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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 07.07.1998
Aktenzeichen: XI ZR 351/97
Rechtsgebiete: AGBG


Vorschriften:

AGBG § 8
AGBG § 8

Die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel einer Sparkasse, daß für die Ausstellung eines Sparkassenbuches ohne Kraftloserklärung ein Entgelt zu entrichten ist, unterliegt nicht der richterlichen Inhaltskontrolle nach §§ 9-11 AGBG.

BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 - XI ZR 351/97 - OLG Celle LG Lüneburg


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 351/97

Verkündet am: 7. Juli 1998

Weber Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 1998 durch den Vorsitzenden Richter Schimansky und die Richter Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth und Dr. Müller

für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. November 1997 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der klagende Verbraucherschutzverein hat nach seiner Satzung die Aufgabe, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrzunehmen. Die beklagte Sparkasse verwendet gegenüber ihren Kunden Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) mit dem Hinweis auf ein Preisverzeichnis. Ihr Konditionenkatalog enthält unter der Überschrift "Spareinlagen/Gebühren" folgende Klausel:

"Ausstellung eines Sparkassenbuches ohne Kraftloserklärung gemäß § 7 NSpVO 5 DM je angefangene 100 DM Guthaben maximal 150 DM minimal 15 DM."

Im Verfahren nach § 13 AGBG verlangt der Kläger von der Beklagten, die Verwendung dieser Entgeltklausel zu unterlassen. Das Landgericht und das Oberlandesgericht, dessen Urteil in WM 1998, 651 veröffentlicht ist, haben die Klage abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht hält die beanstandete preisregelnde Klausel für wirksam, weil sie gemäß § 8 AGBG einer Inhaltskontrolle nach § 9 bis 11 AGBG nicht unterliege. Hinsichtlich der Vergütung für die Ausstellung eines neuen Sparbuches fehle es an einer gesetzlichen Regelung, die ohne die Klausel als dispositives Recht eingreifen würde, so daß es den Parteien freistehe, Leistung und Gegenleistung im Vertrag frei zu bestimmen.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Klausel über die Berechnung einer gesonderten Vergütung für die Ausstellung eines Sparkassenbuches ohne Kraftloserklärung ist entgegen der Ansicht der Revision nach § 8 AGBG einer Überprüfung am Maßstab der §§ 9 bis 11 AGBG entzogen.

Die Ausstellung eines Ersatz-Sparkassenbuchs ist eine Sonderleistung im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile vom 15. Juli 1997 - XI ZR 269/96, WM 1997, 1663, zur Veröffentlichung in BGHZ 136, 261 vorgesehen, sowie vom 14. Oktober 1997 - XI ZR 167/96, WM 1997, 2244, jeweils m.w.Nachw.). Die Festlegung der dafür vom Kunden geschuldeten Gegenleistung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegt deshalb nicht der Inhaltskontrolle.

1. Die Sparkasse erfüllt mit der Ausstellung eines neuen Sparbuchs ohne Kraftloserklärung nicht etwa eine ihr nach §§ 368 f. BGB obliegende Pflicht, für die sie eine Vergütung nicht verlangen dürfte (vgl. BGHZ 114, 330, 333). Das Berufungsgericht hat insoweit mit Recht darauf hingewiesen, daß es sich bei dem Sparbuch nicht um eine Quittung handelt. Nach der Definition des § 368 BGB stellt die Quittung das schriftliche Bekenntnis über den Empfang der geschuldeten Leistung dar. Das Sparbuch ist dagegen ein qualifiziertes Legitimationspapier (vgl. z.B. Gößmann in Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechts-Handbuch § 71 Rdn. 42 ff.); die Folgen des Abhandenkommens sind in § 808 Abs. 2 Satz 2 BGB besonders geregelt. Im übrigen geht es - anders als in § 369 BGB - nicht um die Kosten der erstmaligen Ausstellung, sondern um die Gegenleistung für die Neuausstellung einer verloren gegangenen Urkunde.

