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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.06.2004
Aktenzeichen: X ZR 30/03
Rechtsgebiete: VOL/A, AbfKlärV


Vorschriften:

VOL/A § 25
VOL/A § 25 Abs. 3
VOL/A § 8 Nr. 1 (1)
AbfKlärV § 1 Abs. 1
AbfKlärV § 4 Abs. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 30/03

Verkündet am: 3. Juni 2004

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 5. Februar 2003 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand:

Das klagende Unternehmen verlangt von der beklagten Stadt Ersatz entgangenen Gewinns, weil sie nicht den Zuschlag für die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlamm erhalten hat.

Die Beklagte schrieb die Verwertung des in ihrer Kläranlage anfallenden Klärschlamms im Jahre 1998 für den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 31. Dezember 2003 europaweit im Offenen Verfahren nach der Verdingungsordnung für Leistungen Teil A (VOL/A) aus. Die Bewerbungsbedingungen begannen mit dem Hinweis, daß der Auftraggeber nach der VOL/A verfahre. In der Ausschreibung hieß es, daß der Zuschlag gemäß § 25 Abs. 3 VOL/A auf das Angebot erteilt werde, das unter Berücksichtigung aller technischen, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Gesichtspunkte sowie der Verwertungssicherheit als das annehmbarste erscheine. Ausweislich des Leistungsverzeichnisses war der Klärschlamm vom Auftragnehmer abzutransportieren, erforderlichenfalls zwischenzulagern und auf von ihm zu akquirierende landwirtschaftliche Nutzflächen aufzubringen. In den Vorbemerkungen zum Leistungsverzeichnis hieß es unter anderem: "Grundlage für die Klärschlammverwertung ist die Klärschlammverordnung ...". Der zu verwertende Klärschlamm wurde unter anderem wie folgt charakterisiert: "Der Klärschlamm kann gekalkt oder ungekalkt angeboten werden."

Die Klägerin bot die Entsorgung sowohl mit als auch ohne Zwischenlagerung zum Preis von 40,50 DM/t an. Ein weiterer Anbieter, die O. & V. GmbH, verlangte 41,00 DM/t bei Direktverwertung des Klärschlamms und 43,00 DM/t bei Zwischenlagerung. Nach Ablauf der Angebotsfrist erfragte die Beklagte bei den Bietern, in welchem Umfang die Bereitstellung gekalkten Klärschlamms gewünscht werde. Sie wies zugleich darauf hin, daß bei einer Kalkzugabe aus technischen Gründen ein Minimum von 20 % zugesetzt werden müsse. Die O. & V. GmbH gab an, während der gesamten Vertragslaufzeit nur 30 % der Abnahmemenge gekalkt zu benötigen. Die Klägerin antwortete der Beklagten mit Schreiben vom 26. Oktober 1998, daß sie in Kenntnis der derzeitigen Bodenwerte in den umliegenden Landkreisen ca. 70 % gekalkten Klärschlamm und 30 % ungekalkten Klärschlamm benötige. Obwohl aus ihrer Sicht eine Kalkzugabe von 5 - 6 % ausreichend sei, beziehe sie in ihre Planung ein, daß es aus technischen Gründen in jedem Fall ca. 20 % sein müßten. Bei einer 20 %igen Kalkzugabe ändere sich der Bedarf an Klärschlamm im Jahre 2001 auf ca. 60 % gekalkten Klärschlamm und 40 % ungekalkten Klärschlamm.

Die Beklagte erteilte am 16. November 1998 der O. & V. GmbH den Zuschlag. Sie bewertete deren Angebot unter Berücksichtigung des höheren Angebotspreises einerseits und der niedrigeren Kalkungskosten andererseits als das wirtschaftlichere.

