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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.12.2003
Aktenzeichen: XI ZR 474/02
Rechtsgebiete: ZPO, EuGVÜ


Vorschriften:

ZPO § 513 Abs. 2
EuGVÜ Art. 5 Nr. 1
a) Die Berufung kann auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) darauf gestützt werden, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine internationale Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat.

b) Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ begründet für die Klage aus einem Scheck, der zur Begleichung einer Kaufpreisschuld hingegeben wurde, keinen Gerichtsstand am Erfüllungsort der Kaufpreisforderung.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XI ZR 474/02

Verkündet am: 16. Dezember 2003

in dem Rechtsstreit

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2003 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe und die Richter Dr. Bungeroth, Dr. Müller, Dr. Wassermann und Dr. Appl

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 22. November 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die B. Gerüstbau (im folgenden: Verkäuferin) verkaufte der Beklagten, die ihren Sitz in der Gemeinde K. in Österreich hat, gebrauchtes Gerüstbaumaterial zum Preis von 220.000 DM. Die Beklagte holte einen Teil der Ware in der Niederlassung der Verkäuferin in M. ab und zahlte 120.000 DM. Über den Restbetrag von 100.000 DM stellte sie an ihrem Geschäftssitz am 18. September 2001 auf Bitte der Verkäuferin einen auf die Bank ... in G. /Österreich gezogenen Scheck für die Klägerin als Zahlungsempfängerin aus. Die Verkäuferin hatte dieser den Restkaufpreisanspruch abgetreten. Der Scheck wurde von der bezogenen Bank bei Vorlage nicht eingelöst.

Die Klägerin hat die Beklagte im Scheckprozeß auf Zahlung von 100.208,24 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat gerügt, daß das angerufene Landgericht Duisburg international nicht zuständig sei. Zur Zahlung der Schecksumme sei sie nicht verpflichtet, da das verkaufte Gerüstbaumaterial Mängel aufweise.

Das Landgericht hat der Klage durch Scheckvorbehaltsurteil stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Unzuständigkeit der deutschen Gerichte für die Scheckklage die Abstandnahme vom Urkundenprozeß erklärt, ihre Klage auf den Anspruch aus dem Kaufvertrag gestützt und die Scheckklage nur für den Fall weiterverfolgt, daß das Berufungsgericht die Abstandnahme nicht zulasse. Die Beklagte hat dem widersprochen. Das Oberlandesgericht hat den Übergang in das ordentliche Verfahren sowie die Klageänderung nicht zugelassen und die Scheckklage als unzulässig abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

Die Revision ist nicht begründet.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in IHR 2003, 81 ff. veröffentlicht ist, hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Die im Scheckprozeß erhobene Klage sei unzulässig, da den deutschen Gerichten die internationale Zuständigkeit fehle. Die Neufassung des § 513 Abs. 2 ZPO durch die am 1. Januar 2002 in Kraft getretene ZPO-Reform stehe einer Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts nicht entgegen. Zwar könne die Berufung danach nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen habe. Dies umfasse dem Wortlaut nach auch die Rüge der internationalen Zuständigkeit. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich indes nicht, daß der Gesetzgeber die Frage der Kontrolle der internationalen Zuständigkeit im zweiten Rechtszug geprüft und entschieden habe.

Nach Art. 2 EuGVÜ sei die Beklagte grundsätzlich an ihrem Sitz in Österreich zu verklagen. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergebe sich nicht aus der allein in Betracht kommenden Ausnahmeregelung des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ. Danach könne eine Person, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bildeten, vor dem Gericht des Erfüllungsortes verklagt werden. Streitgegenstand sei ein Anspruch aus einem Scheckbegebungsvertrag, der in Österreich zu erfüllen sei. Der Erfüllungsort bestimme sich nach dem Recht, das nach den Kollisionsnormen des mit der Sache befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich sei. Art. 63 ScheckG unterstelle die Wirkungen der Scheckerklärungen dem Recht des Landes, in dessen Gebiet die Erklärungen unterschrieben worden seien, d.h. hier Österreich. Nach Art. 2 Abs. 2 des österreichischen Scheckgesetzes gelte mangels besonderer Angabe der bei dem Namen des Bezogenen angegebene Ort G. /Österreich als Zahlungsort.

