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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.11.2004
Aktenzeichen: X ZR 43/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 638 Abs. 1 (in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung)
Der Werkunternehmer, der das Werk arbeitsteilig herstellen läßt, muß die organisatorischen Voraussetzungen schaffen, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Werk bei Ablieferung mangelfrei ist. Unterläßt er dies und wäre der Mangel bei richtiger Organisation entdeckt worden, verjähren Gewährleistungsansprüche des Bestellers wie bei arglistigem Verschweigen des Mangels. Das gilt unabhängig davon, ob der Werkvertrag ein Bauwerk oder ein anderes Werk betrifft (Fortführung von BGHZ 117, 318).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

X ZR 43/03

Verkündet am: 30. November 2004

in dem Rechtsstreit

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen und Keukenschrijver, die Richterin Ambrosius sowie den Richter Dr. Kirchhoff

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das am 28. Februar 2003 verkündete Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger hatte aufgrund einer entsprechenden Vereinbarung mit F. B. dessen durch einen Unfall beschädigten Pkw zu reparieren, behindertengerecht auszustatten und zu lackieren. Bestimmte Reparaturarbeiten, u.a. das Richten der Fahrzeugkarosserie, übertrug der Kläger durch entgeltlichen Vertrag der Beklagten, die ihrerseits die Autohaus Ba. GmbH beauftragte. Im Rahmen eines von F. B. angestrengten Beweissicherungsverfahrens stellte der beauftragte Sachverständige u.a. fest, daß trotz der von dem Autohaus durchgeführten Reparaturarbeiten die Rahmenlängsträger einen starken Knick aufwiesen.

Der Kläger, der das Fahrzeug von der Beklagten im April 1998 zurückerhalten hatte, wurde wegen mangelhafter Ausführung der durch das Autohaus vorgenommenen Reparatur zur Zahlung von 5.945,81 € an F. B. verurteilt. Diesen Betrag (nebst Zinsen) verlangt der Kläger mit seiner am 4. Juli 2002 beim Landgericht eingereichten und am 11. Juli 2002 zugestellten Klage nunmehr von der Beklagten.

Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Das Oberlandesgericht hat dieses Urteil abgeändert und die Klage wegen der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede abgewiesen.

Der Kläger verfolgt sein Zahlungsbegehren mit der Revision weiter. Die Beklagte tritt diesem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Berufungsgericht zugelassene und auch sonst zulässige Revision des Klägers führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht ist mangels gegenteiligen Vortrags des Klägers davon ausgegangen, daß die Beklagte die behaupteten Mängel des Werks, das sie dem Kläger schuldete, nicht erkannt hat. Es hat deshalb den nach § 638 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung (a.F.) zu verlängerter Verjährungsfrist führenden Ausnahmetatbestand eines arglistigen Verschweigens eines Werkmangels durch den Unternehmer für nicht gegeben erachtet. Daran - so führt das Berufungsgericht weiter aus - ändere auch die höchstrichterliche Rechtsprechung nichts, wonach bei Verlagerung der Herstellung des Werks auf einen Subunternehmer der Werkunternehmer wie ein arglistig Handelnder zu behandeln sein könne, wenn es ihm bei richtiger Organisation möglich gewesen wäre, den Mangel zu entdecken. Denn diese Rechtsprechung sei bei arbeitsteiliger Herstellung eines Bauwerks sachgerecht, weil insoweit besondere und gesteigerte Überwachungs- und Prüfungspflichten bestünden. Im Streitfall, in dem der Subunternehmer nur mit einer einzelnen Aufgabe betraut worden sei, sei das Bestehen einer solchen gesteigerten Prüfungs- und Überwachungspflicht jedoch nicht zu erkennen.

Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

2. Arglistig verschweigt, wer sich bewußt ist, daß ein bestimmter Umstand für die Entschließung des Vertragsgegners von Erheblichkeit ist, und nach Treu und Glauben verpflichtet ist, diesen Umstand mitzuteilen, ihn aber gleichwohl nicht offenbart (BGHZ 62, 63, 66). Ist ein Werkmangel betroffen, setzt das an sich Kenntnis vom Mangel voraus (MünchKomm./Soergel, BGB, 3. Aufl., § 638 Rdn. 32 m.w.N.). Diese Kenntnis muß allerdings nicht der Unternehmer selbst haben. Da er gemäß § 278 BGB für Verhalten von Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, reicht es aus, wenn die Kenntnis vom Mangel bei einer der Personen vorhanden ist, derer sich der Unternehmer im Hinblick auf seine Offenbarungspflicht bedient (BGHZ aaO). Das sind nach höchstrichterlicher Rechtsprechung, die in der Literatur weitgehend Zustimmung gefunden hat, diejenigen Hilfspersonen, die der Unternehmer mit der Ablieferung des Werks an den Besteller betraut hat oder die für den Unternehmer dabei mitgewirkt haben, sowie Personen, die vom Unternehmer (auch) mit der Prüfung des Werks auf Mangelfreiheit betraut sind, wenn allein deren Wissen und ihre Mitteilung den Unternehmer in den Stand versetzen, seine Offenbarungspflicht gegenüber dem Besteller zu erfüllen (BGHZ 117, 318, 320; BGHZ 62, 63, 68; BGHZ 66, 43, 45).

a) Würde man einschränkungslos auf das Erfordernis der Kenntnis des Unternehmers oder besagter Hilfspersonen abstellen, könnte der Unternehmer sich freilich der verlängerten Haftung entziehen, indem er die Herstellung des Werks durch Dritte erledigen läßt, ohne deren Arbeitsleistung und deren Ergebnis entweder selbst zu überprüfen oder sich hierzu eines anderen zu bedienen, und indem er auch bei der Ablieferung des Werks niemand hinzuzieht. Überträgt der Unternehmer - wie hier die Beklagte - die Werkleistung einem Subunternehmer zur eigenverantwortlichen Ausführung, wäre diese Möglichkeit eröffnet, wenn der Subunternehmer sich entsprechend verhielte. Der Zeitraum, über den eine Haftung des Unternehmers wegen eines Mangels des von ihm geschuldeten Werks in Betracht kommt, wäre also davon abhängig, ob der Unternehmer das Werk als Alleinunternehmer herstellt oder arbeitsteilig herstellen läßt und wie die arbeitsteilige Herstellung unternehmerseits organisiert ist. Das ist nicht in Einklang zu bringen mit der sonstigen Regelung der Mangelhaftung beim Werkvertrag. Denn danach kommt es nicht darauf an, ob derjenige, der sich zur Herstellung eines Werks verpflichtet, dieses auch selbst herstellt oder unter Hinzuziehung Dritter herstellen läßt. Eine Verlagerung der Herstellung ändert insbesondere nichts daran, daß dem Besteller gegenüber allein der Unternehmer für die fehlerfreie Herstellung des Werks zu sorgen hat. Bei arbeitsteiliger Herstellung tritt deshalb zu der Hauptpflicht aus dem Werkvertrag die Pflicht hinzu, diesen Herstellungsprozeß angemessen zu überwachen und das Werk vor Abnahme zu überprüfen. Mit diesem Pflichtenkatalog würde der Unternehmer sich in Widerspruch setzen, wenn er aus der arbeitsteiligen Herstellung und deren Organisation die oben erörterten Vorteile ziehen könnte. Es ist deshalb eine von der Intention des Gesetzes her gebotene Auslegung des § 638 Abs. 1 BGB a.F., den Unternehmer, der tatsächlich keine positive Kenntnis vom Mangel seines Werks hat, wie eine Person zu behandeln, die diese Kenntnis besitzt, wenn er die organisatorischen Voraussetzungen nicht geschaffen hat, daß von ihm oder einem der oben genannten Erfüllungsgehilfen sachgerecht beurteilt werden kann, ob das Werk bei Ablieferung mangelfrei ist, und bei entsprechender Organisation der Mangel von ihm oder einer dieser besagten Personen entdeckt worden wäre.

b) Diese Konsequenz ist vom VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der Entscheidung vom 12. März 1992 (BGHZ 117, 318), auf die sich der Kläger gegenüber der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede gestützt und deren Heranziehung das Berufungsgericht auch erwogen hat, zwar in einem Fall herausgearbeitet worden, in dem der Unternehmer ein Bauwerk arbeitsteilig hatte herstellen lassen. Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, hat diese Rechtsprechung Berechtigung jedoch nicht nur bei Verträgen aus diesem Bereich. Es geht entgegen der Meinung des Berufungsgerichts nicht um eine gesteigerte Prüfungs- und Überwachungspflicht, wie sie bei arbeitsteiliger Herstellung gerade das Baurecht kennzeichnet, sondern darum, es nicht unternehmerischer Gestaltung zu überlassen, innerhalb welcher der im Gesetz genannten Fristen der Besteller wegen etwaiger Mängel des Werks Gewährleistungsansprüche geltend machen kann, ohne sich der Verjährungseinrede auszusetzen. Eine derartige Gestaltung kommt unabhängig vom Gegenstand des Werkvertrags in Betracht. Die erörterte Auslegung von § 638 Abs. 1 BGB a.F. muß daher bei allen Werkverträgen die Anwendung dieser Vorschrift bestimmen.

