Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 19.10.2000
Aktenzeichen: B 10 LW 20/99 R
Rechtsgebiete: ALG


Vorschriften:

ALG § 3 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 10 LW 20/99 R

Kläger und Revisionskläger,

Prozeßbevollmächtigter:

gegen

Landwirtschaftliche Alterskasse Schwaben, Tunnelstraße 29, 86156 Augsburg,

vertreten durch den Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, Weißensteinstraße 70/72, 34131 Kassel,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 19. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Wiester, die Richter Schenk und Masuch sowie die ehrenamtlichen Richter Otto und Schmidt

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Befreiung eines ehemaligen Landwirts von der Versicherungspflicht zur Beklagten.

Der am 3. August 1951 geborene Kläger bewirtschaftete vom 23. März 1973 bis 30. April 1983 ein landwirtschaftliches Unternehmen iS des § 1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) und entrichtete die Beiträge gemäß § 14 Abs 1 Buchst a GAL. Mit Bescheid vom 1. September 1993 stellte die Beklagte das Ende der Beitragspflicht ab dem 1. Mai 1993 nach dem Verkauf des landwirtschaftlichen Unternehmens fest. Auf einen entsprechenden Hinweis der Beklagten erklärte der Kläger unter dem 17. September 1993, daß er die Entrichtung von Beiträgen gemäß § 27 GAL fortsetzen wolle und ihm bekannt sei, daß diese Erklärung ununterbrochene Beitragspflicht von Beginn des Monats an begründe, der auf das Ende der Beitragspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer folge, und zwar mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Beginn der Zahlung des vorzeitigen Altersgeldes oder des Hinterbliebenengeldes. Auf dieser Grundlage erging am 4. Oktober 1993 ein Bescheid über die Beitragspflicht ab dem 1. Mai 1993.

Nach Belehrung durch die Beklagte über die neue Rechtslage nach dem Inkrafttreten des Agrarsozialreformgesetzes (ASRG) 1995 beantragte der Kläger im März 1996, seine "Rentenanwartschaft ruhen" zu lassen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 8. Mai 1996 eine Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 84 Abs 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ab, da die Befreiung nicht bis zum 31. Dezember 1995 beantragt worden sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (bestandskräftiger Widerspruchsbescheid vom 19. November 1996).

Eine im Februar 1998 beantragte Neufeststellung blieb ebenfalls ohne Erfolg. Mit Bescheid vom 27. März 1998 lehnte die Beklagte eine Befreiung gemäß § 84 Abs 2 ALG wiederum unter Hinweis auf das festgestellte Fristversäumnis ab. Ebenso blieb der Widerspruch erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1998). Das Sozialgericht (SG) Augsburg hat die Klage mit Urteil vom 11. Oktober 1999 abgewiesen. Die Beklagte habe eine Zugunstenentscheidung iS von § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) zutreffend verneint, nachdem eine Befreiung gemäß § 84 Abs 2 ALG wegen der verfristeten Antragstellung nicht mehr möglich gewesen sei und Wiedereinsetzungsgründe iS von § 27 SGB X nicht vorgelegen hätten. Die gesetzliche Jahresfrist sei ausreichend und als Sonderregelung gegenüber den generellen Befreiungsmöglichkeiten nach § 3 Abs 1 ALG gestaltet, was auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne.

Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung von § 3 Abs 1 ALG. Er erfülle die Befreiungsvoraussetzungen. Die Sondervorschrift in § 84 Abs 2 ALG bewirke nicht seinen Ausschluß von der Anwendung der allgemeinen Befreiungsregelungen. Ein solcher Ausschluß führe zu einer nicht zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung der Weiterversicherten gegenüber den sonstigen Pflichtversicherten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Oktober 1999 sowie die angefochtenen Bescheide aufzuheben und den Kläger von der Versicherungspflicht zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

II

Die Revision ist unbegründet. SG und Beklagte haben ohne Rechtsfehler eine Befreiung des Klägers von der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Altershilfe verneint.

Bei Erlaß des dem streitgegenständlichen Neufeststellungsantrag zugrundeliegenden Bescheides der Beklagten vom 8. Juni 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 1996 ist das Recht nicht unrichtig angewandt worden (§ 44 Abs 1 Satz 1 SGB X). Der Kläger erfüllt nicht die Befreiungsvoraussetzungen gemäß § 84 Abs 2 ALG. Danach gilt:

Personen, die am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt oder mitarbeitender Familienangehöriger beitragspflichtig waren, bleiben versicherungspflichtig; sie werden auf Antrag mit Wirkung vom 1. Januar 1995 oder, soweit zu diesem Zeitpunkt die Wartezeit für eine Altersrente noch nicht erfüllt ist, mit Wirkung vom Ablauf des Monats an, in dem die Wartezeit für eine Altersrente erfüllt ist, von der Versicherungspflicht befreit.

Dieser Bestimmung unterfällt der Kläger, der am maßgeblichen Stichtag, dem 31. Dezember 1994, als sogenannter Weiterversicherter und damit unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt beitragspflichtig war. Die Beitragspflicht beruhte auf § 27 GAL, wonach die Erklärung gegenüber der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK), die Entrichtung von Beiträgen fortsetzen zu wollen, die Beitragspflicht zur Altershilfe für Landwirte begründete (vgl hierzu grundlegend das Urteil des Senats vom 17. August 2000 - B 10 LW 12/99 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Indessen ist die Befreiung gemäß § 84 Abs 2 Satz 2 ALG bis zum 31. Dezember 1995 zu beantragen gewesen, was der Kläger versäumt hat. Fest steht weiter, daß die Beklagte eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 27 SGB X zu Recht abgelehnt hat, nachdem der Kläger nicht ohne sein Verschulden verhindert war, diese gesetzliche Frist einzuhalten.