Ob die Regelung des § 800 Satz 2 BGB angesichts ihrer mit § 369 Abs. 1 BGB übereinstimmenden Formulierung dahin auszulegen ist, daß für Erteilung einer neuen Schuldverschreibung auf den Inhaber keine Vergütung sondern nur Auslagenersatz verlangt werden kann (vgl. zu § 369 BGB MünchKomm/Heinrichs 3. Aufl. § 369 Rdn. 2 BGB), bedarf keiner Entscheidung. § 800 BGB ist auf Legitimationspapiere wie Sparkassenbücher nicht entsprechend anwendbar, weil deren Besitz - anders als bei Inhaberschuldverschreibungen - nicht Voraussetzung für den Anspruch ist.

2. Entgegen der Auffassung der Revision gebietet auch der Schutzzweck des § 8 AGBG keine über den Wortlaut der Vorschrift hinausgehende Erstreckung der Inhaltskontrolle auf Sonderleistungen. Soweit in früheren Urteilen des III. (BGHZ 95, 362, 370; 106, 42, 46) und auch des XI. Zivilsenats (BGHZ 118, 126, 127) die Kontrollfähigkeit auf den Schutzzweck der Vorschrift gestützt worden ist, handelte es sich um Klauseln, die entweder Zusatzentgelte für die mögliche Überschreitung des durch den vereinbarten Preis abgegoltenen Rahmens der Hauptleistung festlegten (Stundung fälliger Ratenzahlungen (BGHZ 95, 362) oder Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits unter Überschreitung des Limits (BGHZ 118, 12&)), oder aber um Regelungen, die mittelbar den abgesprochenen Preis erhöhten (BGHZ 106, 42). Darum geht es hier nicht. Es kann deshalb offenbleiben, ob unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des erkennenden Senats an diesem Ansatzpunkt festzuhalten ist.

Der Sparvertrag sieht keine Vergütungspflicht des Kunden für die Hauptleistung der Bank vor. Es existiert deshalb keine Preisvereinbarung für die Hauptleistung, durch die die Aufmerksamkeit des Kunden von zusätzlichen Vergütungen für eine spätere Erweiterung des Leistungsrahmens oder aber von preiserhöhenden Nebenabreden abgelenkt werden könnte. Bei dem durch die beanstandete Klausel festgelegten Entgelt für die Ausstellung eines neuen Sparbuchs als Ersatz für das verloren gegangene handelt es sich im übrigen auch nicht um eine Erweiterung des ursprünglichen Vertragsrahmens, sondern um eine echte Zusatzleistung für den - vom Kunden möglicherweise für unwahrscheinlich gehaltenen und deshalb nicht in Betracht gezogenen - Fall eines Abhandenkommens. Daß für die Ersatzausstellung einer verloren gegangenen Legitiomationsurkunde häufig auch dann ein Entgelt zu entrichten ist, wenn die Urkunde kostenfrei zur Verfügung gestellt worden war, entspricht der Lebenserfahrung. Die durch § 8 AGBG bezweckte Sicherstellung einer Inhaltskontrolle aller die geltende Rechtslage zugunsten des Verwenders ändernden Klauseln gebietet es nicht, auch für echte Zusatzleistungen auf rechtsgeschäftlicher Grundlage eine gerichtliche Überprüfung zu ermöglichen, zumal dispositives Gesetzesrecht, das an die Stelle der Preisvereinbarung treten könnte, in allen diesen Fällen fehlt.

3. Entgegen der Ansicht der Revision besteht im Hinblick auf die vom Rat der Europäischen Union am 5. April 1993 verabschiedeten Richtlinie über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 93/13/EWG (NJW 1993, 1838) kein Anlaß zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung.

Der Bundesgesetzgeber hat die an die Mitgliedsstaaten gerichtete und nur für sie verbindliche Richtlinie mit Gesetz vom 19. Juli 1996 (BGBl. I 1013) in nationales Recht umgesetzt. Er hat dabei zu einer Änderung des § 8 AGBG wegen seiner Übereinstimmung mit Art. 4 Nr. 2 der Richtlinie keinen Anlaß gesehen (BT-Drucks. 13/2713 S. 5; vgl. auch Bunte, DB 1996, 1389, 1391). Die Beantwortung der Frage, ob die beanstandete Klausel einer Überprüfung am Maßstab der §§ 9-11 AGBG entzogen ist, ist Sache der deutschen Gerichte, über die der Europäische Gerichtshof nach Art. 177 EGV nicht zu entscheiden hat.

Ende der Entscheidung

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