Auf Antrag der Klägerin stellte die Vergabeprüfstelle des Innenministeriums Mecklenburg-Vorpommern fest, daß die Vergabe rechtsfehlerhaft erfolgt sei. Die Klägerin meint, die Kalkungskosten hätten bei der Bewertung der Angebote keine Rolle spielen dürfen, weil sich dieses Kriterium nicht aus den Vergabeunterlagen ergeben habe. Bei Zugrundelegung des reinen Angebotspreises hätte sie als günstigste Bieterin den Zuschlag erhalten müssen. Sie verlangt deshalb Ersatz des ihr entgangenen Gewinns, den sie mit 675.000,-- DM beziffert.

Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Beklagte habe bei der Erteilung des Zuschlages ihre vorvertraglichen Pflichten nicht verletzt. Das Angebot der O. & V. GmbH sei wegen deren geringeren Kalkungsbedarfs wirtschaftlicher gewesen als das der Klägerin, welches nicht nur zu höheren Kalkungskosten, sondern auch zu einer größeren Menge des zu entsorgenden Klärschlamms geführt und im Gesamtvergleich Mehrkosten von 132.021,80 DM verursacht hätte. Die Beklagte habe den Faktor "Kalkungskosten" auch berücksichtigen dürfen. Denn der mit der Materie vertraute Bieter habe den Ausschreibungsunterlagen entnehmen können und müssen, daß bei der betriebswirtschaftlichen Preis-Leistungs-Analyse der Angebote, die aufgrund des ausdrücklich genannten Zuschlagskriteriums der "Wirtschaftlichkeit" durchzuführen war, die Kalkungskosten eine Rolle spielen konnten. Dies sei für die auf Klärschlammentsorgung spezialisierten Bieter schon aus der ausdrücklich in Bezug genommenen Klärschlammverordnung erkennbar gewesen, weil nach dieser die Beklagte als "Produzent" des Klärschlamms für eine dem Kalkbedarf der Aufbringungsflächen entsprechende Aufkalkung des Klärschlamms rechtlich verantwortlich geblieben sei. Die Relevanz der Kalkungskosten habe sich überdies aus der Vorbemerkung zur Leistungsbeschreibung ergeben, daß Klärschlamm gekalkt oder ungekalkt angeboten werden könne und auf Wunsch des Auftragnehmers gekalkter Schlamm zusätzlich untersucht werde, wenn es das Verwertungsziel erforderlich mache. Ebensowenig habe die Beklagte gegen ihre Pflicht zur Leistungsbeschreibung nach § 8 Nr. 1 (1) VOL/A verstoßen, da die Zufügung von Kalk keine Leistung des Auftragnehmers, sondern eine Vorleistung der Beklagten gewesen sei. Auch das Transparenzgebot sei nicht verletzt worden, weil wegen der explizit angesprochenen Möglichkeit der Kalkbeimengung für die Bieter offenkundig gewesen sei, daß die Beklagte je nach Qualität der Böden die erforderliche Kalkmenge zusetzen werde und ihr dadurch Betriebskosten entstehen mußten. Die Beklagte habe auch nicht gegen das Gebot zur Gleichbehandlung aller Bieter verstoßen. Denn sie habe alle Bieter nach der erforderlichen Kalkbeimengung gefragt. Die Bieter hätten durch ihre Antwort nicht etwa den angebotenen Preis nachträglich beeinflußt, sondern lediglich pflichtgemäß das Vertragsrisiko der Beklagten offengelegt.