Die Klägerin könne ihren Klageantrag im Berufungsverfahren nicht durch Übergang in das ordentliche Verfahren und Klageänderung auf Ansprüche aus dem Kaufvertrag stützen. Die Regelung des § 596 ZPO, die ein Abstehen von dem Urkundenprozeß bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erlaube, betreffe nach Inkrafttreten der ZPO-Reform jedenfalls nicht mehr das Verfahren im Scheckprozeß in zweiter Instanz. Das Berufungsverfahren wiederhole nicht die Tatsacheninstanz, sondern diene der Fehlerkontrolle und -beseitigung. Wechsele der Kläger die Prozeßart und stütze er sich auf Ansprüche aus dem Grundgeschäft, so verändere er den Streitgegenstand. Bei Zulassung einer solchen Abstandnahme müsse das Berufungsgericht sich mit Anspruchsgründen und Einwendungen sowie Einreden befassen, die gegenüber dem zu- oder aberkannten Scheckanspruch des erstinstanzlichen Urteils einen völlig neuen Streitstoff einführten, für den das Ergebnis der bisherigen Prozeßführung nicht verwertet werden könne. Sinn und Zweck der Beschränkung des Tatsachenstoffs (§ 529 ZPO) und der Novenbeschränkung nach § 531 Abs. 2 ZPO ließen dies nicht zu.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

1. Das Berufungsgericht ist mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß die von der Klägerin im Scheckprozeß erhobene Klage unzulässig ist. Obwohl das Landgericht seine Zuständigkeit angenommen hatte, war das Berufungsgericht zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte befugt. Diese ist nicht gegeben.

a) Da die mündliche Verhandlung vor dem Landgericht nach dem 1. Januar 2002 geschlossen wurde, gelten sowohl für die Berufung als auch für die Revision die Regelungen der Zivilprozeßordnung in der seit dem 1. Januar 2002 gültigen Fassung (vgl. § 26 Nr. 5 und 7 EGZPO). Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, ist das Revisionsgericht auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) befugt, die internationale Zuständigkeit zu prüfen (BGHZ 153, 82, 84 ff.; BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 203/02, WM 2003, 1542, 1543).

b) Dies gilt auch für das Berufungsgericht. Die Vorschrift des § 513 Abs. 2 ZPO, nach der die Berufung nicht darauf gestützt werden kann, daß das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, bezieht sich - wie § 545 Abs. 2 ZPO im Revisionsverfahren - nicht auf die internationale Zuständigkeit (OLG Celle ZIP 2002, 2168, 2170; Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 4. Aufl. Rdn. 1009 und 1855; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO 24. Aufl. § 513 Rdn. 8; Albers, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 62. Aufl. § 513 Rdn. 5; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO 25. Aufl. § 513 Rdn. 3; a.A. OLG Stuttgart MDR 2003, 350 f.; MünchKomm/Rimmelspacher, ZPO 2. Aufl. Aktualisierungsbd. § 513 Rdn. 16; Musielak/Ball, ZPO 3. Aufl. § 513 Rdn. 7). Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses war anerkannt, daß die internationale Zuständigkeit in jedem Verfahrensabschnitt von Amts wegen zu prüfen war (BGHZ 44, 46 ff.; 115, 90, 91; 134, 127, 129 f.; BGH, Urteil vom 17. Dezember 1998 - IX ZR 196/97, WM 1999, 226, 227). Weder dem Wortlaut des § 513 Abs. 2 ZPO noch der Gesetzesbegründung ist in hinreichender Weise zu entnehmen, daß der Gesetzgeber daran etwas ändern wollte.

Das Gesetz stellt darauf ab, daß das Gericht des ersten Rechtszugs "seine" Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Dieser Wortlaut läßt sich auch dahin verstehen, daß unter diesen Voraussetzungen nur die Zuständigkeitsverteilung unter den deutschen Gerichten, nicht aber diejenige zwischen den deutschen und den ausländischen Gerichten einer Nachprüfung durch das Berufungsgericht entzogen ist (vgl. BGHZ 153, 82, 85 zu § 545 Abs. 2 ZPO).

