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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 17.03.1999
Aktenzeichen: B 1 KR 3/98 BH
Rechtsgebiete: SGG, ZPO


Vorschriften:

SGG § 73a Abs 1 Satz 1
ZPO § 114 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT BESCHLUSS

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 KR 3/98 BH

Kläger und Antragsteller,

gegen

Die BKK Post, Betriebskrankenkasse für Deutsche Post AG, Deutsche Postbank AG und Deutsche Telekom AG, Burgenlandstraße 44a, 70469 Stuttgart,

Beklagte und Antragsgegnerin.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 17. März 1999 durch den Präsidenten von Wulffen und die Richter Steege und Dr. Dreher

beschlossen:

Der Antrag des Klägers, ihm für die Durchführung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Landessozialgerichts Berlin vom 28. September 1998 Prozeßkostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Karl-Heinz Schwabe, Kassel, beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe:

Der Kläger, der als Arzt praktiziert, jedoch nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, hat bei seiner Patientin C. P. eine Akupunkturbehandlung durchgeführt. Mit der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wendet er sich gegen den Bescheid, mit dem die beklagte Krankenkasse gegenüber der bei ihr versicherten Patientin die Erstattung der Behandlungskosten abgelehnt hat. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung, daß die Beklagte dadurch, daß sie Kosten außervertraglicher Leistungen nur bei Inanspruchnahme von Kassenärzten erstatte, seine gesetzlichen und verfassungsmäßigen Rechte verletze und diese Rechtsverletzung künftig abzustellen habe. Beide Klagen sind von den Vorinstanzen als unzulässig abgewiesen worden.

Dem Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe, um im Beschwerdeverfahren die Zulassung der Revision zu erreichen, kann nicht entsprochen werden, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Satz 1 Zivilprozeßordnung). Unabhängig davon, ob einer der in § 160 Abs 2 SGG genannten Gründe für eine Revisionszulassung vorliegt, muß die Prozeßkostenhilfe versagt werden, weil nach der gebotenen summarischen Prüfung auch eine zugelassene Revision nicht zum Erfolg führen könnte (BSG SozR 1750 § 114 Nrn 1 und 5; SozR 3-6610 Art 5 Nr 1).

Die Entscheidung des Landessozialgerichts läßt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers erkennen. Für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage fehlt ihm die Klagebefugnis, weil ihn die Ablehnung des beantragten Verwaltungsakts nicht beschwert. Der Einwand, die Verweigerung der Kostenerstattung gegenüber der Versicherten schädige auch ihn als behandelnden Arzt, weil sie die Patientin veranlasse, aus Kostengründen zu einem Kassenarzt zu wechseln, führt zu keiner anderen Beurteilung. Beschwert im Sinne des § 54 Abs 1 Satz 2 SGG kann zwar auch ein Drittbetroffener sein, in dessen Rechtssphäre durch den an einen anderen gerichteten Verwaltungsakt eingegriffen wird. Eine rein wirtschaftliche Betroffenheit reicht dafür jedoch nicht aus. Die Klagebefugnis fehlt, wenn die als verletzt angesehene Rechtsnorm keinen drittschützenden Charakter in dem Sinne hat, daß sie zumindest auch der Verwirklichung individueller Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist (ständige Rechtsprechung; vgl zB BSGE 70, 99, 101 = SozR 3-1500 § 54 Nr 15 S 38; BSG SozR 3-2500 § 124 Nr 2 S 15). Das ist bei den Kostenerstattungsvorschriften des § 13 Abs 2 und 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht der Fall. Die dort getroffenen Regelungen sollen von der Bindung an den Sachleistungsgrundsatz befreien, wo dieser wegen eines Mangels im Leistungssystem die notwendige Krankenbehandlung nicht gewährleisten kann oder wo der Versicherte eine Behandlung auf Kostenerstattungsbasis vorzieht. Dadurch daß im zuletzt genannten Fall die Kostenerstattung auf Behandlungen durch zugelassene Ärzte beschränkt bleibt (vgl § 13 Abs 2 Satz 1 und 2 SGB V idF des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom 23. Juni 1997 - BGBl I 1520; zum früheren Rechtszustand: BSGE 76, 101 = SozR 2500 § 13 Nr 7), soll die Einbindung dieser Behandlungen in das Leistungserbringungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung sichergestellt werden. Die gesamte Regelung betrifft ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Versicherten und seiner Krankenkasse; die Wahrung beruflicher oder wirtschaftlicher Interessen der behandelnden Ärzte wird damit auch nicht mittelbar bezweckt.

