Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 26.02.2003
Aktenzeichen: XII ZR 115/00
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 115/00

Verkündet am: 26. Februar 2003

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2003 durch die Richter Gerber, Sprick, Fuchs, Dr. Ahlt und die Richterin Dr. Vézina

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 8. März 2000 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob der Mietvertrag vom 21. Dezember 1992, den der Kläger als Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der K. Frankfurt (Oder) e.G. mit der Beklagten, einer Grundstücksverwaltungsgesellschaft der E. -Gruppe, für 10 Jahre fest abgeschlossen hat, durch eine von der Beklagten ausgesprochene Kündigung vorzeitig beendet worden ist. Der Kläger verlangt Mietzins für die Zeit nach der Kündigung.

§ 3 Ziffer 5 des Mietvertrages lautet:

"Auch innerhalb der festen Vertragslaufzeit ist der Mieter berechtigt, das Mietverhältnis außerordentlich mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende eines jeden Kalenderjahres schriftlich zu kündigen, wenn ein Betriebsergebnis (ohne Sonderabschreibungen) dieses Standortes, im Falle der Untervermietung auch für den Betreiber bezogen auf diesen Standort Verluste ausweist."

Die Beklagte vermietete die Räume weiter an die S. Warenvertriebs GmbH (im folgenden: S. GmbH), die in Brandenburg rund 50 Lebensmittelfilialen betreibt. Nachdem eine von der S. GmbH für das Kalenderjahr 1996 erstellte Rentabilitätsberechnung für eine in den Mieträumen betriebene Filiale einen Verlust von - bereinigt - 15.100 DM auswies, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 18. Juni 1997 den Mietvertrag gemäß § 3 Ziffer 5 des Mietvertrages zum 31. Dezember 1997. Ab 1. Januar 1998 stellte sie die Mietzahlungen ein.

Der Kläger ist der Auffassung, die Kündigung sei bereits deshalb unwirksam, weil die Beklagte dem Kündigungsschreiben keine Unterlagen beigefügt habe, aus denen sich das negative Betriebsergebnis für die Filiale ergebe. Im übrigen sei das Betriebsergebnis im Jahr 1996 auch nicht negativ gewesen. Mit der Klage verlangt der Kläger Miete ab 1. Januar 1998.

Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers, mit der dieser Mietzins für einen weiteren Zeitraum begehrt hat, hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht führt aus, die Beklagte habe den Mietvertrag wirksam zum 31. Dezember 1997 gekündigt. Die Kündigung sei nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte ihr keine Nachweise über das negative Geschäftsergebnis der Filiale im Jahre 1996 beigefügt habe. Der Wortlaut des § 3 Ziffer 5 des Mietvertrages sei eindeutig und biete keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagte das Vorliegen des außerordentlichen Kündigungsgrundes bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung beweisen müsse. Der Beklagten sei es daher unbenommen, die Berechtigung ihrer Kündigung im vorliegenden Rechtsstreit substantiiert darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Dieser Darlegungspflicht sei die Beklagte durch Vorlage des Kostenstellenberichts vom 6. Juni 1997 und des Prüfberichts der U. Prüfungs- und Treuhandgesellschaft mbH vom 8. Juni 1999 nachgekommen. Das einfache Bestreiten dieses substantiierten Vortrags sei prozessual unbeachtlich. Denn der Kläger habe sich, um die Beklagte zum Beweis ihres Vortrags zu veranlassen, im einzelnen mit dem Zahlenwerk des Kostenstellenberichts auseinandersetzen und dieses gegebenenfalls ganz oder teilweise substantiiert bestreiten müssen. Es sei somit davon auszugehen, daß das Betriebsergebnis der Filiale im Jahre 1996 unstreitig negativ gewesen sei.

II.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.

1. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, aus § 3 Ziffer 5 des Mietvertrages ergebe sich keine Vereinbarung der Parteien dahingehend, daß die Beklagte das Vorliegen des außerordentlichen Kündigungsgrundes bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung beweisen müsse. Die Ermittlung des Inhalts und der Bedeutung von Willenserklärungen und Individualvereinbarungen ist dem Tatrichter vorbehalten. Dessen Auslegung kann deshalb vom Revisionsgericht grundsätzlich nur darauf überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind und ob die Auslegung auf im Revisionsverfahren gerügten Verfahrensfehlern beruht (BGH Urteile vom 25. Februar 1992 - X ZR 88/90 - NJW 1992, 1967, 1968; vom 5. Januar 1995 - IX ZR 101/94 - NJW 1995, 959; vom 16. Dezember 1998 - VIII ZR 197/97 - NJW 1999, 1022, 1023, st.Rspr.). Einen derartigen Fehler rügt die Revision zu Unrecht. Auch eine interessengerechte Auslegung des Vertrages gebietet nicht die Annahme, der Nachweis eines negativen Betriebsergebnisses müsse schon bei Abgabe der Kündigungserklärung erbracht werden. Dem Interesse des Klägers daran, das Vorliegen des Kündigungsgrundes zu überprüfen, wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, daß er binnen der sechsmonatigen Kündigungsfrist von der Beklagten konkrete Nachweise für das negative Betriebsergebnis verlangen kann.

2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch dagegen, daß das Berufungsgericht das Bestreiten des negativen Betriebsergebnisses der S. GmbH im Jahr 1996 durch den Kläger als unsubstantiiert unberücksichtigt gelassen und deshalb seiner Entscheidung ein negatives Betriebsergebnis als unstreitig zugrunde gelegt hat.

Der Kläger hat diesen Sachvortrag mit Nichtwissen bestritten. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe das von der Beklagten vorgelegte Zahlenwerk des Kostenstellenberichts substantiiert bestreiten müssen. Diese Auffassung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Das von der Beklagten vorgelegte Zahlenwerk ist, wie das Berufungsgericht im Ansatz richtig sieht, als Parteivortrag der Beklagten zu werten. Daran ändert es nichts, daß die Beklagte zusätzlich einen Prüfbericht einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgelegt hat. Ein solcher Prüfbericht kann allenfalls bei einer Beweiswürdigung von Bedeutung sein, die das Berufungsgericht gerade nicht vorgenommen hat. Die Vorlage eines solchen Prüfberichtes kann aber nicht das Recht des Prozeßgegners einschränken, die entsprechenden Tatsachenbehauptungen zu bestreiten.

Das von der Beklagten vorgelegte Zahlenwerk besteht aus einer Vielzahl von einzelnen Tatsachenbehauptungen über Geschäftsvorgänge der in den vermieteten Räumen betriebenen Filiale. Jede einzelne dieser Behauptungen und damit auch das gesamte Zahlenwerk konnte der Kläger ohne weitere Erläuterung mit Nichtwissen bestreiten, weil er darüber keine Kenntnis aus eigener Wahrnehmung hatte (§ 138 Abs. 4 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, was der Kläger nach Ansicht des Berufungsgerichts trotz seiner Unkenntnis über die Geschäftsvorgänge zur weiteren Substantiierung hätte vortragen können.

Im übrigen hat der Kläger neben dem Bestreiten der Richtigkeit des gesamten Zahlenwerkes einige Positionen ausdrücklich bestritten, so z.B. die als Passivum verbuchte Zentralkostenumlage von 46.700 DM. Würde sie wegfallen, ergäbe sich schon statt des von der Beklagten geltend gemachten Verlustes ein Jahresgewinn von ca. 30.000 DM.

III.

Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die notwendigen Feststellungen in zulässiger Weise nachholen kann.

Ende der Entscheidung

Zurück