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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.01.2001
Aktenzeichen: XII ZR 270/98
Rechtsgebiete: ZGB, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZGB § 68 Abs. 1 Nr. 2
ZGB § 68
BGB § 138
BGB § 552
BGB § 138 Abs. 1
EGBGB Art. 22
EGBGB Art. 21
EGBGB Art. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

XII ZR 270/98

Verkündet am: 24. Januar 2001

Küpferle, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Januar 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick und Weber-Monecke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten zu 4 wird das Teil- und Grundurteil des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. September 1998 aufgehoben, soweit die Klage gegen die Beklagte zu 4 für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache, auch wegen der Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Vor dem Beitritt der DDR verwaltete der Beklagte zu 3 Häuser in der R. Siedlung in K. . Die Klägerin, eine Gerüstbaufirma aus Westberlin, die sich derzeit in Liquidation befindet, schloß am 28. Juni 1990 mit dem Beklagten zu 3 einen schriftlichen Vertrag ab, in dem sie sich verpflichtete, fünf Jahre lang für die Renovierung der von dem Beklagten zu 3 verwalteten Häuser Gerüste zu stellen (2000 qm Gerüstfläche). Beim Abschluß dieses Vertrages wurde der Beklagte zu 3 durch seinen Betriebsdirektor vertreten. Als Gegenleistung sollte die Klägerin jährlich 360.000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer erhalten. Im Zuge des Beitritts der DDR gingen die vorher von dem Beklagten zu 3 verwalteten Hausgrundstücke in das Eigentum der Beklagten zu 4 über.

Obwohl die Klägerin nicht 2000 qm Gerüstmaterial zur Verfügung gestellt hatte, sondern nur 500 qm, zahlte die Beklagte zu 1 das vereinbarte Entgelt für das erste Jahr. Ab 1. Juli 1991 lehnte die Beklagte zu 4 Gerüstgestellungen durch die Klägerin ab. Die Beklagte zu 4 gründete ein gemeindeeigenes Unternehmen und dieses beauftragte eine andere Gerüstbaufirma mit der Gerüstgestellung. Die Klägerin verlangt - soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung - von der Beklagten zu 4 den restlichen Mietzins für die vereinbarte Laufzeit des Vertrages.

Die Beklagte zu 4 macht unter anderem geltend, das vereinbarte Entgelt übersteige den üblichen Marktpreis um das 6-fache und deshalb sei der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung die Klage gegen die Beklagte zu 4 für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten zu 4, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will. Die Beklagte zu 1 hat die von ihr eingelegte Revision zurückgenommen.

Entscheidungsgründe:

Da die Klägerin im Verhandlungstermin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war, war durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Die Entscheidung beruht jedoch nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf umfassender Sachprüfung.

Die Revision führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten zu 4 entschieden hat, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht führt aus, die aus dem Gerüstbauvertrag resultierende Verbindlichkeit sei mit dem Erwerb des Eigentums an den betroffenen Hausgrundstücken auf die Beklagte zu 4 übergegangen. Der Gerüstbauvertrag sei wirksam zustande gekommen. Da er vor dem Beitritt der neuen Bundesländer abgeschlossen worden sei und da die Parteien ihn ausdrücklich dem Gesetz über Wirtschaftsverträge unterstellt hätten, sei die Wirksamkeit seines Zustandekommens nach dem Recht der früheren DDR zu beurteilen (Art. 27 EGBGB analog). Die Preisvorschriften der ehemaligen DDR seien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses aber bereits außer Kraft gesetzt gewesen. Der Vertrag sei auch nicht wegen der Vereinbarung eines überhöhten Preises nichtig. Ein Verstoß gegen § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB, der nach Abschluß des Staatsvertrages wie § 138 BGB auszulegen sei, liege nicht vor, weil der vereinbarte Preis nach einer ausdrücklichen Regelung in dem Vertrag auch das Risiko habe abgelten sollen, das aus damaliger Sicht damit verbunden gewesen sei, daß die Klägerin sich verpflichtet habe, wertvolles Material auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zur Verfügung zu stellen. Es sei damals nicht sicher abzusehen gewesen, wie sich die politische Lage entwickeln würde. Ein Anspruch auf Herausgabe des gelieferten Gerüstmaterials sei möglicherweise nur schwer zu vollstrecken gewesen, wenn die DDR selbständig geblieben wäre. Im übrigen habe der beim Abschluß des Vertrages für die Beklagte zu 3 handelnde Betriebsdirektor zwar möglicherweise noch keine Erfahrungen mit der Marktwirtschaft gehabt. Er habe aber in der DDR einen nicht unbeträchtlichen Wohnungsbestand verwaltet. Es sei deshalb davon auszugehen, daß er in der Lage gewesen sei, Vergleichsangebote einzuholen und danach seine Entscheidung zu treffen. Ob die Beklagte zu 3 bzw. ihre Rechtsnachfolger über die gesamte Laufzeit des Vertrages Bedarf gehabt hätten an der vereinbarten Bereitstellung des Gerüstmaterials, sei ohne Bedeutung, da der Mieter nach § 552 BGB das Verwendungsrisiko für die Mietsache trage.

