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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.05.2001
Aktenzeichen: XII ZR 27/99
Rechtsgebiete: BGB, ThürHG


Vorschriften:

BGB § 556
ThürHG § 7 Abs. 3
ThürHG § 7 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

XII ZR 27/99

Verkündet am: 30. Mai 2001

Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Gerber, Sprick, Weber-Monecke und Fuchs

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Ergänzungsurteil des 8. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 15. Dezember 1998 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Mit Vertrag vom 25. Mai 1992 mietete der Beklagte Gewerberäume im Kellergeschoß eines Anwesens in E. von der C. GmbH. Diese veräußerte das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 24. November 1992 an den Freistaat Thüringen, der seit März 1997 als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist und das Gebäude zur Unterbringung der klagenden Fachhochschule ausbauen möchte oder bereits ausgebaut hat.

Unter Hinweis auf Mietrückstände erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 3. August 1995 die fristlose Kündigung des Mietvertrages.

Ihre Klage auf Räumung und Herausgabe des Mietobjekts blieb ohne Erfolg. Mit dem angefochtenen Ergänzungsurteil wies das Berufungsgericht die gegen das klagabweisende Urteil des Landgerichts gerichtete Berufung der Klägerin auch insoweit zurück, als diese im zweiten Rechtszuge hilfsweise die Herausgabe des Mietobjekts an den Freistaat Thüringen beantragt hatte. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe:

Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, für die Zulässigkeit des hier allein noch zu beurteilenden Hilfsantrages der klagenden Fachhochschule auf Herausgabe an den Freistaat Thüringen fehle es an den Voraussetzungen sowohl einer gesetzlichen als auch einer gewillkürten Prozeßstandschaft.

1. In dem angefochtenen Ergänzungsurteil hat das Berufungsgericht zur Frage der gesetzlichen Prozeßstandschaft ohne nähere Begründung ausgeführt, eine solche lasse sich den Regelungen des Hochschulrahmengesetzes nicht entnehmen. Hingegen hat das Berufungsgericht nicht geprüft, ob sich eine gesetzliche Prozeßstandschaft der klagenden Hochschule aus § 7 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 des Thüringer Hochschulgesetzes (ThürHG) ergibt, obwohl die Klägerin vorgetragen hatte, die Übertragung der darin genannten Zuständigkeiten begründe ein Auftragsverhältnis, das die Klägerin zur selbständigen Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben ermächtige. Diese Vorschriften hatte das Berufungsgericht lediglich in seinem vorausgegangenen Urteil vom 23. September 1998 und darin allein im Hinblick darauf erörtert, ob sich daraus die Vermieterstellung der Klägerin ableiten lasse, und diese Frage verneint.

§ 7 Abs. 2 Nr. 2 ThürHG überträgt den Hochschulen des Landes die Verwaltung des ihnen dienenden Landesvermögens als Auftragsangelegenheit. § 7 Abs. 3 ThürHG bestimmt darüber hinaus, daß die Hochschulen im Rahmen der ihnen übertragenen Zuständigkeiten beim Abschluß von Rechtsgeschäften, die Landesmittel oder Landesvermögen betreffen, in Vertretung des Landes tätig werden.

Soweit diese Vorschrift die Hochschulen ermächtigt, den Freistaat Thüringen etwa beim Abschluß von Mietverträgen über landeseigene, der Hochschule dienende Grundstücke zu vertreten, umfaßt die Ermächtigung nach der Natur der Sache auch die Abwicklung und damit auch die Beendigung bestehender Vertragsverhältnisse sowie die Geltendmachung sich daraus ergebender Rückgabeansprüche (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 1995 - XII ZR 235/93 - ZIP 1995, 1220, 1222 a.E.). Sinn der staatlichen Auftragsverwaltung ist es nämlich, dem Staat die Errichtung eigener Behörden zur Erledigung solcher Aufgaben zu ersparen, die er Gemeinden oder anderen Körperschaften überträgt (vgl. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl. § 23 Rdn. 14). Eine Auftragsverwaltung, die sich auf die Eingehung von Rechtsverhältnissen beschränkt, deren Abwicklung hingegen dem Staat vorbehält, wäre damit nicht vereinbar.