II. Diese Ausführungen halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht entschieden, daß die Beklagte nicht gegen ihre Pflicht zur Leistungsbeschreibung verstoßen habe. Allerdings hätte die Beklagte ihre Kalkungskosten nicht als Vergabekriterium anwenden dürfen, weil die Ausschreibung insoweit unklar war. Eben wegen dieser Unklarheit durfte die Klägerin aber nicht auf ihr eigenes Verständnis vertrauen, so daß ihr im Ergebnis trotz des Vergabefehlers kein Schadensersatzanspruch zusteht.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kommt bei verfahrensfehlerhaft durchgeführten Ausschreibungen für den übergangenen erstrangigen Bieter ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen in Betracht. Aufgrund der öffentlichen Ausschreibung besteht ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Auftraggeber und den Bietern, das bei einer Verletzung der Ausschreibungsregeln und -bedingungen einen Schadensersatzanspruch des übergangenen Bieters wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen begründen kann, wenn der Bieter in seinem berechtigten und schutzwürdigen Vertrauen enttäuscht worden ist, das Vergabeverfahren werde nach den maßgeblichen Bestimmungen abgewickelt (vgl. nur Sen.Urt. v. 06.02.2002 - X ZR 185/99, NJW 2002, 1952 unter I 1; v. 16.12.2003 - X ZR 282/02, unter I 1). Der Anspruch richtet sich grundsätzlich auf Ersatz des Vertrauensschadens (negatives Interesse), d.h. auf Erstattung der nutzlosen Aufwendungen für die Erstellung des Angebots, ausnahmsweise jedoch auf Ersatz des entgangenen Gewinns (positives Interesse), falls der ausgeschriebene Auftrag tatsächlich erteilt wurde und bei ordnungsgemäßem Verfahrensablauf dem übergangenen Bieter hätte zugeschlagen werden müssen (Sen.Urt. v. 05.11.2002 - X ZR 232/00, BauR 2003, 240 unter III a).

Als Verfahrensfehler kommt hier nur ein Verstoß gegen die Bestimmungen der VOL/A in der damals geltenden Ausgabe 1997 (künftig: VOL/A) in Betracht. Die Beklagte wies in den Bewerbungsbedingungen ausdrücklich darauf hin, daß sie nach der VOL/A verfahre. Falls sie deren Bestimmungen entgegen ihrer Zusage nicht einhielt, verletzte sie also ihre vorvertraglichen Pflichten.

2. Zu Recht beanstandet die Revision eine Verletzung des Gebots, bei der Wertung der Angebote nach § 25 VOL/A nur solche Kriterien zu berücksichtigen, die in den Verdingungsunterlagen angegeben waren.

a) Dieses Gebot ergibt sich schon aus der wegen Überschreitung des EG-Schwellenwerts von 200.000 ECU gebotenen richtlinienkonformen Auslegung der VOL/A. Die Richtlinie 92/50/EWG des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge vom 18. Juni 1992 will eine Gleichbehandlung aller Bewerber um öffentliche Aufträge und eine Vergabe allein nach sachlichen und willkürfreien Kriterien sicherstellen. Mit diesem Zweck ist die Berücksichtigung erst nachträglich gebildeter, aus der Ausschreibung selbst nicht hervorgehender Zuschlagskriterien unvereinbar. Könnte der Auftraggeber nachträglich den Kriterienkatalog beliebig ändern oder anders gewichten, wäre die nach dem Zweck der Regelung erforderliche Überprüfbarkeit seiner Vergabeentscheidung nach objektiven Kriterien nicht mehr gewährleistet. Es würden vielmehr nachträgliche Veränderungen im Anforderungsprofil ermöglicht, mit deren Hilfe der Auftraggeber einen dem Gebot der Chancengleichheit widersprechenden Einfluß auf die Vergabeentscheidung nehmen könnte, der mit Sinn und Zweck der europarechtlichen Vorgaben zum Vergaberecht unvereinbar wäre. Es ist deshalb unabdingbar, daß die Wertung der Angebote nur auf solche Kriterien gestützt wird, die vorher, d.h. bei der Aufforderung zur Angebotsabgabe, bekanntgemacht worden sind. Nur dann ist auch dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit genügt, zu dem die Vorhersehbarkeit und Transparenz staatlichen Handelns gehören (Sen.Urt. v. 17.02.1999 - X ZR 101/97, NJW 2000, 137 unter II 2 c).

