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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.04.2004
Aktenzeichen: XII ZB 224/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 8
ZPO § 9
Zur Berechnung der Rechtsmittelbeschwer, wenn sich der Mieter eines getrennt angemieteten Garagenplatzes gegenüber der Kündigung des Vermieters darauf beruft, die Garage so lange wie die angemietete Wohnung nutzen zu dürfen, der Zeitpunkt der Beendigung der Wohnungsnutzung aber ungewiß ist.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 224/02

vom

14. April 2004

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und die Richterin Dr. Vézina

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Landgerichts Köln vom 7. November 2002 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 582,88 €

Gründe:

I.

Der Beklagte mietete von der Rechtsvorgängerin des Klägers mit schriftlichem Vertrag vom 24. Juni 1987 eine Wohnung sowie mit schriftlichem Vertrag vom 24. November 1987 einen Tiefgaragenplatz. Der Mietzins für die Tiefgarage belief sich auf zuletzt 65 DM monatlich. Nach Erwerb der Mietobjekte im Wege der Zwangsversteigerung kündigte der Kläger das Mietverhältnis über die Tiefgarage mit Schreiben vom 23. Juni 2001 und verlangte die Räumung und Herausgabe. Die Räumungsklage wurde dem Beklagten am 19. Januar 2002 zugestellt. Mit Schriftsatz seines Prozeßbevollmächtigten berief sich der Beklagte darauf, daß der Mietvertrag über den Tiefgaragenplatz mit dem Mietvertrag über die Wohnung eine Einheit bilde und deshalb nur zusammen mit diesem beendet werden könne.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Räumung des Tiefgaragenstellplatzes sowie zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 122,71 € und 61,36 € wegen nicht rechtzeitiger Räumung verurteilt. Das Landgericht hat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 582,88 € festgesetzt und die Berufung mit der Begründung als unzulässig verworfen, die in § 511 Abs. 2 Satz 1 ZPO bestimmte Berufungssumme von 600 € sei nicht erreicht. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde, mit der er geltend macht, die Berufungssumme habe mit dem Gebührenstreitwert nichts zu tun.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, da die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Berufung nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt. Bei der Prüfung dieser Frage hat das Berufungsgericht ersichtlich den von ihm auf 582,88 € festgesetzten Gebührenstreitwert zugrunde gelegt. Das war rechtsirrig. Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt sich die Höhe der Beschwer nicht nach § 16 GKG, sondern nach § 8 bzw. 9 ZPO (BGH, Senatsurteil vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 7/94 - NJW-RR 1996, 316). Damit hat das Berufungsgericht das Recht auf ein objektiv willkürfreies Verfahren verletzt und den Zugang zur Rechtsmittelinstanz rechtswidrig erschwert (BVerfG, AnwBl 1996, 643). Dadurch kann das Vertrauen in die Rechtsprechung insgesamt gefährdet werden (vgl. BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - V ZR 75/02 - NJW 2002, 2957). Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert deshalb die Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

Der Beklagte hat geltend gemacht, daß der Mietvertrag zusammen mit dem Mietvertrag über die Wohnung eine Einheit bilde und deshalb nur mit diesem beendet werden könne. Beruft sich der Nutzungsberechtigte gegenüber einer Kündigung auf Schutzregeln, die das Kündigungsrecht einschränken und ihm ein Recht zur Fortsetzung der Nutzung geben, so dauert die "streitige Zeit" im Sinne des § 8 ZPO bis zu dem Zeitpunkt an, den der Nutzungsberechtigte als den für ihn günstigsten Beendigungszeitpunkt des Miet- oder Pachtvertrages in Anspruch nimmt. Hat er - wie im vorliegenden Fall - keinen festen Zeitpunkt genannt, so ist darauf abzustellen, was er bereits in erster Instanz vermutlich gewollt hat. Ergeben sich dafür keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, so ist davon auszugehen, daß er zwar ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht für sich in Anspruch nimmt, daß der Zeitpunkt der Beendigung dieses Nutzungsrechts aber ungewiß ist. In einem solchen Fall ist nach der Rechtsprechung des Senats die "streitige Zeit" in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO zu bestimmen (BGH, Senatsurteil vom 25. Oktober 1995 aaO; LG Wiesbaden WuM 2000, 617; Fischer in: Bub/Treier Kap. VIII Rdn. 127; vgl. auch BGH, Senatsurteil vom 1. April 1992 - XII ZR 200/91 - NJW-RR 1992, 1359). Damit ist als Beschwer der 3 1/2-fache Jahresbetrag anzusetzen. Bei einer Monatsmiete von 65 DM übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes somit 600 €.

Ende der Entscheidung

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