Nach der Gesetzesbegründung sollen durch § 513 Abs. 2 ZPO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und der Entlastung der Berufungsgerichte Rechtsmittelstreitigkeiten vermieden werden, die allein auf die Frage der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts gestützt werden. Die von diesem geleistete Sacharbeit solle nicht wegen fehlender Zuständigkeit hinfällig werden (BT-Drucks. 14/4722, S. 94). Diese Hinweise sind zu allgemein, als daß angenommen werden könnte, der Gesetzgeber habe die internationale Zuständigkeit ebenso wie die Zuständigkeitsverteilung unter den - unterstelltermaßen gleichwertigen (BGHZ 44, 46, 49) - innerstaatlichen Gerichten teilweise der Nachprüfung im Berufungsverfahren entziehen wollen (vgl. BGHZ 153, 82, 86). Die internationale Zuständigkeit hat ein ungleich höheres Gewicht als die örtliche, sachliche oder funktionelle Zuständigkeit. Sie betrifft die Abgrenzung zu den Souveränitätsrechten anderer Staaten und sie entscheidet über das internationale Privatrecht - und damit nicht selten mittelbar über das materielle Recht - sowie das Verfahrensrecht, das Anwendung findet. Die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit kann demgemäß im Gegensatz zu der Zuständigkeitsabgrenzung unter den deutschen Gerichten die sachliche Entscheidung des Prozesses vorwegnehmen (BGHZ 44, 46, 50; 153, 82, 86).

c) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist für die von der Klägerin im Scheckprozeß erhobene Klage nicht gegeben.

aa) Das Berufungsgericht hat die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte mit Recht nach dem Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) beurteilt, das im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Österreich anwendbar ist. Die Vorschriften der Verordnung 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) sind nur auf solche Klagen anwendbar, die nach deren Inkrafttreten am 1. März 2002 erhoben worden sind (Art. 66 Abs. 1, Art. 76 Abs. 1 EuGVVO). Die Klage im Scheckprozeß ist der Beklagten jedoch bereits im November 2001 zugestellt worden.

bb) Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVÜ können Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, grundsätzlich nur vor den Gerichten dieses Staats verklagt werden. Der Sitz von Gesellschaften und juristischen Personen steht dabei dem Wohnsitz gleich (Art. 53 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ). Die Beklagte hat ihren Sitz in dem Vertragsstaat Österreich. Die Gerichte eines anderen Vertragsstaats sind gemäß Art. 3 EuGVÜ international nur zuständig, soweit das Übereinkommen Ausnahmen regelt. Aus den Zuständigkeitsbestimmungen der Zivilprozeßordnung, insbesondere aus § 23 ZPO, dessen Anwendung in Art. 3 Abs. 2 EuGVÜ ausdrücklich ausgeschlossen ist, kann die Zulässigkeit der Klage daher entgegen der von der Klägerin zunächst vertretenen Ansicht nicht hergeleitet werden.

cc) Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist nicht durch rügelose Einlassung der Beklagten gemäß Art. 18 EuGVÜ begründet worden. Die Begründung der internationalen Zuständigkeit wird verhindert, wenn der Beklagte die internationale Zuständigkeit rügt und sich gleichzeitig hilfsweise zur Hauptsache einläßt (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Juni 1981 - Rs 150/80, Slg. 1981, 1671, 1685, Rz. 12 ff. - Elefanten Schuh). So liegt es hier.

dd) Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, daß sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte nicht aus Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ergibt. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