Die Beklagte zu 4 sei deshalb grundsätzlich verpflichtet, das vereinbarte Entgelt zu bezahlen. Allerdings müsse sie sich ersparte Aufwendungen anrechnen lassen, da sie das Gerüstmaterial nur in sehr eingeschränktem Umfang habe zur Verfügung stellen müssen. Da die Höhe der ersparten Aufwendungen noch nicht aufgeklärt sei, sei über den Grund des Anspruchs vorab zu entscheiden.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten nicht in allen Punkten einer rechtlichen Überprüfung stand.

2. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß Ansprüche der Klägerin aus dem Gerüstbauvertrag, sollte dieser Vertrag wirksam sein, von der Beklagten zu 4 zu erfüllen wären. Das Eigentum an den Hausgrundstücken, zu deren Sanierung das Gerüstmaterial gestellt werden sollte, ist nach Art. 22 des Einigungsvertrages auf die Beklagte zu 4 übergegangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (und des Bundesverwaltungsgerichts) umfaßt der Vermögensbegriff der Art. 21, 22 Einigungsvertrag auch die dem Vermögen zugehörigen Verbindlichkeiten (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 - VII ZR 21/96 - ZIP 1997, 479, 480 m.N.). Das bedeutet, daß auf die Beklagte zu 4 auch solche Passiva übergegangen sind, die mit dem übergegangenen Aktivvermögen in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang stehen (BGHZ 128, 393, 399 m.N.). Daß das Berufungsgericht einen solchen engen, unmittelbaren Zusammenhang bejaht hat zwischen dem Gerüstbauvertrag und den übergegangen Grundstücken, zu deren Sanierung die Gerüste dienen sollten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. hierzu auch BGH, ZIP 1997 aaO).

Zutreffend geht das Berufungsgericht auch davon aus, daß das sogenannte Außenhandelsmonopol der DDR der Wirksamkeit des vor dem Beitritt abgeschlossenen Vertrages nicht entgegensteht. Durch den Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR vom 18. Mai 1990 traten das Gesetz über den Außenhandel und die darauf beruhenden Bestimmungen außer Kraft (vgl. im einzelnen BGHZ 128, 41, 53). Zwar wurden die Regelungen dieses Staatsvertrages erst am 1. Juli 1990 wirksam, so daß das Gesetz über den Außenhandel bei Abschluß des hier zu beurteilenden Vertrages am 28. Juni 1990 jedenfalls formal noch galt. Hinsichtlich eines zu diesem Zeitpunkt abgeschlossenen Vertrages kann jedoch aus einem formalen Verstoß gegen das Außenhandelsgesetz der DDR nicht die Unwirksamkeit des Vertrages hergeleitet werden (BGHZ 128, 53 aaO m.N.).

3. Von Rechtsfehlern beeinflußt sind jedoch die - sehr knappen - Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es eine Nichtigkeit des Vertrages wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten verneint. Ob sich aus einem bestimmten (festgestellten oder in der Revisionsinstanz zu unterstellenden) Sachverhalt ein Verstoß gegen die guten Sitten ableiten läßt, ist eine Rechtsfrage, die uneingeschränkt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (Senatsbeschluß vom 2. Oktober 1996 - XII ZB 1/94 - NJW 1997, 192; Musielak/Ball, ZPO 2. Aufl. § 550 Rdn. 12, jeweils m.w.N.).

Die Revision macht in diesem Zusammenhang zu Recht geltend, daß die Beklagte zu 4 unter Beweisantritt vorgetragen hat, der marktübliche Preis für eine entsprechende Gerüstgestellung sei 0,50 DM pro Quadratmeter und Woche, bei 2000 qm pro Jahr demnach 52.000 DM. Für das Auf- und Abbauen würden üblicherweise 15 DM pro Quadratmeter berechnet, insgesamt also 30.000 DM pro Jahr. Der marktübliche Preis für die Leistung, zu der sich die Klägerin in dem Vertrag verpflichtet habe, sei deshalb 82.000 DM pro Jahr statt der vereinbarten 360.000 DM. Da das Berufungsgericht keine gegenteiligen Feststellungen getroffen hat, ist für die Revisionsinstanz von diesem Vortrag der Beklagten zu 4 auszugehen.

