Beklagten geliefert und installiert worden sei, kann auf vier anzurufende Telefonnummern programmiert werden, die im Alarmfalle nacheinander angewählt werden. Meldet sich der angerufene Teilnehmer (persönlich oder durch einen Anrufbeantworter), wird der Ort der Störung mitgeteilt und das Gerät behandelt den Alarmruf als quittiert. Auf diese Weise werden die programmierten Telefonnummern nacheinander in mindestens zwei Durchgängen angerufen, bis je Anschluß zwei Quittierungen vorliegen oder mehrfache Anwahl eines Anschlusses nicht zu einer Entgegennahme des Alarmrufs geführt hat.

Am 4. Februar 1999 wurde die Alarmanlage von einem Mitarbeiter des Beklagten überprüft und repariert.

Am 15. April 1999 besprühte ein Mitarbeiter des Klägers die in einem der Ställe gehaltenen mehr als 8.000 Hennen mit einem Medikamentennebel. Er schloß hierzu die Lüftungsklappen dieses Stalles und vergaß, sie anschließend wieder zu öffnen. Durch den hierdurch verursachten Temperaturanstieg verendete der größte Teil der Tiere.

Das Selbstwählgerät war an diesem Tage auf folgende Telefonnummern programmiert:

Platz 0: nicht belegt Platz 1: 403 Platz 2: zweite Festnetznummer des Klägers ("ISDN-Nummer") Platz 3: Mobilfunknummer des Klägers.

Die Tochter des Klägers nahm unter der zweiten Festnetznummer einen Alarmruf entgegen, von dem sie den Kläger unterrichtete. Der Kläger reagierte hierauf jedoch nicht. Sein Mobiltelefon war an diesem Tag ausgeschaltet.

Der Kläger hat Ersatz eines Schadens von 93.359,31 DM begehrt, der ihm durch eine unzureichende Benachrichtigung von der eingetretenen Störung entstanden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt er den Klageantrag weiter; die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat festgestellt, die Beklagte habe bei den Reparaturarbeiten im Februar 1999 das Wählgerät fehlerhaft neu programmiert, indem ihr damit befaßter Mitarbeiter auf Platz 1 der im Alarmfall anzuwählenden Telefonnummern statt der Anschlußnummer des Klägers (430) den Anschluß eines Dritten (403) eingegeben habe. Das zweitinstanzliche Bestreiten dieser Tatsache durch die Beklagte sei unbeachtlich, da sie in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung zugestanden worden sei und die Voraussetzungen für einen Widerruf dieses Geständnisses nicht vorlägen. Das wird weder von der Revision noch von der Revisionsbeklagten angegriffen und läßt keinen Rechtsfehler erkennen (§§ 288, 532 ZPO).

Daraus ergibt sich, daß die Werkleistung, die die Beklagte zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Alarmanlage zu erbringen hatte, mangelhaft war (§ 633 Abs. 1 BGB a.F.).

II. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe gleichwohl für den vom Kläger geltend gemachten Schaden nicht einzustehen, da nicht festgestellt werden könne, daß die fehlerhafte Programmierung für diesen Schaden ursächlich geworden sei. Durch das vom Kläger vorgelegte Gutachten sei belegt, daß die Anlage ordnungsgemäß funktioniert habe. Daher müßten unter der zweiten Festnetznummer des Klägers ("auf dem ISDN-Anschluß") und unter der Mobiltelefonnummer des Klägers jeweils zwei Alarmrufe eingegangen sein. Wenn der Kläger das Mobiltelefon ausgeschaltet gehabt habe und von den zwei Anrufen unter der ISDN-Nummer nur einer wahrgenommen worden sei, könne das nicht der Beklagten angelastet werden. Durch den unter der ISDN-Nummer entgegengenommenen Anruf habe die Anlage ihre Warnfunktion auch erfüllt. Daß die Anlage bei jeder Anlaufstelle zwei Quittierungen vorsehe, diene zwar der Sicherheit des Klägers, könne aber nicht dazu führen, daß er sich bei einem eindeutigen Warnruf auf einen weiteren Anruf oder darauf verlasse, daß sich ein Mitarbeiter um das Problem kümmern werde. Auch wenn es, wie der Kläger behaupte, gelegentlich zu Fehlalarmen komme, liege es ausschließlich in seinem Risikobereich, wie er die Sachlage einschätze.

2. Die Revision beanstandet zu Recht, daß die Ursächlichkeit des Werkmangels für den eingetretenen Schaden mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden kann.

Der Kläger hat vorgetragen, daß sich in der Zeit vor dem Schadensereignis immer wieder gezeigt habe, daß eine ein- oder auch zweimalige telefonische Kontaktierung "keine tatsächliche Alarmmeldung beinhaltet" habe, da die Störung inzwischen behoben gewesen sei oder lediglich eine Fehlmeldung vorgelegen habe. Hingegen wäre er - wie auch sonst üblich - bei der Mehrfachmeldung einer Störung der Ursache des Alarmrufes nachgegangen (GA 119/120). Gegenteiliges hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Danach ist aber für das Revisionsverfahren davon auszugehen, daß der Kläger der Störungsmeldung nachgegangen wäre, wenn auch unter seiner ersten Festnetznummer zwei Alarmrufe eingegangen wären. Der Umstand, daß es infolge der Fehlprogrammierung diese beiden Alarmrufe nicht gegeben hat, ist somit (mit-) ursächlich dafür geworden, daß der Kläger eine Überprüfung unterlassen und nichts unternommen hat, um die Ursache des Temperaturanstiegs im Putenstall zu beseitigen.