b) Die Bekanntmachung setzt voraus, daß der Auftraggeber den Bietern die Zuschlagskriterien hinreichend klar und deutlich vor Augen geführt hat. Der Auftraggeber darf zwar bei der Gestaltung seiner Ausschreibung genügenden Sachverstand der Bieter voraussetzen. Er muß die Ausschreibung und insbesondere die Vergabekriterien jedoch so klar formulieren, daß jedenfalls fachkundige Bieter keine Verständnisschwierigkeiten haben (Daub/Eberstein/Zdzieblo, VOL/A, 5. Aufl., § 8 Rdn. 29). Auch ein mißverständlich formuliertes Kriterium ist daher nicht hinreichend bekanntgemacht und darf deshalb bei der Wertung der Angebote nicht berücksichtigt werden.

c) Die demnach entscheidende Frage, ob das Kriterium der Kalkungskosten der Beklagten aus den ursprünglichen Verdingungsunterlagen klar genug erkennbar war, ist zu verneinen. Der gegenteilige Standpunkt des Berufungsgerichts, wonach es für die Bieter offensichtlich gewesen sei, daß die Kalkungskosten der Beklagten ein Vergabekriterium darstellen sollten, ist nicht frei von Rechtsfehlern.

(1) Dabei kann hier dahinstehen, ob ihm eine der revisionsgerichtlichen Überprüfung nur begrenzt unterliegende tatrichterliche Auslegung zugrunde liegt oder diese Auslegung der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterworfen ist. Auch wenn es sich um eine ursprünglich dem Tatrichter vorbehaltene Auslegung handeln sollte, kann sie mit Blick auf den festzustellenden Rechtsfehler, der dem erkennenden Senat die eigene Auslegung eröffnet (st. Rspr. des BGH, vgl. nur Urt. v. 14.12.1990 - V ZR 223/89, NJW 1991, 1180 unter 2), keinen Bestand haben.

(2) Bei seiner Würdigung hat das Berufungsgericht den vorliegenden Sachverhalt nicht ausgeschöpft.

aa) Rechtlich bedenkenfrei hat das Berufungsgericht aus der Vorbemerkung zur Leistungsbeschreibung, in welcher die Beklagte den Klärschlamm gekalkt oder ungekalkt anbot, allerdings den Schluß gezogen, daß die mit der Materie vertrauten, auf Klärschlammentsorgung spezialisierten Bieter erkennen konnten und mußten, daß die Beklagte in Befolgung der gesetzlichen Pflicht nach der Klärschlammverordnung (AbfKlärV v. 15.04.1992, BGBl. I 1992, 912) zur Aufkalkung bedürftiger Böden, die gleichermaßen zu beachten hat, wer Abwasserbehandlungsanlagen betreibt und Klärschlamm zum Aufbringen auf landwirtschaftlich genutzte Böden abgibt und wer Klärschlamm auf landwirtschaftlich genutzte Böden aufbringt (§§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 9 AbfKlärV), je nach Bedarf und Wahl des Auftragnehmers Kalk zusetzen werde. Unbegründet ist die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Vortrag der Klägerin auseinandergesetzt, sie habe den Hinweis, der Klärschlamm könne gekalkt oder ungekalkt angeboten werden, dahin verstanden, daß die Beklagte den Kalk im eigenen Interesse, nämlich zwecks besserer Handhabung, mit Kalk versetzen wolle und sie, die Klägerin, den Kalk daher nehmen müsse, "wie es kommt". Da ein solches Mißverständnis der Klägerin dem vom Berufungsgericht zutreffend ermittelten objektiven Erklärungsinhalt widersprochen hätte, kommt es darauf nicht an. Ebenfalls keinen Erfolg hat die in diesem Zusammenhang erhobene weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht sei rechtswidrig davon ausgegangen, eine nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen erforderliche Kalkung habe zwingend durch Kalkzugaben zum Klärschlamm erfolgen müssen und sei daher von der Beklagten zu veranlassen gewesen. Es trifft zwar zu, daß der Kalk auch unmittelbar auf die Entsorgungsflächen aufgebracht werden kann und deshalb die Kalkung auch vom Abnehmer des Klärschlamms vorgenommen werden darf. Ein etwaiger diesbezüglicher Irrtum des Berufungsgerichts war für das Ergebnis seiner Auslegung jedoch nicht kausal. Für das Berufungsgericht war entscheidend, daß die Beklagte für eine ausreichende Kalkung der Aufbringungsflächen rechtlich verantwortlich blieb. Ob neben der Beklagten auch die Klägerin verantwortlich war, spielte keine Rolle.