Da die Klägerin die vorliegende Klage nicht in Vertretung des Landes erhoben hat, sondern im eigenen Namen klagt und mit ihrem Hilfsantrag - für den Fall, daß sie nicht selbst als Vermieterin anzusehen sei - im Wege der Prozeßstandschaft Herausgabe des Mietobjekts an den Freistaat Thüringen verlangt, hätte es nahegelegen, der Frage nachzugehen, ob § 7 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 ThürHG dahin auszulegen ist, daß auch ein solches Vorgehen von der gesetzlichen Ermächtigung jedenfalls dann gedeckt ist, wenn Streit darüber besteht, ob der Rückgabeanspruch aus § 556 BGB dem Land oder der Hochschule selbst zusteht.

Insoweit bedarf es keiner Entscheidung, ob es sich bei den Vorschriften des Thüringer Hochschulgesetzes um revisibles Recht handelt oder nicht. Denn die angefochtene Entscheidung kann jedenfalls aus einem weiteren Grund keinen Bestand haben:

2. Die Voraussetzungen einer gewillkürten Prozeßstandschaft hat das Berufungsgericht mit der Begründung verneint, die Klägerin habe weder eine Ermächtigung durch den Freistaat Thüringen noch ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Prozeßführung vorgetragen. Dem vermag der Senat, der die Prozeßvoraussetzungen von Amts wegen und unabhängig von den Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts zu prüfen hat (vgl. Zöller/Vollkommer ZPO 22. Aufl. § 56 Rdn. 2 m.w.N.), nicht zu folgen.

a) Ein schutzwürdiges eigenes Interesse der Klägerin, den vorliegenden Prozeß zu führen, ergibt sich bereits aus dem Umstand, daß sie insoweit eine ihr durch § 7 Abs. 2 Nr. 2 ThürHG übertragene Auftragsangelegenheit wahrnimmt.

b) Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, daß das Thüringer Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur während des laufenden Verfahrens außergerichtliche Verhandlungen mit dem Beklagten geführt hat, so daß davon auszugehen ist, daß der Freistaat Thüringen über dieses Verfahren informiert war. Eine der Klägerin stillschweigend erteilte Ermächtigung, das vorliegende Verfahren im eigenen Namen fortzuführen, könnte in dem vom Beklagten selbst vorgelegten Schreiben des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur vom 26. Februar 1998 zu sehen sein, aus dem sich ergibt, daß dieses dem Beklagten im Rahmen der außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen für den Fall einer Einigung angeboten hatte, "die strittigen Mietrückstände nicht weiterhin ... geltend (zu) machen und die in diesem Zusammenhang beim OLG Jena eingereichte Klage zurück(zu)ziehen." Denn daraus folgt zugleich, daß das in diesem Schreiben erwähnte Verfahren vor dem OLG Jena nach dem Willen des Freistaats Thüringen für den Fall, daß eine Einigung nicht erzielt wurde, fortgeführt werden sollte.

Der Senat vermag indes nicht mit Sicherheit festzustellen, ob es sich bei dem genannten Berufungsverfahren um das vorliegende oder aber etwa um ein weiteres Verfahren wegen rückständigen Mietzinses handelt. Dies bedarf weiterer Aufklärung durch das Berufungsgericht, das der Klägerin auch Gelegenheit zu geben haben wird, die im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 11. Dezember 1998 ausdrücklich behauptete Ermächtigung durch den Freistaat Thüringen gegebenenfalls auch auf andere Weise nachzuweisen.

3. Da das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen zur Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung getroffen hat, muß die Sache auch insoweit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es diese Feststellungen gegebenenfalls - für den Fall der Zulässigkeit der Klage - nachholen kann.



Ende der Entscheidung

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