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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.02.2008
Aktenzeichen: XII ZB 83/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 114 ff.
ZPO § 117
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZB 83/07

vom 20. Februar 2008

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2008 durch die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Ahlt und Dose

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken - als Familiensenat - vom 30. April 2007 aufgehoben.

2. Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in die Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 24. Januar 2007 gewährt.

3. Der Beklagten wird als Beschwerdeführerin für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Schott beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Kläger begehrt von der Beklagten Abänderung eines gerichtlichen Unterhaltsvergleichs, Rückzahlung zuviel geleisteten Unterhalts sowie Feststellung, dass die Beklagte weiteren zuviel gezahlten Unterhalt zurückzuzahlen hat. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat unter Abweisung der Klage im Übrigen - den von den Parteien geschlossenen Unterhaltsvergleich teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, von dem ihr für die Zeit von Dezember 2004 bis Januar 2006 geleisteten nachehelichen Unterhalt 510,52 € zurückzuzahlen; außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, von dem ihr für die Zeit von Februar 2006 bis Januar 2007 geleisteten nachehelichen Unterhalt 1.628,32 € zurückzuzahlen.

Nachdem der Kläger am 27. Februar 2007 Berufung eingelegt hat, hat die Beklagte am 28. Februar 2007 angekündigt, gegen dieses ihr am 29. Januar 2007 zugestellte Urteil, soweit es sie zur Rückzahlung von Unterhalt verurteilt und ihre Verpflichtung zur Rückzahlung von Unterhalt feststellt, ihrerseits Berufung einzulegen. Zugleich hat sie für die Durchführung dieser Berufung Prozesskostenhilfe beantragt. Sie hat dazu u.a. geltend gemacht, der Kläger habe - entgegen der Annahme des Amtsgerichts - in der Zeit ab Juni 2005 nicht 666,36 €, sondern - nach einstweiliger Einstellung der Zwangsvollstreckung in Höhe von 299,36 € monatlich - nur (666,36 € - 299,36 € =) 367 € monatlich Unterhalt an sie gezahlt. In der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat die Beklagte zwar (in der Rubrik C) angekreuzt, "Unterhaltsleistungen ... vom getrennt lebenden/geschiedenen Ehegatten" zu beziehen; die Höhe der Unterhaltsleistungen wird jedoch (in der Rubrik E "Bruttoeinnahmen") unter "andere Einnahmen" nicht angegeben.

Das Oberlandesgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 29. März 2007, zugestellt am 10. April 2007, abgelehnt, weil die (den vom Kläger gezahlten Unterhalt nicht berücksichtigenden) Einkünfte der Beklagten und der bei ihr lebenden drei Kinder die angegebenen Ausgaben nur um rund 73 € überstiegen und deshalb nicht ausreichten, den Lebensbedarf der Familie zu decken; die dargelegten Verhältnisse seien mithin nicht nachzuvollziehen.

Am 19. April 2007 hat die Beklagte Berufung eingelegt und beantragt, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; zugleich hat sie die Berufung begründet. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag mit Beschluss vom 30. April 2007, formlos übersandt am 4. Mai 2007, abgelehnt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 4. Juni 2007 eingelegten Rechtsbeschwerde.

Auf ihren erneuten Antrag (vom 23. April 2007) hat das Oberlandesgericht der Beklagten Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die vom Kläger eingelegte Berufung und für die Durchführung der von ihr vorsorglich eingelegten Anschlussberufung gewährt. In diesem Antrag ist die Frage nach Unterhaltszahlungen des getrennt lebenden/geschiedenen Ehegatten bejaht worden; der "Unterhalt von J. B. " ist sodann mit 367 € beziffert worden. Das Oberlandesgericht hat der Beklagten daraufhin Prozesskostenhilfe für die Rechtsverteidigung gegen die Berufung des Klägers sowie für ihre Anschlussberufung gewährt.

II.

Das Rechmittel hat Erfolg.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft. Sie ist auch zulässig, da die Ablehnung des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Beklagte in ihrem Recht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt und eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs deshalb zur Sicherung einer einheitlichen Rechsprechung geboten ist (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, bis zur Entscheidung über den Antrag so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Wahrnehmung einer fristwahrenden Handlung verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muss, weil er sich für bedürftig i.S. der §§ 114 ff. ZPO halten darf und aus seiner Sicht alles getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Prozesskostenhilfegesuch entschieden werden kann (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2005 - XII ZB 125/05 - FamRZ 2006, 32, 33 und vom 13. Januar 1999 - XII ZB 166/98 - VersR 2000, 252; BGH Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062 m.w.N.).