Von diesem Vortrag der Beklagten zu 4 ausgehend ist der Vertrag als wegen Sittenwidrigkeit (§§ 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB, 138 Abs. 1 BGB) nichtig anzusehen.

Die Sittenwidrigkeit ist zwar an Hand des § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB zu prüfen, weil diese Bestimmung bei Abschluß des Vertrages Ende Juni 1990 noch in Kraft war. Jedenfalls für Verträge, die zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind, ist § 68 ZGB aber so auszulegen, daß zwischen ihm und § 138 BGB inhaltlich kein Unterschied mehr besteht und daß deshalb die zu § 138 BGB von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze uneingeschränkt anzuwenden sind (BGHZ 118, 34, 42).

Auf den Vertrag, in dem sich die Klägerin gegen Entgelt verpflichtet hat, auf Zeit Gerüstmaterial zur Verfügung zu stellen, ist Mietrecht anzuwenden. Gewerbliche Mietverträge sind, wie sonstige Rechtsgeschäfte auch, nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und damit nichtig, wenn Leistung und Gegenleistung in einem auffälligen Mißverhältnis zueinander stehen und weitere, sittenwidrige Umstände hinzutreten, wie etwa eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten (Senatsurteil BGHZ 141, 257, 263 m.N.). Ein auffälliges Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung ist nach dem zu unterstellenden Vortrag der Beklagten zu 4 offensichtlich gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann jedenfalls bei bestimmten Vertragstypen - zum Beispiel bei Grundstückskaufverträgen - ohne weiteres auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten geschlossen werden, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung (BGH, Urteil vom 8. November 1991 - V ZR 260/90 - BGHR-BGB § 138 Abs. 1 Mißverhältnis 4 = NJW 1992, 899, m.N.). Der Senat hat - in anderem Zusammenhang - bereits angedeutet, daß ein solcher Schluß auch bei gewerblichen Mietverträgen gerechtfertigt sein könnte (Senatsurteil BGHZ 141 aaO S. 265). Allerdings können besondere Umstände des Geschäfts dem Rückschluß von einem besonders groben Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten entgegenstehen (BGH, Urteil vom 21. März 1997 - V ZR 355/95 - BGHR-BGB § 138 Abs. 1 Mißverhältnis 6 = ZIP 1997, 931). Solche einen entsprechenden Rückschluß ausschließende Umstände kommen zum Beispiel in Betracht, wenn es für den Begünstigten aus besonderen Gründen nicht möglich ist zu übersehen, wie hoch der marktübliche Preis für die von ihm in Anspruch genommene Leistung ist und er deshalb nicht erkennen kann, daß der vereinbarte Preis ihn unangemessen begünstigt. Inwieweit solche Gesichtspunkte bei der Bewertung gewerblicher Mietverträge zum Tragen kommen können, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden.

Nach dem zu unterstellenden Vortrag der Beklagten zu 4 haben die für die Klägerin Tätigen aus verwerflicher Gesinnung gehandelt. Das gilt unabhängig davon, ob sie die Unerfahrenheit des Betriebsdirektors der Beklagten zu 3 ausgenutzt oder - wofür es Anhaltspunkte gibt - mit ihm zusammen bewußt zum Nachteil der von ihm vertretenen Beklagten zu 3 gehandelt haben (Kollusion).

Das Mißverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung war nach dem Vortrag der Beklagten zu 4 besonders groß. Danach war nämlich der Wert der Leistung nicht nur knapp doppelt so hoch wie der Wert der Gegenleistung, sondern mehr als viermal so hoch. Das Mißverhältnis war für die Begünstigte - die Klägerin - auch ohne weiteres erkennbar. Es ist davon auszugehen, daß der Klägerin als einem in Westberlin ansässigen Gerüstbauunternehmen die üblichen Preise für das Stellen von Gerüstmaterial bekannt waren. Das Berufungsgericht verweist zu Recht darauf, daß auch der für die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 4 handelnde Betriebsdirektor ohne weiteres in der Lage war, sich Vergleichsangebote einzuholen und auf diese Weise den üblichen Marktpreis zu ermitteln. Im übrigen spricht der Text des Vertrages dafür, daß die Parteien sich darüber im klaren waren, einen an sich unangemessen hohen Preis vereinbart zu haben. Nur so ist es nämlich zu erklären, daß es in dem Vertrag ausdrücklich heißt, bei der Bildung des Mietzinses sei auch das Risiko des Vermieters berücksichtigt, "daß nämlich eine Realisierung von Herausgabeansprüchen bezüglich der Gerüstteile nur unter den noch zur Zeit geltenden Bestimmungen sozialistischer Gesetzlichkeit möglich ist, die eine Vollstreckung zu Lasten von Nutzer und Mietern nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen durch den zuständigen Sekretär vorsehen."

