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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 20.01.1999
Aktenzeichen: XII ZR 117/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1592 Nr. 3
BGB § 1600 d Abs. 1 F. 16. Dezember 1997
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 117/97

Verkündet am: 20. Januar 1999

Riegel, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in der Familiensache

BGB §§ 1592 Nr. 3, 1600 d Abs. 1 F: 16. Dezember 1997

Die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft ist nicht zulässig, solange die Vaterschaftsanerkennung eines anderen Mannes besteht.

BGH, Urteil vom 20. Januar 1999 - XII ZR 117/97 - OLG Frankfurt am Main AG Fürth


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 18. April 1997 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht geltend, der Vater des beklagten Kindes zu sein. Die Mutter der Beklagten lebte schon einige Zeit von ihrem ersten Ehemann getrennt, als die Ehe im Juni 1993 geschieden wurde. Ab Oktober 1992 lebte sie für einige Monate mit dem Kläger zusammen. Der Kläger ist im Juli 1993 aus der Wohnung ausgezogen. Nach seiner Darstellung kam es erst im Juni 1993 zu einem Zerwürfnis, das zu der Trennung führte, während die Beklagte behauptet, das Verhältnis zwischen ihrer Mutter und dem Kläger sei schon im Dezember 1992 beendet gewesen, im Januar 1993 habe ihre Mutter J. H. - ihren jetzigen Ehemann - kennengelernt. Seither habe sie keine sexuellen Beziehungen mehr zu dem Kläger gehabt. Ihrer Aufforderung, aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen, sei der Kläger erst im Juli 1993 nachgekommen.

Die Beklagte wurde am 9. Februar 1994 geboren. Durch Urteil vom 9. Dezember 1994, das rechtskräftig ist, wurde festgestellt, daß sie kein eheliches Kind des ersten Ehemannes ihrer Mutter ist. Am 1. Februar 1995 hat J. H. vor dem Jugendamt die Vaterschaft anerkannt. Dem hat das Kreisjugendamt als Vertreter der Beklagten zugestimmt. In einem Randvermerk zum Geburts-eintrag des Kindes wurden die Feststellung der Nichtehelichkeit und das Anerkenntnis der Vaterschaft durch J. H. beigeschrieben. Die Beklagte trägt, nachdem ihre Mutter und J. H. geheiratet haben, den Familiennamen H..

In erster Instanz hat der Kläger beantragt festzustellen, daß die Beklagte seine Tochter sei. Das Amtsgericht hat die Klage als "derzeit unzulässig" abgewiesen.

In der Berufungsinstanz hat der Kläger - auf einen gerichtlichen Hinweis hin - beantragt festzustellen, daß die Beklagte entgegen dem von J.H. abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnis nicht dessen Kind sei, sondern daß er - der Kläger - der Vater der Beklagten sei.

Die Berufung blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren aus der Berufungsinstanz weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat das die Klage als unzulässig abweisende Urteil des Amtsgerichts zu Recht bestätigt.

1. Das Berufungsgericht führt aus, J. H. habe wirksam anerkannt, der Vater des beklagten Kindes zu sein. Mit seinem in der Berufungsinstanz geänderten Antrag wolle der Kläger als ersten Schritt dieses Vaterschaftsanerkenntnis anfechten, und zwar als notwendige Voraussetzung für die von ihm anschließend begehrte Feststellung, er sei der Vater der Beklagten. Nach § 1600 g BGB (a.F.) sei er jedoch nicht anfechtungsberechtigt. Anfechtungsberechtigt seien vielmehr nur der Mann, der die Vaterschaft anerkannt habe, die Mutter und das Kind. Entgegen Stimmen in der Literatur sei es nicht verfassungswidrig, daß das Gesetz demjenigen, der geltend mache, der wirkliche Erzeuger des Kindes zu sein, kein Anfechtungsrecht zubillige.

2. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts waren nach der bei Erlaß des Berufungsurteils geltenden Rechtslage nicht zu beanstanden. Es ist jedoch nicht erforderlich, hierauf näher einzugehen. Durch das am 1. Juli 1998 in Kraft getretene Kindschaftsrechtsreformgesetz (vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2942 - KindRG) hat sich nämlich das Abstammungsrecht grundlegend geändert. Nach § 1592 BGB (n.F.) ist Vater eines Kindes der Mann, der (Nr. 1 der Vorschrift) zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet war oder (Nr. 2 der Vorschrift) der die Vaterschaft anerkannt hat oder (Nr. 3 der Vorschrift) dessen Vaterschaft nach § 1600 d BGB (n.F.) gerichtlich festgestellt worden ist. Das neue Recht kennt nicht mehr eine isolierte Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung (§ 1600 f. BGB a.F.), sondern sieht in den §§ 1599 f. BGB n.F. eine einheitliche, auf Anfechtung der Vaterschaft gerichtete Gestaltungsklage vor (vgl. Schwab/Gaul, Das neue Familienrecht, S. 87).

Nach Art. 15 § 2 Abs. 1 KindRG ist ein am 1. Juli 1998 anhängiges Verfahren, das die Anfechtung der Ehelichkeit oder die Anfechtung der Anerkennung der Vaterschaft zum Gegenstand hat, als Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft fortzuführen. Nach den in Art. 224 § 1 EGBGB enthaltenen Übergangsvorschriften richtet sich die Vaterschaft eines vor dem 1. Juli 1998 geborenen Kindes nach den bisherigen Vorschriften (Absatz 1). Das bedeutet, daß bezüglich eines vor dem 1. Juli 1998 geborenen Kindes die Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft nach altem Recht zu beurteilen ist (vgl. FamRefK/Wax, Art. 224 § 1 EGBGB Rdn. 2 bis 4). Die bisherige Anfechtung der Vaterschaftsanerkennung richtet sich jedoch seit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes auch bei vor dem 1. Juli 1998 geborenen Kindern nach den neuen Vorschriften (Art. 224 § 1 Abs. 2 EGBGB). Dies gilt auch für Verfahren, die am 1. Juli 1998 bereits anhängig waren (FamRefK/Wax aaO Rdn. 5).

3. Daraus ergibt sich, daß der vorliegende Rechtsstreit fortzusetzen ist als ein Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft des J.H. nach den §§ 1599 f. BGB n.F.. Berechtigt, die Vaterschaft anzufechten, sind danach der Mann, dessen Vaterschaft nach den §§ 1592 Nr. 1 und Nr. 2, 1593 BGB n.F. besteht, die Mutter und das Kind (§ 1600 BGB n.F.). Dagegen räumt auch das neue Recht demjenigen, der geltend macht, der wirkliche Erzeuger des Kindes zu sein, kein Anfechtungsrecht ein. Dies beruht auf einer bewußten Entscheidung des Gesetzgebers. In der Literatur ist zur Vorbereitung der Kindschaftsrechtsreform - de lege ferenda - zum Teil die Ansicht vertreten worden, dem wirklichen Erzeuger des Kindes solle allgemein oder zumindest in bestimmten Ausnahmefällen (z.B. wenn keine soziale Bindung des Kindes zu dem Scheinvater bestehe) ein eigenes Anfechtungsrecht eingeräumt werden (vgl. Schwenzer, FamRZ 1992, 121, 124 m.N.; Henrich, Familienrecht, 5. Aufl. S. 197; Böhm, ZRP 1992, 334, 336; Coester, JZ 1992, 809, 811 f.). Aus der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zum Kindschaftsrechtsreformgesetz ergibt sich, daß der Gesetzgeber diesen Vorschlägen bewußt nicht gefolgt ist (BT-Drucks. 13/4899 S. 57 f. unter Nr. 9). Es heißt dort, wenn die übrigen Beteiligten die ihnen zustehenden Anfechtungsrechte nicht ausübten, so spreche das dafür, daß eine Anfechtung durch den wirklichen Erzeuger dem Wohl der "sozialen Familie" zuwider laufe.