Es kann auch nicht gesagt werden, das vom Kläger behauptete Verhalten sei so unvernünftig und fernliegend, daß die eingetretene Schadensfolge dem Verursachungsbeitrag der Beklagten bei der gebotenen wertenden Betrachtung deswegen nicht mehr zugerechnet werden könnte. Denn wenn es zutrifft, daß ein oder zwei Alarmrufe, denen keine weiteren folgten, darauf hindeuteten, daß entweder eine Fehlmeldung vorlag oder die Störung bereits durch einen Mitarbeiter des Hofes behoben worden war, lag es nicht außerhalb des zu erwartenden Geschehens, wenn der Kläger erst dann reagierte, wenn ihm weitere Alarmrufe signalisierten, daß tatsächlich eine (nicht behobene) Störung vorlag.

III. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend dar.

Die Erwägungen, die das Berufungsgericht zur Ursächlichkeit des Werkmangels für den Schaden angestellt hat, sind allerdings unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens des Klägers an dem Eintritt des Schadens zu prüfen (§ 254 BGB). Nach den getroffenen Feststellungen kann damit jedoch nicht angenommen werden, der Schadensersatzanspruch des Klägers entfalle unter diesem Gesichtspunkt vollständig.

Ob und gegebenenfalls welchen Einfluß eine Mitverursachung des Schadens durch den Geschädigten auf die Höhe seines Ersatzanspruchs hat, ist im Wege der Gewichtung der Verursachungsbeiträge zu bestimmen. Diese obliegt in erster Linie dem Tatrichter (BGHZ 51, 275, 279; 98, 148, 158; Sen.Urt. v. 12.1.1993 - X ZR 87/91, WM 1993, 652). Eine eigene Entscheidung im Revisionsverfahren kann nur unter der Voraussetzung eröffnet sein, daß die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hierfür ausreichen (Sen.Urt. aaO). Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, da das Berufungsgericht zunächst Feststellungen dazu zu treffen haben wird, inwieweit der Kläger nach den Erfahrungen der Vergangenheit Anlaß zu der Annahme hatte, der Eingang von lediglich zwei Alarmrufen lasse auf eine bereits behobene Störung oder einen Fehlalarm schließen.

IV. Zu der Gewichtung der Verursachungsbeiträge weist der Senat noch auf folgendes hin:

1. In diesem Zusammenhang kann der Beklagten nicht angelastet werden, daß der Kläger und seine Familienangehörigen, wie das Berufungsgericht zu Gunsten des Klägers unterstellt hat, möglicherweise von den beiden Anrufen den zweiten nicht einmal wahrgenommen haben. Zwar kann dies nach seinem Vortrag darauf beruhen, daß die Störmeldung nach Annahme des Anrufs, wie auch in dem vorgelegten Privatgutachten ausgeführt, zuweilen erst mit Verzögerung abgegeben wird. Dafür hätte die Beklagte jedoch nur einzustehen, wenn sie die Alarmanlage installiert hätte. Insoweit wendet sich die Revision jedoch ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, Ansprüche wegen eines Mangels der Alarmanlage aus einem Kauf- oder Werklieferungsvertrag stünden dem Kläger nicht zu, da er für die Behauptung, die Alarmanlage sei von der Beklagten geliefert und installiert worden, keinen tauglichen Beweis angetreten habe.

Die Revision rügt hierzu, das Berufungsgericht hätte berücksichtigen müssen, daß das Bestreiten der Beklagten in Widerspruch dazu stehe, daß der Geschäftsführer der Beklagten in dem vom Kläger vorlegten Sachverständigengutachten, in dem über eine Besprechung berichtet wird, als Vertreter der "Installationsfirma" bezeichnet werde, und von Amts wegen eine Parteivernehmung durchführen müssen. Das greift jedoch schon deshalb nicht durch, weil nicht vorgetragen ist, daß die Bezeichnung in dem Gutachten auf einer entsprechenden Angabe der Beklagten selbst beruhte.

2. Ohne Erfolg muß auch die Erwägung der Revision bleiben, es sei zu berücksichtigen, daß die Beklagte nicht nur bei der vom Kläger behaupteten Lieferung, sondern auch bei der Reparatur des Blitzschadens mit Auswechslung eines Wählgeräts umfassend über die Funktionsweise der Anlage hätte aufklären müssen.

Die Revision bezieht sich hierzu auf das Vorbringen in der Berufungsbegründung, der Kläger sei in die Einzelheiten der Funktionsweise seiner Alarmanlage nicht eingewiesen worden und ihm sei lediglich klar gewesen, daß die Anlage ihn bei einer Störung durch eine Vielzahl von Telefonaten in Kenntnis setzte. Daraus ergibt sich jedoch nichts dafür, daß sich der Kläger anders verhalten hätte, wenn er detailliertere Kenntnisse von der Funktionsweise der Anlage gehabt hätte. Im übrigen käme eine "Aufklärungspflicht" in dem geltend gemachten Sinne allenfalls für die Erstinstallation in Betracht, für deren Durchführung durch die Beklagte das Berufungsgericht den Kläger rechtsfehlerfrei als beweisfällig angesehen hat. Bei einer Reparatur mußte die Beklagte den Kläger jedenfalls nicht (erneut) in die Arbeitsweise der Anlage einweisen.

3. Zutreffend ist hingegen, daß bei der vom Berufungsgericht festgestellten Neuprogrammierung durch die Beklagte am 4. Februar 1999 die ordnungsgemäße Funktion der Anlage hätte überprüft werden müssen. Dieser Gesichtspunkt ist jedoch ohne selbständige Bedeutung, da die Beklagte für die fehlerhafte Programmierung von Platz 1 des Selbstwählgeräts ohnehin einzustehen hat.

Ende der Entscheidung

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