Der Feststellungsantrag zielt auf eine gerichtliche Bestätigung des Rechtsstandpunktes des Klägers, daß die Beklagte verpflichtet sei, ihren Versicherten Kostenerstattungen für privatärztliche Behandlungen auch bei Inanspruchnahme nicht zugelassener Ärzte zu leisten. Mit diesem Inhalt ist die Klage unzulässig. Zwar können mit der Feststellungsklage auch Inhalt und Ausmaß gesetzlich normierter Rechte und Pflichten eines Beteiligten geklärt werden, wenn der Rechtsstreit ein konkretes Rechtsverhältnis iS des § 55 Abs 1 Satz 1 SGG, nämlich die Anwendbarkeit der betreffenden Rechtsnorm(en) auf einen gegenwärtigen Lebenssachverhalt und eine daraus resultierende Rechtsbeziehung zwischen den Prozeßparteien, zum Gegenstand hat (BSGE 43, 148, 150 = SozR 2200 § 1385 Nr 3 S 3; BSGE 78, 91, 92 = SozR 5540 § 25 Nr 2 S 3). Darum handelt es sich aber nicht, weil der Kläger - wie gezeigt - weder direkt noch indirekt Adressat der in Rede stehenden Rechtsvorschriften ist und eine Klagebefugnis deshalb aus denselben Gründen zu verneinen ist, die bereits der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage entgegenstehen. Soweit das Begehren des Klägers sinngemäß dahin zu verstehen sein sollte, daß die Möglichkeit der Kostenerstattung aus verfassungsrechtlichen Gründen auf die Inanspruchnahme nicht zugelassener Ärzte ausgedehnt werden müsse, um ihm die Behandlung von Kassenpatienten zu ermöglichen, ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den vom Kläger angeführten Urteilen vom 28. April 1998 (Rs C-120/95 <Decker>, Slg 1998, I-1871 und Rs C-158/96 <Kohll>, Slg 1998, I-1935) entschieden, daß eine nationale Regelung, welche die Erstattung der Kosten für den Erwerb einer Brille oder die Durchführung einer Zahnbehandlung in einem anderen Mitgliedsstaat von einer Genehmigung des zuständigen Versicherungsträgers abhängig macht, gegen Bestimmungen des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVtr) über den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr (Art 30, 36, 59, 60 EGVtr) verstößt. Daraus lassen sich jedoch Rechte des Arztes ebenfalls nicht herleiten. Es kann dahinstehen, ob die genannte Rechtsprechung auch dann anzuwenden ist, wenn das nationale Recht den Versicherten wie in Deutschland bezüglich der Kostenerstattung auf zugelassene Leistungserbringer beschränkt, und ob dann aus Gründen der Gleichbehandlung auch die Inanspruchnahme nicht zugelassener Ärzte im Inland möglich sein müßte. Denn auch der EuGH hat aus den angeführten Bestimmungen des EGVtr ausschließlich Rechte der betroffenen Versicherten, nicht aber solche der mittelbar begünstigten Leistungserbringer abgeleitet. Soweit es dem Kläger darum geht, im Inland Kassenpatienten behandeln zu dürfen, ist er auf die Möglichkeit der vertragsärztlichen Zulassung (§ 95 SGB V) verwiesen.

Ende der Entscheidung

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