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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.02.2004
Aktenzeichen: XI ZB 37/03
Rechtsgebiete: ZPO, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 574 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2
BRAGO § 25 Abs. 2
BRAGO § 28 Abs. 2 Nr. 2
BRAGO § 28 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XI ZB 37/03

vom 17. Februar 2004

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl

am 17. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden der Beschluß des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. Oktober 2003 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Ravensburg vom 8. April 2003 - 2 O 354/02 - dahingehend abgeändert, daß der Beklagte der Klägerin über die in diesem Beschluß festgesetzten Kosten hinaus weitere 76,39 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19. März 2003 zu erstatten hat.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 76,39 €.

Gründe:

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet und führt zur Festsetzung weiterer 76,39 € zugunsten der Klägerin. Die Klägerin kann gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Satz 1 und § 25 Abs. 2 BRAGO von dem Beklagten die geltend gemachten Reisekosten ihres erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten erstattet verlangen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall eine notwendige Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO dar (BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898, 900, vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902, vom 11. Februar 2003 - VIII ZB 92/02, NJW 2003, 1534, vom 18. Februar 2003 - XI ZB 10/02, AnwBl. 2003, 311, vom 10. April 2003 - I ZB 36/02, NJW 2003, 2027, vom 9. Oktober 2003 - VII ZB 45/02, BGHReport 2004, 70, 71 und vom 11. November 2003 - VI ZB 41/03, Umdruck S. 6).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann dann eingreifen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, daß ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozeßführung nicht erforderlich sein wird. Dies kommt in Betracht bei gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, die die Sache bearbeitet hat (BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2002 aaO S. 901, vom 10. April 2003 aaO S. 2028 und vom 9. Oktober 2003 aaO S. 71).

Die Voraussetzungen eines solchen Ausnahmetatbestandes liegen hier - entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts - nicht vor. Bei den im Rechtsstreit zu behandelnden Fragen - Schadensersatzhaftung einer Bank wegen Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit einer finanzierten Immobilienfondsbeteiligung sowie Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Widerrufs des zu diesem Zweck geschlossenen Kreditvertrages nach dem Haustürwiderrufsgesetz - handelt es sich um sehr komplexe, rechtlich schwierige Fragen, die im Zeitpunkt der Anspruchsbegründung am 22. Oktober 2002 noch nicht umfassend durch die Rechtsprechung geklärt waren (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12. November 2002 - XI ZR 47/01, BGHZ 152, 331 ff. sowie - im Streitfall handelt es sich um einen Personalkredit - Urteile vom 21. Juli 2003 - II ZR 387/02, WM 2003, 1762 ff., zum Abdruck in BGHZ vorgesehen, und vom 23. September 2003 - XI ZR 135/02, WM 2003, 2232 ff.). Im Hinblick darauf war es für die Klägerin kein Routinegeschäft, den Beklagten aus dem Darlehen in Anspruch zu nehmen. Dies gilt umso mehr, weil der zu beurteilende Fall des finanzierten Erwerbs von Anteilen an einer Immobilienfondsgesellschaft exemplarischen Charakter hatte und damit für die Klägerin von ganz erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung war.

Bei dieser Sachlage war es auch aus der Sicht einer über eine Rechtsabteilung verfügenden Bank naheliegend, daß eine sachgerechte und ihre Interessen vollständig wahrende Prozeßführung die mündliche Besprechung tatsächlicher oder rechtlicher Fragen mit dem Prozeßbevollmächtigten erforderlich machen würde (vgl. auch Senat, Beschluß vom 18. Februar 2003 - XI ZB 10/02, AnwBl. 2003, 311).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

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