Es kommen weitere, für eine verwerfliche Gesinnung sprechende Gesichtspunkte hinzu. Drei Tage vor Inkrafttreten der Wirtschafts- und Währungsunion hatte der für die Beklagte zu 3 handelnde Betriebsdirektor - für die Klägerin erkennbar - keinerlei Veranlassung, Gerüstmaterial in diesem Umfang für fünf Jahre zu bestellen. Der Vertrag hatte einen Wert von insgesamt 1.800.000 DM. Daß der Betriebsdirektor gegenüber der Klägerin eine so umfangreiche und langfristige Verpflichtung eingegangen ist, wäre vielleicht noch verständlich, wenn er zum Ausgleich einen besonders günstigen Preis ausgehandelt hätte. Es ist aber nicht nachzuvollziehen, warum er eine so umfangreiche und langfristige Verpflichtung eingegangen ist und gleichzeitig einen Preis ausgehandelt hat, der in solchem Maße über dem marktüblichen Preis lag. Es kann kein Zweifel bestehen, daß der Betriebsdirektor objektiv betrachtet die Interessen der Klägerin wahrgenommen hat und nicht die Interessen der von ihm vertretenen Beklagten zu 3. Es drängt sich der Verdacht auf, daß er sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

Das Berufungsgericht meint, ein gegenüber dem üblichen Marktpreis überhöhter Preis sei entsprechend dem oben wiedergegebenen Passus in dem Vertrag gerechtfertigt, weil die Klägerin besondere Risiken eingegangen sei. Dem kann nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat insofern die Argumentation der Klägerin übernommen, ohne sich mit ihr auseinanderzusetzen. Es kann offenbleiben, ob es richtig ist, daß in der DDR ganz normale Ansprüche aus dem Eigentum nicht ohne weiteres durchsetzbar waren. Insbesondere läßt das Berufungsgericht außer acht, daß der Vertrag abgeschlossen worden ist zu einem Zeitpunkt, als der Beitritt der neuen Bundesländer abzusehen war und unmittelbar bevor stand. Bei Abschluß des Vertrages war das "Gesetz zur Änderung und Ergänzung der Verfassung der DDR" vom 17. Juni 1990 bereits beschlossen und in Kraft. In der Einleitung zu diesem Gesetz heißt es, das Gesetz ergehe "in der Erkenntnis, daß ... im Herbst 1989 eine friedliche und demokratische Revolution stattgefunden hat und in der Erwartung einer baldigen Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands ...". In Art. 1 des Gesetzes heißt es, Bestimmungen und Rechtsvorschriften, die den einzelnen Bürger oder Organe der staatlichen Gewalt auf das Prinzip des sozialistischen Zentralismus verpflichteten, seien aufgehoben. Bei Abschluß des Vertrages am 28. Juni 1990 war außerdem bekannt, daß drei Tage später - am 1. Juli 1990 - die Wirtschafts- und Währungsunion in Kraft treten würde. Bei dieser Sachlage ist es nicht glaubhaft, daß die Vertragsschließenden in den "zur Zeit geltendenden Bestimmungen sozialistischer Gesetzlichkeit" ein so ernsthaftes Risiko gesehen haben, daß es ein mehrfaches des üblichen Preises rechtfertigen könnte.

Die Argumentation des Berufungsgerichts und der Klägerin ist auch in sich widersprüchlich. Sie geht davon aus, es sei zu befürchten gewesen, daß die DDR weiterbestehe, daß sich dort nichts Entscheidendes ändere und daß deshalb ein Anspruch der Klägerin auf Rückgabe ihres Gerüstmaterials nicht oder nur schwer durchsetzbar sei. Hätte die DDR in dieser Form fortbestanden, wäre es aber erst recht nicht möglich gewesen, einen mehrfach überhöhten Mietzinsanspruch vor einem Gericht der DDR durchzusetzen und dem Einwand der Sittenwidrigkeit zu entgehen mit der Begründung, der Mietpreis schließe das Risiko ein, das damit verbunden sei, daß die DDR kein Rechtsstaat sei.

4. Das Berufungsurteil kann deshalb mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben. Der Senat ist nicht in der Lage, selbst abschließend zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 ZPO). Die Sache muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit es die notwendigen Feststellungen zu der Behauptung der Beklagten zu 4, der vereinbarte Preis sei um das mehrfache überhöht, nachholen kann.



Ende der Entscheidung

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