In diesem Zusammenhang braucht die umstrittene Frage, ob der Rückgriffsanspruch des Schecknehmers gegen den Aussteller als vertraglicher Anspruch (so Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl. Einl. WG Rdn. 28 und Einl. ScheckG Rdn. 16; Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 62 Rdn. 23; MünchKomm/Häuser, HGB Bd. V ZahlungsV Rdn. D 203) oder als gesetzlicher Anspruch (so LG Göttingen RIW 1977, 235; LG Bayreuth IPRax 1989, 230 f.; LG Frankfurt a.M. IPRax 1997, 258 f.; Hueck/Canaris, Recht der Wertpapiere 12. Aufl. § 3 I 2 b) anzusehen ist, nicht entschieden zu werden. Auch wenn man den von der Klägerin geltend gemachten Rückgriffsanspruch als Anspruch aus einem Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ansieht, folgt aus dieser Bestimmung keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Der Gerichtsstand des Erfüllungsorts liegt in diesem Fall nicht in der Bundesrepublik Deutschland. Die maßgebliche scheckrechtliche Verpflichtung der Beklagten ist vielmehr in Österreich zu erfüllen.

(1) Der Ort, an dem die Kaufpreisschuld von der Beklagten zu erfüllen ist, ist für die internationale Zuständigkeit des Gerichts, das über die von der Klägerin im Scheckprozeß erhobene Klage zu entscheiden hat, entgegen der Auffassung der Revision unerheblich.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften ist für die Bestimmung des Erfüllungsorts im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ die Verpflichtung heranzuziehen, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1976 - Rs 14/76, Slg. 1976, 1497, 1508, Rz. 13/14 - de Bloos, vom 15. Januar 1987 - Rs 266/85, Slg. 1987, 239, 254, Rz. 9 - Shenavai und vom 5. Oktober 1999 - Rs C-420/97, Slg. I 1999, 6747, 6790, Rz. 31 - Leathertex). Etwas anderes gilt dann, wenn der Kläger seine Klage in einem Rechtsstreit auf mehrere Verpflichtungen stützt, die sich aus einem einzigen Vertrag ergeben. In diesem Fall folgt Nebensächliches der Hauptsache. Bei mehreren streitigen Verpflichtungen entscheidet die Hauptpflicht über die Zuständigkeit des Gerichts (EuGH, Urteile vom 15. Januar 1987 aaO S. 256 Rz. 19 und vom 5. Oktober 1999 aaO S. 6792 Rz. 39). Wird die Erfüllung mehrerer gleichrangiger Pflichten aus einem Vertragsverhältnis eingeklagt, so ist für jede von ihnen gesondert zu prüfen, ob der Erfüllungsort im Gerichtsstaat liegt (EuGH, Urteil vom 5. Oktober 1999 aaO Rz. 40 f.).

Nach diesen Grundsätzen scheidet der Erfüllungsort der Kaufpreisschuld als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit des Gerichts, das über den Rückgriffsanspruch des Schecknehmers gegen den Aussteller zu entscheiden hat, aus. Auch wenn der Scheck erfüllungshalber hingegeben wird und damit letztlich dem Ausgleich der Kaufpreisforderung dient, so ergibt sich die Verpflichtung des Ausstellers keinesfalls - schon gar nicht als Nebenpflicht - aus dem Kaufvertrag. Sieht man die Verpflichtung als vertragliche an, so beruht sie auf dem schuldrechtlichen Teil des gesondert abgeschlossenen Begebungsvertrags.

(2) Die scheckrechtliche Verpflichtung der Beklagten ist, wie das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat, in dem Ort G. in Österreich zu erfüllen.

Der Erfüllungsort im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ ist nach dem Recht zu ermitteln, das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befaßten Gerichts für die streitige Verpflichtung maßgeblich ist (EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1976 - Rs 12/76, Slg. 1976, 1473, 1486, Rz. 15 - Tessili; vom 5. Oktober 1999 aaO S. 6791 Rz. 33 und vom 19. Februar 2002 - Rs C-256/00, Slg. I 2002, 1699, 1728 Rz. 33 - Besix). Gemäß Art. 63 ScheckG bestimmen die Wirkungen der Scheckerklärungen sich nach dem Recht des Landes, in dessen Gebiet die Erklärungen unterschrieben worden sind. Zu den Wirkungen einer Scheckerklärung gehört alles, was die Haftung des Scheckschuldners betrifft (vgl. Baumbach/Hefermehl, 22. Aufl. Art. 63 SchG Rdn. 1 und Art. 93 WG Rdn. 1; Nobbe, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch 2. Aufl. § 62 Rdn. 20). Dazu gehört auch der Erfüllungsort. Da die Beklagte den Scheck in K. /Österreich unterschrieben hat, ist das österreichische Recht, das keine Rückverweisung auf das deutsche Recht enthält (vgl. Art. 63 des österreichischen Scheckgesetzes), maßgeblich.

