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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 07.04.2004
Aktenzeichen: XII ZR 253/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233 B
Zu den Sorgfaltsanforderungen eines Rechtsanwalts bei der Beauftragung eines am Rechtsmittelgericht zugelassenen Rechtsanwalts mit der Einlegung eines Rechtsmittels (hier: unzweideutige Bezeichnung des Rechtsmittelklägers).
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

XII ZR 253/03

vom

7. April 2004

in der Familiensache

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. April 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist und der Revisionsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 6. November 2003 wird auf Kosten der Klägerin als unzulässig verworfen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 1.824 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Kindesunterhalt. Das Amtsgericht hat die Beklagte, die Mutter der Klägerin, zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von 249 € verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das Urteil teilweise abgeändert und die Unterhaltspflicht für die Zeit ab September 2003 auf monatlich 97 € herabgesetzt. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Das Berufungsurteil ist der Klägerin am 28. November 2003 zugestellt worden. Gegen dieses Urteil hatte ihr Verfahrensbevollmächtigter zunächst namens der Beklagten Revision eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 25. Februar 2004 wieder zurückgenommen hat. Mit Schriftsätzen vom 26. Februar 2004 hat er für die Klägerin Revision eingelegt und diese begründet. Zugleich hat er wegen der Verwechslung der Parteien Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist und der Revisionsbegründungsfrist beantragt.

II.

Die Revision ist mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie verspätet eingelegt worden ist und eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist nicht in Betracht kommt (§§ 552, 230 ff. ZPO).

1. Für die Klägerin ist eine Revision gegen das Berufungsurteil nicht rechtzeitig eingelegt worden. Zur wirksamen Einlegung einer Revision gehört auch die unzweideutige Bezeichnung des Rechtsmittelklägers (BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 65/88 - NJW-RR 1988, 1528; vom 18. Dezember 1985 - VIII ZR 278/85 - VersR 1986, 471 und vom 25. Juni 1986 - IVb ZB 67/86 - BGHR ZPO § 518 Abs. 2 Parteibezeichnung Nr. 1). Danach konnte die - später folgerichtig zurückgenommene - Revision vom 23. Dezember 2003 die Revisionsfrist für die Klägerin nicht gewahrt haben, weil darin die Parteirollen gerade vertauscht waren und die Beklagte als Revisionsklägerin bezeichnet wurde. Zwar ist den Belangen der Rechtssicherheit des Verfahrens auch dann genügt, wenn eine verständige Würdigung des Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung jeden Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausschließt (BGHZ 21, 168, 173). Das ist hier indes nicht der Fall. In der Revisionsschrift vom 23. Dezember 2003 war nicht die Klägerin, sondern die Beklagte als Revisionsklägerin bezeichnet worden. Auch aus dem beigefügten Urteil des Brandenburgischen Oberlandesgerichts ließ sich nicht entnehmen, daß die Revision für die Klägerin eingelegt werden sollte. Durch das angefochtene Urteil waren sowohl die Klägerin als auch die Beklagte beschwert. Innerhalb der Revisionsfrist war nicht festzustellen, daß tatsächlich nicht die Beklagte, sondern die Klägerin Revision einlegen wollte.

2. Der Klägerin kann auch nicht die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist und der Revisionsbegründungsfrist gewährt werden, weil die Fristversäumung auf einem ihr zurechenbaren Verschulden ihres in zweiter Instanz tätigen Rechtsanwalts beruht.

Nach ständiger Rechtsprechung trifft den in der Vorinstanz aufgetretenen Prozeßbevollmächtigten bei Erteilung eines schriftlichen Rechtsmittelauftrags die Pflicht zur eigenverantwortlichen Überprüfung der für die Einlegung des Rechtsmittels notwendigen Förmlichkeiten (BGH, Beschluß vom 13. Februar 2001 - VI ZB 34/00 - NJW 2001, 1579). Entscheidend hierfür ist, daß sich der Rechtsmittelanwalt insoweit auf seine Angaben verlassen muß, weil ihm - solange keine Handakten vorliegen - die notwendige anwaltliche Überprüfung der Förmlichkeiten nicht möglich ist (BGH, Beschluß vom 16. April 1996 - VI ZR 362/95 - NJW 1996, 1968 m.w.N.). Diese Sorgfalt muß auch für die Angabe der richtigen Parteibezeichnung an die Revisionsanwälte verlangt werden (BGH, Beschlüsse vom 24. November 1981 - VI ZB 11/81 - VersR 1982, 191 und vom 21. September 1981 - II ZB 6/81 - VersR 1981, 1178). Insoweit war der in zweiter Instanz aufgetretene Rechtsanwalt noch als Prozeßbevollmächtigter der Klägerin tätig; sein Verschulden ist daher gemäß § 85 Abs. 2 ZPO der Klägerin zuzurechnen.

Der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat hinsichtlich der Fristversäumung schuldhaft gehandelt, indem er dem am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eine falsche Partei als Revisionsklägerin bezeichnet hat. Nach dem Vortrag der Klägerin ist der Auftrag zur Einlegung der Revision am 22. Dezember 2003 telefonisch erteilt worden; dabei ist die Revisionsklägerin nicht konkret benannt worden. Die fehlerhafte Bezeichnung der Prozeßbevollmächtigten im Berufungsurteil war ihm ausweislich der eigenen eidesstattlichen Versicherung seinerzeit selbst nicht aufgefallen. Deswegen hat er in seinem Schreiben an den Revisionsanwalt vom 22. Dezember 2003 fehlerhaft die Beklagte statt der Klägerin als Revisionsklägerin bezeichnet. Zwar ist in dem Schreiben selbst lediglich "die Übernahme der Vertretung in der Revisionsinstanz" erwähnt, ohne die Person der Revisionsklägerin konkret zu benennen. Der Bezug auf das beigefügte Berufungsurteil sprach aber eindeutig für die Beklagte als Revisionsklägerin, weil beide Parteien durch das Urteil beschwert waren und die Beklagte im Rubrum als seine Mandantin bezeichnet war. Nur das war für den Revisionsanwalt ersichtlich. Das Verschulden des Instanzanwalts liegt darin, daß er nicht zuvor, spätestens bei Erteilung des Rechtsmittelauftrags, die Formalien des angefochtenen Urteils geprüft hat. Ein Rechtsmittelauftrag unter Hinweis auf das übersandte anzufechtende Urteil genügt den Sorgfaltsanforderungen nur dann, wenn dessen Formalien zuvor als zutreffend festgestellt worden sind. Diese Aufgaben darf der Rechtsanwalt auch nicht seinem Büropersonal übertragen, mag dieses auch noch so gut geschult und überwacht sein, ohne das Arbeitsergebnis selbst sorgfältig zu prüfen (BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 1988 aaO.; vom 29. April 1982 - I ZB 2/82 - VersR 1982, 769).

Ende der Entscheidung

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