4. Entgegen den Ausführungen der Revision und Stimmen in der Literatur (zum alten Recht: Grunsky, StAZ 1970, 248, 254; wohl auch Stein/Jonas/ Schlosser, ZPO 21. Aufl. § 641 k Rdn. 1; zum neuen Recht Palandt/Diederichsen, BGB 58. Aufl. § 1600 Rdn. 6) ist kein Verfassungsverstoß darin zu sehen, daß das neue Recht dem Erzeuger des Kindes kein eigenes Anfechtungsrecht zuerkennt. Es besteht deshalb kein Anlaß, das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 92, 158, 178) hat dem Erzeuger eines Kindes das verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) nur für den Fall zuerkannt, daß er nach den geltenden statusrechtlichen Vorschriften bereits als Vater feststeht. Das ist bei dem Kläger gerade nicht der Fall. Es ist allerdings richtig, daß der Erzeuger ein berechtigtes Interesse daran haben kann, seine Vaterschaft durchsetzen und nach außen bezeugen zu können und daß dieses Interesse zumindest eine Beziehung hat zu seinem verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht. Dem steht jedoch gegenüber das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Interesse des Kindes, ungestört in den gewohnten sozialen Bindungen einer Familiengemeinschaft aufwachsen zu können. Ist - wie im vorliegenden Fall - die Mutter des Kindes mit dem Mann verheiratet, der nach § 1592 BGB n.F. als Vater des Kindes anzusehen ist, so steht weiter entgegen der verfassungsrechtlich verbürgte besondere Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG). Das Wohl des Kindes hat bei gesetzgeberischen Entscheidungen im Bereich der Elternverantwortung den Richtpunkt zu bilden, so daß bei Interessenkollisionen zwischen Kind und Mutter oder Kind und Vater dem Kind der Vorrang gebührt (vgl. - zur Ehelichkeitsanfechtungsklage nach altem Recht - Senatsurteil BGHZ 80, 218, 220 f. m.N. aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Die Entscheidung des Gesetzgebers, dem wirklichen Erzeuger des Kindes kein eigenes Anfechtungsrecht zuzubilligen, hält sich jedenfalls im Rahmen des Gestaltungsraums, den der Gesetzgeber bei der Abwägung gegenläufiger, verfassungsrechtlich geschützter Interessen und Rechte nach seinem Ermessen ausfüllen darf (vgl. Senatsurteil BGHZ aaO). Es ist Aufgabe des Gesetzgebers zu bestimmen, wie die Vaterschaft festzustellen ist. Dabei kann er neben der biologischen Abstammung auch rechtlichen und sozialen Tatbeständen Bedeutung beimessen wie zum Beispiel der Anerkennung der Vaterschaft. Seine Gestaltungsfreiheit ist dabei um so größer, je weniger von sozialen Beziehungen zwischen dem Kind und einem betroffenen Beteiligten ausgegangen werden kann (BVerfGE aaO S. 178 f.).

5. Da der Kläger nicht anfechtungsberechtigt ist, ist sein auf Anfechtung der Vaterschaft des J.H. gerichteter Klageantrag unzulässig. Daraus ergibt sich die Unzulässigkeit seines weiteren Antrags, die eigene Vaterschaft festzustellen. Auch nach dem neuen Recht kann nämlich die Statuszuordnung des Kindes zu dem Vater, der seine Vaterschaft wirksam anerkannt hat (§ 1592 Nr. 2

BGB n.F.) nur durch gerichtliche Vaterschaftsanfechtung beseitigt werden (Schwab/Gaul aaO S. 87; Schwab, FamR 9. Aufl. Rdn. 453; zum alten Recht vgl. Senatsurteil BGHZ aaO; vgl. auch § 1600 d Abs. 1 BGB n.F.).



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