Das Berufungsgericht ist unter Anwendung des Art. 2 Abs. 2 des österreichischen Scheckgesetzes zu dem Ergebnis gelangt, daß die Verpflichtung der Beklagten aus dem Scheck in G. /Österreich zu erfüllen ist. Insoweit ist die angefochtene Entscheidung für das Revisionsgericht bindend, weil sie auf der Anwendung ausländischen Rechts beruht (§ 545 Abs. 1, § 560 ZPO). Diese Bindung besteht auch, soweit von der Anwendung ausländischen Rechts die Entscheidung über eine von Amts wegen zu prüfende Prozeßvoraussetzung, insbesondere die internationale Zuständigkeit, abhängt (BGHZ 89, 325, 331; BGH, Urteil vom 6. November 1991 - XII ZR 240/90, NJW 1992, 438, 439; a.A. Geimer, Internationales Zivilprozeßrecht 4. Aufl. Rdn. 2606). Ihr steht nicht entgegen, daß die vom Berufungsgericht herangezogene Vorschrift des ausländischen Rechts - wie hier - den gleichen oder einen ähnlichen Wortlaut wie die entsprechende Vorschrift des deutschen Rechts hat (BGH, Urteile vom 29. September 1977 - II ZR 204/75, WM 1977, 1322 und vom 23. Januar 1996 - VI ZR 291/94, NJW-RR 1996, 732).

2. Soweit das Berufungsgericht die vom Kläger in zweiter Instanz vorgenommene Umstellung der Klage auf Ansprüche aus dem Kaufvertrag als unzulässig angesehen hat, hält dies jedenfalls im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand.

Dabei kann offenbleiben, ob dem Berufungsgericht insoweit zu folgen ist, als es für den Scheckprozeß davon ausgeht, daß die vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bejahte grundsätzliche Anwendbarkeit des § 596 ZPO auch im Berufungsverfahren (vgl. BGHZ 29, 337, 339 f.; 69, 66, 69; Senatsurteile vom 1. Februar 1994 - XI ZR 105/93, WM 1994, 455, 456 und vom 19. Oktober 1999 - XI ZR 308/98, WM 1999, 2324, 2326) seit dem Inkrafttreten der ZPO-Reform am 1. Januar 2002 keine Geltung mehr beanspruchen könne (so auch Zöller/Greger, ZPO 24. Aufl. § 596 Rdn. 4; a.M. dagegen Schellhammer, Zivilprozeß 10. Aufl. Rdn. 1841; Musielak/Voit, ZPO 3. Aufl. § 596 Rdn. 7). Die Klägerin hat sich nicht darauf beschränkt, in der Berufungsinstanz vom Urkundenprozeß (Scheckprozeß) abzustehen und in das ordentliche Verfahren überzugehen. Sie hat darüber hinaus den Klageanspruch ausgewechselt, indem sie ihre Klage nicht mehr auf Forderungen aus dem Scheck, sondern auf solche aus dem Kaufvertrag gestützt hat. Die Zulässigkeit der darin liegenden Klageänderung muß - unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Abstandnahme vom Urkundenprozeß - am Maßstab des § 533 ZPO geprüft werden. Die Zulässigkeit dieser Klageänderung hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht verneint.

Nach § 533 Nr. 2 ZPO ist eine Klageänderung nur zulässig, wenn die geänderte Klage auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Daran fehlt es hier. Das Landgericht hat zur Berechtigung der Kaufpreisforderung keine Feststellungen getroffen. Ohne die Klageänderung kommt es auf solche Feststellungen auch nicht an, da die Scheckklage - wie dargelegt - unzulässig ist.

III.

Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen.



Ende der Entscheidung

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