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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: XII ZB 11/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 85 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 11/04

vom 19. Mai 2004

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des 26. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln als Senat für Familiensachen vom 1. Dezember 2003 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Wert: 3.302 €

Gründe:

I.

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 8. Juli 2003, der Beklagten zugestellt am 24. Juli 2003, einen Vergleich der Parteien über die Leistung nachehelichen Unterhalts abgeändert. Die Beklagte hat hiergegen am 25. August 2003 (Montag) Berufung eingelegt und diese mit einem am 25. September 2003 (Donnerstag) eingegangenen Schriftsatz vom 23. September 2003 begründet.

Hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist hat sie am 26. September 2003 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und geltend gemacht, daß die Fristversäumung in der Kanzlei ihres Prozeßbevollmächtigten durch ein Versehen der dort tätigen zuverlässigen Rechtsanwaltsgehilfin verursacht worden sei, das ihr nicht zugerechnet werden könne. Die Berufungsbegründungsfrist sei für den 24. September 2003, die Vorfrist für den 23. September 2003 in den Fristenkalender eingetragen worden. Die Berufungsbegründung sei am 23. September 2003 geschrieben und vom Prozeßbevollmächtigten der Beklagten unterschrieben worden; mit der Entgegennahme der unterschriebenen Berufungsbegründung habe die Rechtsanwaltsgehilfin die Vorfrist gelöscht und abends die Berufungsbegründung einkuvertiert und in die Postausgangsmappe gelegt. Den Umschlag habe die Rechtsanwaltsgehilfin - was dieser bekannt sei und auch stets von ihr umgesetzt werde - dem Prozeßbevollmächtigten persönlich übergeben sollen, damit dieser sie am 24. September 2003 in den Briefkasten des Oberlandesgerichts einwerfe. Da der Prozeßbevollmächtigte am 24. September 2003 nur von 16.45 Uhr bis 16.55 Uhr in seiner Kanzlei gewesen sei, habe die Rechtsanwaltsgehilfin es unterlassen, den Umschlag mit der Berufungsbegründung aus der Postausgangsmappe zu nehmen und ihn dem Prozeßbevollmächtigten zwecks Einwurfs in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts zu übergeben. Auch der Prozeßbevollmächtigte habe keine Nachschau gehalten, ob Poststücke des Vortags in der Sammelmappe für die persönliche Verbringung verblieben waren. Die Berufungsbegründungsfrist habe die Rechtsanwaltsgehilfin "abgehakt", weil der Prozeßbevollmächtigte sämtliche Post unterschrieben habe und diese auf den Postweg gegeben worden sei. Die Rechtsanwaltsgehilfin hat die Richtigkeit dieses Vortrags an Eides statt versichert.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO), aber nicht zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsordnung fordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht. Die Beklagte ist weder in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz noch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Das Oberlandesgericht hat vielmehr im Ergebnis zu Recht den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und deren Berufung folglich als unzulässig verworfen.

Gemäß §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO darf der Beklagten nur dann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn ihren Prozeßbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist kein Verschulden trifft. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muß ein Rechtsanwalt bei der Organisation der Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze die Vorkehrungen treffen, die geeignet sind, eine Versäumung der Rechtsmittelbegründungsfrist bei normalem Geschäftsgang aller Voraussicht nach zu vermeiden (vgl. etwa BGH Beschluß vom 22. November 1990 - VII ZB 11/90 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 14). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Der Vortrag der Beklagten läßt, wie das Oberlandesgericht zu Recht anmerkt, nicht zweifelsfrei erkennen, ob das in der Kanzlei ihres Prozeßbevollmächtigten tätige Personal Fristsachen, die der Prozeßbevollmächtigte nach der in seiner Kanzlei bestehenden Übung selbst in die betreffenden Gerichtsbriefkästen einwirft, dem Prozeßbevollmächtigten von Hand zu Hand zu übergeben hatte oder ob der von dem Prozeßbevollmächtigten angeordneten "persönlichen Aushändigung" bereits dann entsprochen war, wenn die Fristsachen für ihn zur Mitnahme in der Postausgangsmappe bereitgelegt wurden. Die Frage kann dahinstehen; denn in beiden Varianten ergibt das Vorbringen der Beklagten nicht, daß ihr Prozeßbevollmächtigter frei von einem Verschulden an der Fristversäumung ist. Bedurfte es nach den in der Kanzlei geltenden Anweisungen einer von Hand-zu-Hand-Aushändigung fristgebundener Schriftsätze an den Prozeßbevollmächtigten zwecks Einwurfs in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts, hätte durch Anweisungen sichergestellt werden müssen, daß die Notfrist im Fristenkalender erst gelöscht werden darf, wenn die erforderliche Übergabe des fristgebundenen Schriftsatzes von Hand-zu-Hand erfolgt war; denn erst dann wäre alles seitens der Kanzlei Erforderliche getan, um die Post fristgerecht auf den Weg zu bringen. Eine solche Anweisung ist nicht vorgetragen; ihr Fehlen wäre ein Organisationsverschulden des Prozeßbevollmächtigten, das sich die Beklagte zurechnen lassen müßte. Durfte sich das Kanzleipersonal dagegen nach den ihm erteilten Anweisungen darauf beschränken, fristgebundene Schriftsätze zur Beförderung durch den Prozeßbevollmächtigten in der dafür vorgesehenen Postausgangsmappe bereitzulegen, hätte der Prozeßbevollmächtigte sich durch eigene Nachschau davon überzeugen oder mittels anderer geeigneter Vorkehrungen sicherstellen müssen, daß für ihn zur Mitnahme bereitgelegte fristgebundene Schriftstücke rechtzeitig von ihm entnommen werden und nicht - wie geschehen - über den Fristablauf hinaus in der Postausgangsmappe verbleiben. Das Unterlassen einer solchen Nachschau bei gleichzeitigem Fehlen anderweitiger Vorkehrungen stellte sich dann als ein eigenes Fehlverhalten des Prozeßbevollmächtigten dar, das der Beklagten ebenfalls zugerechnet würde (vgl. zum Ganzen Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 1993 - XII ZB 155/93 - BGHR ZPO § 233 Fristenkontrolle 31 und vom 27. November 1996 - XII ZB 177/96 - BGHR aaO Ausgangskontrolle 8 sowie vom 5. Juli 2000 - XII ZB 112/99 - nicht veröffentlicht).

Ende der Entscheidung

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