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass der Antrag den gesetzlichen Erfordernissen des § 117 ZPO entspricht. Die Partei muss sich über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse unter Verwendung des zu diesem Zweck eingeführten Vordrucks vollständig und in einer Weise erklären, die die gerichtliche Prüfung der Antragsvoraussetzungen ermöglicht. Wenn, wie hier, Prozesskostenhilfe für die Rechtsmittelinstanz beantragt wird, hängt deshalb die Wiedereinsetzung in eine versäumte Rechtsmittelfrist (auch) davon ab, dass die Partei bis zum Ablauf dieser Frist ihre wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig und übersichtlich dargestellt hat; dazu wird regelmäßig die fristgerechte Vorlage der Erklärung gemäß § 117 ZPO mit lückenlosen Angaben gefordert (Senatsbeschluss vom 13. Januar 1999 - XII ZB 166/98 - VersR 2000, 252).

Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegung der Bedürftigkeit allerdings nicht überspannt werden, weil dadurch der Zweck der Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen, deutlich verfehlt würde. Deshalb dürfen bei der Auslegung der Vorschriften über die Wiedereinsetzung die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, auch beim Zugang zu einer Rechtsmittelinstanz nicht überzogen werden. So kann die Partei, auch wenn der Vordruck gemäß § 117 ZPO einzelne Lücken enthält, u.U. gleichwohl darauf vertrauen, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe dargetan zu haben. Das kommt namentlich dann in Betracht, wenn auf andere Weise ohne weiteres, etwa anhand der beigefügten Unterlagen, etwaige Lücken geschlossen oder Zweifel beseitigt werden können (Senatsbeschluss vom 13. Februar 2008 - XII ZB 151/07 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGH Beschluss vom 21. September 2005 - IV ZB 21/05 - FamRZ 2005, 2062).

So liegen die Dinge auch hier. Die Beklagte hat in dem gemäß § 117 ZPO verwandten Vordruck unter Buchstabe C angegeben, vom Kläger Unterhalt zu erhalten; sie hat allerdings den vom Kläger geleisteten Betrag in den folgenden Angaben über ihre Bruttoeinnahmen (Buchstabe E des Vordrucks) nicht aufgeführt. Die Höhe des vom Kläger an die Beklagte gezahlten Unterhalts ergibt sich indes ohne weiteres aus der Begründung des von der Beklagten eingereichten ersten Prozesskostenhilfegesuchs selbst. Darin hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger habe zwar aufgrund eines von den Parteien geschlossenen Unterhaltsvergleichs bis Mai 2005 Unterhalt in Höhe von monatlich 666,36 € geleistet. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Vergleich sei jedoch am 28. April 2004 in Höhe von 299,36 € eingestellt worden; der Kläger zahle seither nur noch Unterhalt in Höhe von 367 € monatlich. Hierauf stützt die Beklagte auch ihre Berufung.

Für sich genommen stellt, wie das Oberlandesgericht insoweit mit Recht bemerkt, der von der Beklagten ausgefüllte Vordruck deren Verhältnisse nicht nachvollziehbar dar. Die Unterhaltsleistungen des Klägers an die Beklagte werden in ihm jedoch nicht verschwiegen; sie sind lediglich betragsmäßig nicht besonders aufgeführt. Damit enthält der von der Beklagten ausgefüllte Vordruck eine - offenkundige - Lücke; diese schließt sich jedoch, wenn die vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten verfasste Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs hinzugenommen wird. Diese Begründung ist knapp und leicht überschaubar abgefasst, so dass sich dem Leser die von der Beklagten behauptete Höhe der Unterhaltszahlungen des Klägers aus ihr - auch bei einer nur überschlägigen Lektüre - unmittelbar erschließt. Die Beklagte durfte deshalb erwarten, dass das Oberlandesgericht seiner Entscheidung über ihr Gesuch nicht nur die Angaben im ausgefüllten Vordruck, sondern auch die kurzgefassten und mühelos als solche erkennbaren Angaben über die Unterhaltszahlungen des Klägers in der Begründung ihres Prozesskostenhilfegesuchs zugrunde legen würde. Bei Berücksichtigung dieser Angaben hätte das Oberlandesgericht der Beklagten - wie auch später zur Verteidigung gegen die Berufung des Klägers und zur Durchführung ihrer Anschlussberufung geschehen - die Prozesskostenhilfe nicht mangels hinreichender Darlegung ihrer Bedürftigkeit verweigern dürfen. Die Beklagte musste deshalb bei Einreichung ihres Antrags auf Prozesskostenhilfe nicht mit dessen Ablehnung rechnen.

Der angefochtene Beschluss kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache zu entscheiden und der Beklagten die begehrte Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren. Da die Beklagte die Berufung zugleich mit ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht nur eingelegt, sondern auch begründet hat, kann der Beklagten von Amts wegen Wiedereinsetzung auch in die Berufungsbegründungsfrist gewährt werden (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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