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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.11.2001
Aktenzeichen: XI ZB 14/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 519 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 97 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XI ZB 14/01

vom

6. November 2001

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Müller und Dr. Wassermann

am 6. November 2001

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 10. Juli 2001 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert beträgt 50.000 DM

Gründe:

I.

Das Landgericht hat die Beklagte aus einer Bürgschaft zur Zahlung von 50.000 DM nebst Zinsen verurteilt. Nach fristgemäßer Einlegung der Berufung hat das Oberlandesgericht die Frist zu deren Begründung antragsgemäß bis zum 21. Mai 2001 verlängert. Die erbetene Prozeßkostenhilfe hat das Oberlandesgericht durch Beschluß vom 7. Mai 2001 verweigert und mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom selben Tag die Berufungsbegründungsfrist unter Ablehnung einer weiteren Fristverlängerung bis zum 21. Juni 2001 verlängert. Den von ihrem Prozeßbevollmächtigten auf die Niederlegung des Mandats gestützten Fristverlängerungsantrag vom 20. Juni 2001 hat der Senatsvorsitzende am Nachmittag des 21. Juni 2001 zurückgewiesen und den am gleichen Tag nach Wiederaufnahme des Mandats gestellten erneuten Fristverlängerungsantrag nicht mehr beschieden. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2001 hat die Beklagte die Berufung begründet und gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Auf eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist über den 21. Juni 2001 hinaus habe ihr Anwalt nicht vertrauen dürfen. Das Prozeßkostenhilfegesuch der Beklagten sei bereits am 7. Mai 2001 zurückgewiesen und mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom gleichen Tag deutlich gemacht worden, daß eine nochmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht in Betracht komme. Weder die Niederlegung des Mandats am 20. Juni 2001 noch dessen Wiederaufnahme am Tag des Fristablaufs hätten eine weitere Fristverlängerung gerechtfertigt. Daß es der Beklagten erst unmittelbar vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist gelungen sei, die zur Durchführung des Berufungsverfahrens notwendigen Mittel aufzubringen, ändere daran nichts.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

II.

Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 238 Abs. 2, 519 b Abs. 2, 547, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet.

1. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der bis zum 21. Juni 2001 verlängerten Frist, sondern erst mit Schriftsatz vom 2. Juli 2001 begründet wurde (§§ 516, 519 b Abs. 1 ZPO).

2. Den Wiedereinsetzungsantrag hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Die Wiedereinsetzung setzt gemäß § 233 ZPO voraus, daß die Partei ohne eigenes oder ihr zurechenbares Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Das ist hier nicht der Fall.

a) Im Regelfall kann sich der Rechtsmittelführer im Wiedereinsetzungsverfahren nicht darauf berufen, er habe mit der Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist durch den Vorsitzenden des Rechtsmittelgerichts rechnen dürfen. Er ist vielmehr mit dem Risiko belastet, daß der Vorsitzende in Ausübung seines ihm gemäß § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung auch dann versagt, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen vorliegen (BGH, Beschluß vom 11. November 1998 - VIII ZB 24/98, NJW 1999, 430 m.w.Nachw.). Allerdings kann nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Rechtsanwalt in aller Regel erwarten, daß seinem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen wird, wenn einer der Gründe des § 519 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorliegt (siehe etwa Beschluß vom 11. November 1998 - VIII ZB 24/98, aaO m.w.Nachw.). Ob dies auch bei einem zweiten Antrag noch gilt, ist höchstrichterlich - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 1996 - VII ZB 14/96, NJW 1996, 3155). Diese Frage kann auch hier offenbleiben. Jedenfalls unter den gegebenen Umständen durften die Beklagte und ihr Prozeßbevollmächtigter mit einer dritten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nicht rechnen.

b) Der Vorsitzende des Berufungsgerichts hatte die Begründungsfrist nach Ablehnung des Prozeßkostenhilfegesuchs der Beklagten am 7. Mai 2001 nur bis zum 21. Juni 2001 verlängert und dabei mitgeteilt, daß "der weitere Antrag auf Verlängerung der Frist abgelehnt (wird), weil über die Bewilligung von PKH entschieden ist". Nach dieser Entscheidung war die Beklagte gehalten, unverzüglich die Voraussetzungen für die Durchführung der Berufung auf eigene Kosten zu schaffen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muß sich der Antragsteller grundsätzlich binnen drei Werktagen nach Zustellung des Prozeßkostenhilfe verweigernden Beschlusses entscheiden, ob er das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchführen will oder nicht (st.Rspr., siehe z.B. BGH, Beschlüsse vom 28. November 1984 - IVb ZB 119/84, NJW 1986, 257, 258 und vom 10. November 1998 - VI ZB 21/98, VersR 1999, 1123, 1124 jeweils m.w.Nachw.). Hier hat die Beklagte die zur Durchführung der Berufung erforderlichen finanziellen Mittel nach eigenen Angaben erst am 16. Juni 2001, also später als einen Monat nach Ablehnung ihres Prozeßkostenhilfeantrags, beschafft. Dies gereicht ihr ebenso zum Verschulden wie der Umstand, daß sie ihren Prozeßbevollmächtigten nicht spätestens am 18. Juni 2001 zur unverzüglichen Fertigung der Berufungsbegründung innerhalb der bis zum 21. Juni 2001 verlängerten Begründungsfrist aufgefordert hat. Stattdessen hat sie ihren Prozeßbevollmächtigten mit Schreiben vom 19. Juni 2001 gebeten, das Mandat zu beenden, und einen anderen Rechtsanwalt um Fertigung der Berufungsbegründung gebeten, obwohl sie nach dem Inhalt der Verfügung des Vorsitzenden des Berufungsgerichts vom 7. Mai 2001 unbedingt damit rechnen mußte, daß ein weiterer Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist abgelehnt werde. Es kann danach keine Rede davon sein, daß die Beklagte ohne ihr Verschulden gehindert gewesen wäre, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten.

Auf den von der Beklagten mit der sofortigen Beschwerde erhobenen Einwand, ihr Prozeßbevollmächtigter habe die Berufung innerhalb der verbleibenden Zeit wegen Arbeitsüberlastung nicht mehr begründen können, kommt es danach nicht an.

3. Die sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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