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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.01.2001
Aktenzeichen: XII ZB 119/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 519 b Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 119/00

vom

10. Januar 2001

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 24. Mai 2000 aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Verfahrens der Beschwerde - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Wert: 30.260 DM.

Gründe:

I.

Die Kläger sind in ungeteilter Erbengemeinschaft Eigentümer eines gewerblichen Grundstücks. Das Grundstück war an die O. GmbH vermietet und diese hatte es an die Beklagte untervermietet. Als sich im Jahre 1997 die O. GmbH in Liquidation befand, wurde jedenfalls erwogen, die Beklagte solle als Hauptmieterin anstelle der O. GmbH in den Mietvertrag eintreten. Ob es zu einem Mietvertrag zwischen den Parteien gekommen ist, ist streitig.

Rechtsanwalt K. hat sich für die Kläger bestellt und mit zwei Mahnbescheiden rückständigen Mietzins und Nebenkosten gegen die Beklagte geltend gemacht. Nachdem die Beklagte Widerspruch eingelegt hatte, wurden die beiden Verfahren miteinander verbunden. Die Beklagte hat bestritten, daß Rechtsanwalt K. von dem Kläger zu 1 eine entsprechende Prozeßvollmacht erhalten habe. Rechtsanwalt M. hat sich für die Kläger bestellt und mitgeteilt, außer ihm habe niemand von den Klägern Prozeßvollmacht erhalten. Daraufhin hat Rechtsanwalt K. das Mandat niedergelegt.

Das Landgericht hat durch Versäumnisurteil die Klage abgewiesen. Gegen dieses Versäumnisurteil haben die Rechtsanwälte A. und S. für die Kläger Einspruch eingelegt und beantragt, unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Klage als unzulässig abzuweisen und die Kosten des Rechtsstreits Rechtsanwalt K. aufzuerlegen.

Zur Begründung haben sie ausgeführt, Rechtsanwalt K. habe als vollmachtloser Vertreter gehandelt. Deshalb sei ein Prozeßrechtsverhältnis zwischen den Partein nicht zustande gekommen und Rechtsanwalt K. müsse die Kosten des Rechtsstreits tragen.

Durch Urteil vom 4. Januar 2000 hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, Rechtsanwalt K. habe eine ordnungsgemäße Prozeßvollmacht für die Kläger gehabt und die Klage sei deshalb wirksam erhoben worden. Der eingeklagte Zahlungsanspruch könne den Klägern aber schon deshalb nicht zugesprochen werden, weil sie einen entsprechenden Sachantrag nicht mehr gestellt hätten (§ 308 Abs. 1 ZPO).

Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung eingelegt, mit der sie nach wie vor erreichen wollen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird und die Kosten des Rechtsstreits Rechtsanwalt K. auferlegt werden.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Kläger, mit der sie eine Entscheidung des Berufungsgerichts in der Sache erreichen wollen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 519 b Abs. 2 ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Kläger zu Unrecht als unzulässig verworfen.

1. Das Berufungsgericht führt aus, die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setze eine Beschwer des Rechtsmittelklägers voraus, die nicht allein im Kostenpunkt bestehen dürfe. Ob und inwieweit von einer Beschwer auszugehen sei, bestimme sich nach dem rechtskraftfähigen Inhalt der angefochtenen Entscheidung, wobei die Gründe zur Auslegung heranzuziehen seien. Das Landgericht habe zwar formell das ein Mietzahlungsbegehren der Kläger abweisende Versäumnisurteil aufrechterhalten. Der Sache nach habe es aber nicht mehr über einen entsprechenden Sachantrag der Kläger entschieden, weil ein diesbezüglicher Anspruch von ihnen nicht mehr weiterverfolgt worden sei. Das Landgericht habe vielmehr über einen geänderten, auf Feststellung der Unzulässigkeit der in ihrem Namen erhobenen Klage gerichteten Antrag der Kläger befunden, der mit dem Ziel verbunden gewesen sei, eine Verurteilung des Rechtsanwalts K. in die Kosten zu erreichen. Es sei deshalb zu befinden gewesen "über die Abwehr der einer der Prozeßparteien nachteiligen Kostenentscheidung, die grundsätzlich von der Rechtsmittelbeschränkung durch § 99 Abs. 1 ZPO betroffen" werde. In einem solchen Fall die Berufung zuzulassen, hätte "unüberschaubare Unzuträglichkeiten zur Folge, die sich nicht mit Hilfe des gesetzgeberischen Normenwerkes, sondern allenfalls mittels einer weitreichenden richterlichen Rechtsfortbildung sach- und interessengerechten Lösungen zuführen ließen."

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

2. Eine Partei, die geltend machen will, der Rechtsstreit sei bisher gegen ihren Willen von einem vollmachtlosen Vertreter geführt worden, kann einen anderen bei dem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt ordnungsgemäß beauftragen und mit seiner Hilfe ihr Anliegen - auch durch das Einlegen eines Rechtsmittels - verfolgen (BGHZ 111, 219, 222 f.). Insofern bestehen gegen die Zulässigkeit der von den Klägern eingelegten Berufung keine Bedenken. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht auch, es fehle den Klägern an einer Beschwer. Ein Kläger, dessen Klage als unbegründet abgewiesen worden ist, ist auch dann beschwert und betreibt auch dann mit seinem Rechtsmittel eine Beseitigung dieser Beschwer, wenn er mit dem Rechtsmittel lediglich erreichen will, daß die Klage als unzulässig statt als unbegründet abgewiesen wird. Dies gilt deshalb, weil die Abweisung der Klage als unbegründet eine weiterreichende Rechtskraftwirkung hat als die Abweisung der Klage als unzulässig (BGH, Urteil vom 25. April 1956 - IV ZR 335/55 - LM § 511 ZPO Nr. 8; Zöller/Gummer, ZPO 22. Aufl. vor § 511 Rdn. 11; Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. vor § 511 Rdn. 22).

Die Zahlungsklage ist in erster Instanz zunächst durch Versäumnisurteil als unbegründet abgewiesen worden. Durch das mit der Berufung angefochtene Urteil hat das Landgericht dieses Versäumnisurteil uneingeschränkt aufrechterhalten. Würde dieses Urteil rechtskräftig, wäre rechtskräftig festgestellt, daß den Klägern der eingeklagte Zahlungsanspruch nicht zusteht. Sie könnten ihn nicht erneut gerichtlich geltend machen. Die Kläger haben ein berechtigtes Interesse daran, den Eintritt dieser Rechtskraftfolge zu verhindern. Sie machen geltend, daß die Klage ohne ihren Willen von einem vollmachtlosen Vertreter eingereicht worden sei. Es ist ihnen nicht zuzumuten, die gegen ihren Willen eingereichte Klage in diesem Prozeß in der Sache weiterzuverfolgen, nur um zu erreichen, daß ihnen der eingeklagte Anspruch nicht rechtskräftig aberkannt wird.

Da die Kläger beschwert sind und da das von ihnen eingelegte Rechtsmittel objektiv geeignet ist, diese Beschwer zu beseitigen, ist ihr Rechtsmittel zulässig. Sollte es ihnen letztlich nur darum gehen, eine Kostenentscheidung zum Nachteil des Rechtsanwalts K. zu erreichen, so wäre das lediglich ein Motiv für die Entscheidung, ein Rechtsmittel einzulegen. Ein solches Motiv würde die Berufung nicht unzulässig machen.



Ende der Entscheidung

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