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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 14.11.2001
Aktenzeichen: XII ZR 142/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 325 Abs. 1 Satz 3
BGB § 323 Abs. 1
BGB § 242
BGB a.F. § 535
BGB a.F. § 536
BGB a.F. § 545
BGB a.F. § 545 Abs. 2
BGB a.F. § 542 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

XII ZR 142/99

Verkündet am: 14. November 2001

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz, Dr. Ahlt und Dr. Vézina

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. April 1999 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 13. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Mietzins für die Monate Mai 1996 bis November 1997 in Anspruch.

Mit schriftlichem Vertrag vom 21. Januar 1994 mietete die H. B. GmbH von den damaligen Grundstückseigentümern F. und A. Büroräume für die Zeit bis zum 31. Dezember 1999 zu einem Staffelmietzins, der sich ab März 1996 auf 3.855 DM und ab März 1997 auf 4.009 DM, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, belief.

Ende Mai/Anfang Juni 1995 trat die Beklagte durch dreiseitige Vereinbarung anstelle der bisherigen Mieterin in das Mietverhältnis ein.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 12. April 1996 erwarb der Kläger das Grundstück. Zugleich bevollmächtigten die Voreigentümer ihn, ab Übergang des Besitzes und der Nutzungen am 1. Mai 1996 alle vertraglichen Rechte gegenüber den Mietern wahrzunehmen, und teilten dies auch der Beklagten mit. Seit dem 9. September 1996 ist der Kläger als Eigentümer im Grundbuch eingetragen.

Die Beklagte zahlte den Mietzins letztmalig für März 1996 und zog im April 1996 aus den Mieträumen aus. Sie ist inzwischen zur Zahlung des Mietzinses für April 1996 sowie rückständiger Nebenkosten für 1995 in Höhe von 1.786,49 DM an die Vermieter F. und A. verurteilt worden.

Der Kläger errechnet seine Klageforderung wie folgt: Mai 1996 bis Februar 1997 = 10 Monate x (3.885 DM + MWSt. = 4.433,25 DM -richtig: 4.506,60 DM -) = 44.332,50 DM zuzüglich März bis November 1997 = 9 Monate x (4.009 DM + MWSt. = 4.610,35 DM -richtig: 4.650,44 DM -) = 41.493,15 DM, insgesamt 85.825,65 DM (richtig: 86.919,96 DM).

Das Landgericht gab der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung statt. Auf die Berufung der Beklagten wies das Oberlandesgericht die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils ab. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils begehrt.

Entscheidungsgründe:

I.

Aufgrund der Säumnis der Beklagten ist durch Versäumnisurteil zu erkennen, obwohl die Entscheidung inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. BGHZ 37, 79, 82).

II.

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, der Mietzinsanspruch des Klägers für die Zeit ab 1. Mai 1996 sei gemäß §§ 325 Abs. 1 Satz 3, 323 Abs. 1 BGB entfallen, weil der Kläger seiner Verpflichtung aus §§ 535, 536 BGB a.F., der Beklagten den Gebrauch der Mieträume zu gewähren, schuldhaft nicht nachgekommen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe zu seiner Überzeugung fest, daß der Beklagten der Zutritt zu den Mieträumen Ende April 1996 durch Auswechslung der Schlösser verwehrt worden sei. Zwar habe nicht aufgeklärt werden können, wer dies veranlaßt habe. Indes treffe den Kläger, der bestreite, daß er selbst oder die Voreigentümer dies veranlaßt hätten, die Beweislast dafür, daß er die Vereitelung der Gebrauchsgewährung nicht zu vertreten habe.

Gegen den Fortfall der Verpflichtung zur Entrichtung des Mietzinses spreche auch nicht, daß die Beklagte im April 1996 ausgezogen sei und keine Anstalten gemacht habe, den Gebrauch der Mieträume wieder aufzunehmen. Mangels entsprechender vertraglicher Abreden sei die Beklagte nämlich zum Gebrauch der Mieträume nicht verpflichtet gewesen.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Anzeigepflicht der Beklagten. Angesichts der durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht widerlegten Behauptung der Beklagten, unmittelbar nach Feststellung der Schlösserauswechslung den Voreigentümer F. hiervon unterrichtet zu haben, sei nicht erwiesen, daß die Beklagte ihre Anzeigepflicht verletzt habe. Im übrigen fehle es selbst bei unterlassener Anzeige der Gebrauchsverhinderung an einem Verschulden der Beklagten, da diese unter den gegebenen Umständen davon habe ausgehen dürfen, die Auswechslung der Schlösser sei von der Vermieterseite veranlaßt worden und dieser deshalb ohnehin bekannt.

2. Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.

a) Soweit das Berufungsgericht es als erwiesen angesehen hat, daß der Mietgebrauch Ende April 1996 durch Auswechseln der Schlösser unmöglich gemacht worden sei, bleiben die Angriffe der Revision gegen die Beweiswürdigung ohne Erfolg. Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze ist nicht dargetan. Einen allgemeinen Erfahrungssatz dahingehend, daß ein gewerblicher Vermieter bei bislang harmonischem Mietverhältnis allein wegen des rückständigen Mietzinses für den laufenden Monat keinen Austausch der Schlösser vornehmen lasse, gibt es nämlich nicht. Insbesondere dann, wenn der Mieter den fälligen Mietzins schuldig bleibt und - wie hier - mit dem Auszug aus den gemieteten Büroräumen beginnt, erscheint es keineswegs ausgeschlossen, daß der Vermieter sein Vermieterpfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters auf diese Weise zu sichern sucht. Abgesehen davon verbleibt ungeachtet der Angriffe der Revision die theoretische Möglichkeit, daß der Austausch der Schlösser im April 1996 entweder auf Veranlassung des Klägers als künftigem Vermieter, der A. GmbH (die die Räume nach Bekundung der Zeugin R. in "Bürogemeinschaft" mit der Beklagten genutzt haben soll), eines sonstigen Dritten oder gar der auszugswilligen Beklagten selbst veranlaßt worden ist.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, den Kläger treffe als Vermieter die Beweislast dafür, daß er die Nichterfüllung seiner Gebrauchsgewährungspflicht nicht zu vertreten habe, begegnet keinen Bedenken und wird auch von der Revision nicht angegriffen.

b) Die Revision hat hingegen Erfolg, soweit sie geltend macht, das Berufungsgericht habe im Hinblick auf die Anzeigepflicht des Mieters zum einen die Beweislast verkannt und zum anderen nicht unterstellen dürfen, die Beklagte habe davon ausgehen können, die Auswechslung der Schlösser sei auch dem Kläger bekannt gewesen.

Insoweit kann dahinstehen, ob sich die Anzeigepflicht des Mieters auch dann, wenn die Fortsetzung des Mietgebrauchs durch Auswechseln der Schlösser verhindert wird, aus § 545 BGB a.F. ergibt, wie das Berufungsgericht angenommen hat. Diese Vorschrift dient dem Zweck, dem Vermieter unverzüglich Kenntnis von auftretenden Mängeln der Mietsache und ihr drohenden Gefahren zu verschaffen (vgl. BGHZ 68, 281, 285). Ob darunter auch die Auswechslung von Schlössern zu verstehen ist, die allein den Gebrauch des Mieters beeinträchtigt, ohne die Substanz des Mietgegenstandes zu beeinträchtigen, mag fraglich erscheinen. Darauf kommt es indes nicht an, weil der Mieter, wenn nicht schon nach § 545 BGB a.F., so jedenfalls nach § 242 BGB gehalten ist, den Vermieter unverzüglich von einer derart gravierenden Störung des Mietverhältnisses in Kenntnis zu setzen. Denn behebbare Beeinträchtigungen stillschweigend in Kauf zu nehmen, um Gewährleistungs- oder Schadensersatzansprüche darauf stützen zu können, ist unredlich (vgl. BGHZ 92, 177, 182); die Unterlassung der erforderlichen Anzeige führt in zumindest entsprechender Anwendung des § 545 Abs. 2 BGB a.F. zum Verlust sämtlicher Gewährleistungsansprüche einschließlich des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung sowie des Rechts zur außerordentlichen Kündigung aus § 542 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F.

Diese Anzeigepflicht entfällt nur, wenn dem Vermieter der Mangel bekannt ist oder nach den Umständen bekannt sein muß (vgl. Kraemer in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete 3. Aufl. Kap. III Rdn. 976 m.N.). Zu Recht rügt die Revision insoweit, die angefochtene Entscheidung lasse nicht erkennen, worauf das Berufungsgericht seine Annahme stützt, die Beklagte habe davon ausgehen können, dem Kläger sei die Auswechslung der Schlösser mitgeteilt worden. Die Beklagte hat weder vorgetragen, dem Kläger einen entsprechenden Hinweis erteilt zu haben, noch daß und aus welchen Gründen er ohnehin davon gewußt habe. Sie hat lediglich behauptet, den Voreigentümer F. unterrichtet zu haben, was die Beweisaufnahme aber nicht bestätigt hat.

Aufgrund dieses Beweisergebnisses kann auch dahinstehen, ob Ende April 1996 ein Hinweis an einen der Voreigentümer überhaupt ausreichend war, oder ob die Beklagte angesichts des ihr angezeigten Übergangs sämtlicher Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag auf den Kläger am 1. Mai 1996 zusätzlich auch diesem die Auswechslung der Schlösser hätte anzeigen müssen, da nunmehr er allein hätte Abhilfe schaffen können. Denn entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trägt die Beklagte als Mieterin die Beweislast dafür, daß sie ihrer Anzeigepflicht nachgekommen ist (vgl. Wolff/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 8. Aufl. Rdn. 587; MünchKomm/Voelskow BGB 3. Aufl. § 545 Rdn. 14; Erman/Jendrek BGB 10. Aufl. § 545 Rdn. 8; Kraemer in Bub/Treier aaO Kap. III Rdn. 978 m.w.N.; a.A. Soergel/Hintzmann BGB § 545 Rdn. 10).

3. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere als die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht erforderlich sind. Da die Beklagte den ihr obliegenden Beweis für die Anzeige der Auswechslung der Schlösser nicht erbracht hat, besteht die der Höhe nach unstreitige Klageforderung zu Recht. Die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des Landgerichts ist nicht begründet.



Ende der Entscheidung

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