Auch die weitere Schlußfolgerung des Berufungsgerichts, für die Bieter sei gleichfalls offenkundig gewesen, daß der - Material und Arbeit erfordernde - Kalkzusatz die Betriebskosten der Beklagten vermehren und außerdem die Menge des zu entsorgenden Klärschlamms vergrößern und damit die von der Beklagten zu zahlende, nach einem Einheitspreis pro Tonne Klärschlamm zu errechnende Gesamtvergütung erhöhen werde, kann nach der Fachkunde der Bieter erwartet werden.

bb) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet hingegen die Annahme des Berufungsgerichts - die es, wenn überhaupt, auch nur konkludent geäußert hat -, die Beklagte habe ferner hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, daß ihre Kalkungskosten ein Vergabekriterium seien. Dem Berufungsgericht hat hierfür die von ihm zugrunde gelegte, für die Bieter ersichtliche Tatsache genügt, daß eine Kalkung die Kosten der Beklagten erhöhte.

Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Grundsatzfrage, inwieweit offensichtliche Faktoren, die sich auf die Kosten des Auftraggebers auswirken, über die bloße Erwähnung des Wirtschaftlichkeitsfaktors hinaus als Zuschlagskriterium genannt werden müssen, stellt sich nicht. Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß eine ausreichende Deutlichkeit des Vergabekriteriums der Kalkungskosten allenfalls dann zugrunde gelegt werden kann, wenn die Bieter aufgrund dieses Wissens davon ausgehen müssen und insgesamt deshalb auch davon ausgehen, daß diese Kosten in die Bewertung des annehmbarsten Gebots einfließen werden. Eine Klarheit in diesem Sinne schafft die hier vorliegende Ausschreibung nicht. Mit der Bedeutung dieser Kosten befassen sich die Ausschreibungsunterlagen nicht; sie stellen vielmehr die Auswahl zwischen gekalktem und ungekalktem Klärschlamm ohne jede Einschränkung in die Entscheidung des Abnehmers. Für den unbefangenen Leser verbleibt auch vor dem Hintergrund des vom Berufungsgericht angenommenen Wissenstandes der Bieter auf ihrer Seite die nach dem Wortlaut nicht fernliegende Möglichkeit, daß es dem Ausschreibenden auf diese Kosten nicht ankomme, etwa weil sie im konkreten Fall nicht ins Gewicht fallen oder durch anderweitige Vorteile wie eine kostengünstige Entsorgung von kalkhaltigem Material kompensiert werden. Daß es sich für die Beklagte bei diesen Kosten um einen Umstand von Bedeutung handeln kann, ist mit der nötigen Klarheit erst durch ihre der Ausschreibung nachfolgende Anfrage bei den in Aussicht genommenen Bietern hervorgetreten, in welchem Umfang sie die Lieferung von gekalktem Schlamm benötigten. Diese Anfrage konnte jedoch aufgrund des Zeitpunkts, zu dem sie erfolgt ist, die bis zum Ende der Ausschreibungsfrist bestehende und dort der Beurteilung zugrundeliegende Unklarheit nicht beseitigen. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß es genügt, wenn zweifelsfrei zu erkennen war, daß bestimmte Kosten bei der Auftragserteilung eine Rolle spielen würden (Urt. v. 06.02.2002, aaO). So lag es hier aber gerade nicht. Weil die Frage nach dem Kalkungsbedarf fehlt, muß den Bewerbern auch die entgegengesetzte Verständnismöglichkeit eingeräumt werden, daß nämlich die Beklagte nicht nur die gewünschte Kalkung kostenlos vornehmen, sondern darüber hinaus darauf verzichten wolle, die individuellen Kalkungswünsche der Bewerber bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung der Angebote in ihre Berechnung einzustellen. Die Bieter brauchten diese Möglichkeit nicht etwa wegen der mutmaßlichen Höhe der Kalkungskosten und/oder der Pflicht der Beklagten zur Berücksichtigung ihrer sämtlichen Kosten bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung auszuscheiden. Solche Überlegungen haushaltsrechtlicher Art oblagen vielmehr allein der Beklagten. Beide Verständnismöglichkeiten waren somit vertretbar. Dann aber war das Vergabekriterium der Kalkungskosten aus den Ausschreibungsunterlagen nicht klar genug ersichtlich.