c) Erst bei der Anwendung von § 638 Abs. 1 BGB a.F. nach Maßgabe der erörterten Auslegung können sich Unterschiede ergeben. Denn die Frage nach der richtigen Organisation beim Unternehmer kann unterschiedlich zu beantworten sein, je nach dem welches Werk hergestellt werden sollte. Insoweit ist eine fallbezogene Prüfung notwendig. So wird der Unternehmer, der ein schwierig herzustellendes Werk abzuliefern hat, für andere Maßnahmen der Überwachung und Prüfung zu sorgen haben als der Unternehmer, der ein einfaches Produkt, dieses aber massenweise herzustellen hat. Angesichts der Bindung der Vertragsparteien an Treu und Glauben ist Maßstab für die insoweit anzustellende fallbezogene Prüfung, welche organisatorischen Vorkehrungen von einem sich seiner Verpflichtung zur Ablieferung des Werks in mangelfreiem Zustand bewußten und hierauf bedachten Unternehmer unter den Umständen des konkreten Falls erwartet werden können und ihm zuzumuten sind, um, obwohl er das Werk nicht allein hergestellt hat, beurteilen zu können, ob es bei Ablieferung mangelfrei ist. Das ist eine Frage der Abwägung; sie läßt sich deshalb im Streitfall nicht mit dem bloßen Hinweis des Berufungsgerichts beantworten, die Beklagte habe keine komplette Fahrzeugvermessung geschuldet. Das angefochtene Urteil kann mithin keinen Bestand haben.

3. Entgegen der Meinung der Revision kann der Senat nicht zugunsten des Klägers in der Sache durchentscheiden. Eine Verurteilung der Beklagten kommt - wie ausgeführt - nur unter zwei Voraussetzungen in Betracht: Die Beklagte muß die zu erwartende und zumutbare Organisation des Herstellungsprozesses und der Überprüfung unterlassen haben. Es muß ferner davon ausgegangen werden können, daß die Mängel, deretwegen der Kläger Gewährleistung begehrt, bei richtiger Organisation von der Beklagten oder einer der insoweit als deren Erfüllungsgehilfen in Betracht kommenden Person entdeckt worden wären. Für beide Voraussetzungen ist der Kläger darlegungs- und im Bestreitensfalle beweispflichtig, weil er sich darauf beruft, daß die im Gesetz geregelte Ausnahme von der normalen gesetzlichen Verjährungsfrist eingreift ("sofern nicht ..."). Gegebenenfalls streiten für den Kläger jedoch dargelegte oder unstreitige Indizien. So hat der Bundesgerichtshof anerkannt, daß aus einem gravierenden Mangel an besonders wichtigen Gewerken oder aus einem besonders auffälligen Mangel an weniger wichtigen Bauteilen der Schluß auf eine mangelhafte Organisation von Überwachung und Überprüfung gerechtfertigt sein kann (BGHZ 117, 318, 322). Für die weitere Voraussetzung voraussichtlicher Kenntniserlangung auf seiten des Unternehmers gilt insoweit nichts anderes.

Hinsichtlich der danach sich auch im Streitfall stellenden Fragen fehlen bislang jedoch ausreichende tatrichterliche Feststellungen. Das Berufungsgericht mußte sich von seinem Rechtsstandpunkt aus gesehen nicht damit befassen, was sich im Hinblick auf die beiden genannten Voraussetzungen aus dem unstreitigen Sachverhalt und dem Vorbringen des Klägers ergibt; in dem angefochtenen Urteil fehlen deshalb insoweit auch jegliche Feststellungen. Das Landgericht hat zwar angenommen, die Beklagte sei der Pflicht zur Überprüfung der Arbeiten ihres Subunternehmers nicht nachgekommen, hat aber nicht ausgeführt, aufgrund welcher festgestellten Tatsachen es zu dieser Annahme gekommen ist. Mangels tatrichterlicher Aufklärung entscheidungserheblicher Fragen muß der Rechtsstreit deshalb an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Ende der Entscheidung

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