Nach alledem hat die Beklagte mit der Berücksichtigung ihrer Kalkungskosten bei der Vergabeentscheidung gegen das öffentliche Vergaberecht (§ 25 VOL/A) verstoßen.

3. Trotz diesem Verstoß ist die Schadensersatzforderung der Klägerin nicht begründet.

Dies ergibt sich daraus, daß die Schadensersatzpflicht des Auftraggebers, die ihren Grund in der Verletzung des Vertrauens des Bieters darauf findet, daß das Vergabeverfahren nach den einschlägigen Vorschriften des Vergaberechts abgewickelt wird (Sen.Urt. v. 16.12.2003, aaO unter I 1), ein berechtigtes und schutzwürdiges Vertrauen voraussetzt (BGHZ 124, 64, 70; Sen.Urt. v. 12.06.2001 - X ZR 150/99, NJW 2001, 3698 unter 3; v. 16.04.2002 - X ZR 67/00, NJW 2002, 2558 unter 2 e; v. 28.10.2003 - X ZR 248/02, NZBau 2004, 166 unter 1 d). Die Schutzwürdigkeit des Vertrauens entfällt, wenn der Bieter bei der ihm im jeweiligen Fall zumutbaren Prüfung erkannt hat oder hätte erkennen müssen, daß der Auftraggeber von den für ihn geltenden Regeln abweicht (BGHZ aaO; Sen.Urt. v. 12.06.2001, aaO). Darüber hinaus verdient sein Vertrauen aber auch dann keinen Schutz, wenn sich ihm die ernsthafte Gefahr eines Regelverstoßes des Auftraggebers aufdrängen muß, ohne daß die Abweichung schon sicher erscheint. Aus diesem Grund war im vorliegenden Fall das Vertrauen der Klägerin, die Beklagte werde ihre - ersichtlich anfallenden, aber nicht zum Vergabekriterium erklärten - Kalkungskosten bei der Wertung der Angebote außer acht lassen, nicht berechtigt. Dazu war die Ausschreibung in diesem Punkt unklar. Eben weil das Angebot der Beklagten, den Klärschlamm nach Wahl des Auftragnehmers zu kalken, mehrdeutig war, also verschiedene, auch entgegengesetzte Verständnismöglichkeiten eröffnete - was ein fachkundiger Bieter auch erkennen mußte -, hätte die Klägerin sich nicht ohne weiteres auf die ihr günstigere Auslegungsmöglichkeit verlassen dürfen, sondern damit rechnen müssen, daß die Beklagte ihre Kalkungskosten doch zum Wertungskriterium machen wolle.

Es braucht deshalb nicht entschieden zu werden, ob der Anspruch der Klägerin auf Ersatz ihres entgangenen Gewinns auch am Gesichtspunkt des sogenannten rechtmäßigen Alternativverhaltens scheitert.

4. Einen Anspruch auf Ersatz ihres negativen Interesses, d.h. ihrer nutzlosen Aufwendungen für die Teilnahme an der Ausschreibung, hat die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit nicht, auch nicht hilfsweise, geltend gemacht.

Ende der Entscheidung

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