Seine Befreiung kann der Kläger auch nicht - statt über § 84 Abs 2 ALG - gleichsam ersatzweise im Wege des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG erlangen. Nach dieser Vorschrift werden Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet. Unbeschadet der Prüfung, ob beim Kläger die einkommensbezogenen Voraussetzungen dieses Tatbestandes vorliegen, scheitert sein Begehren, weil diese Vorschrift nicht auf jene Personengruppe, der der Kläger im vorliegenden Zusammenhang zuzurechnen ist, angewendet werden kann. Er ist insoweit nicht "Landwirt" im maßgeblichen Sinne. Für diese Subsumtion ließe sich zwar anführen, daß das Gesetz bei der Regelung der Anspruchsvoraussetzungen für die Renten wegen Alters und Erwerbsunfähigkeit (§§ 11 ff ALG) ebenfalls auf den Begriff "Landwirte" abstellt und dabei die Gruppe der Weiterversicherten mit eingeschlossen hat. Dagegen stehen aber die methodischen Gesichtspunkte der systematischen und teleologischen Auslegung auf der Grundlage der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, die es ausschließen, daß der Kläger Landwirt iS von § 3 ALG ist.

Die Gesetzessystematik erweist, daß die Befreiungsregelungen für die Personengruppe der Weiterversicherten ihren rechtlichen Ort in dem mit "Sonderregelungen" überschriebenen Fünften (letzten) Kapitel (§§ 82 ff) des ALG gefunden haben. Dort werden die Weiterversicherten als "Personen, die am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt beitragspflichtig waren", aufgeführt (vgl § 84 Abs 2 und 3, § 93 Abs 1, §§ 107, 115, 117 ALG). Mit der Umschreibung als "Personen, die unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt ..." unterscheidet der Gesetzgeber ausdrücklich die ehemaligen Landwirte von den aktiven Landwirten, welche im selben gesetzlichen Zusammenhang als "Personen, die am 31. Dezember 1994 als Landwirte beitragspflichtig waren ..." (s § 84 Abs 1 ALG) angesprochen werden. Damit hebt sich der Gesetzeswortlaut im systematischen Zusammenhang mit der hier maßgeblichen Prüfungsnorm des § 84 Abs 2 ALG erkennbar von dem Sprachgebrauch in § 3 Abs 1 ALG ab und trifft eine eindeutige Unterscheidung zwischen aktiven und ehemaligen Landwirten.

Gegen diese Abgrenzung von "aktiven" Landwirten und Weiterversicherten spricht nicht, daß der erkennende Senat in seinem obengenannten Urteil vom 17. August 2000 ausgeführt hat, auch Beiträge nach § 27 GAL könnten als "Beiträge als Landwirt zur Altershilfe" gemäß § 92 Abs 1 ALG rentenbegründend angerechnet werden. Im dort zugrundeliegenden Zusammenhang hat es der Senat abgelehnt, den Begriff des Landwirts auf den "aktiven" Landwirt zu begrenzen. Diese Auslegung findet ihre Begründung im wesentlichen darin, daß es um die Anrechnung von solchen Beiträgen geht, die bis zum 31. Dezember 1994, dh im zeitlichen Geltungsbereich des GAL, gezahlt worden sind. Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des Gesetzes bieten in jenem Zusammenhang gerade keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, durch eine einschränkende Auslegung die Personengruppe der Weiterversicherten von der Anrechnung auszunehmen.

Demgegenüber gilt vorliegend: Soweit ein Antragsteller die Jahresfrist des § 84 Abs 2 Satz 2 ALG versäumt hat, kann er nicht über die Befreiungsregelung nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG der Versicherungspflicht als Weiterversicherter ausweichen. Entstehungsgeschichte und Systematik des Gesetzes weisen die Befreiungsregelung des § 84 Abs 2 ALG als geschlossenes Sondersystem aus.

Das insbesondere gegenüber dem früheren Recht des GAL außerordentliche, befristete Befreiungsrecht für Weiterversicherte (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG) wird dem Umstand gerecht, daß das ALG die Möglichkeit einer dem § 27 GAL entsprechenden Pflichtversicherung nicht mehr vorsieht (vgl Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5700 zu § 88 Abs 7, S 84); das zur freien Entscheidung eingeräumte Recht zur Pflichtweiterversicherung wurde durch die freiwillige Weiterversicherung abgelöst (§ 5 ALG). Im auslaufenden Modell der Weiterversicherung trägt die ausnahmsweise eingeräumte Befreiungsmöglichkeit bei Erfüllung der Wartezeit dem Umstand Rechnung, daß das Lückenlosigkeitsprinzip der Pflichtversicherung nach dem GAL weggefallen war (§ 2 Abs 1 GAL, vgl § 90 Abs 1 ALG). Für die am 31. Dezember 1994 Weiterversicherten bestand aber keine Möglichkeit, vor dem 1. Januar 1995 befreit zu werden (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG).

Ursprünglich war die im Gesetzesentwurf zum ASRG 1995 normierte Befreiungsmöglichkeit für Weiterversicherte weit gefaßt. Der versicherte Personenkreis sollte ohne weitere Voraussetzungen zum 1. Januar 1995 befreit werden, sofern der Befreiungsantrag rechtzeitig, dh bis zum 31. Dezember 1995 gestellt worden wäre (vgl § 88 Abs 7 Satz 1 Halbsatz 2 des Gesetzentwurfs, BT-Drucks 12/5700 zu § 88 Abs 7, S 29). Der dazu gegebenen Begründung nach räumte diese Regelung den bisher nach § 27 GAL bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit (EU) oder des Todes Beitragspflichtigen (sog Weiterversicherte) die Möglichkeit ein, sich auf Antrag binnen einer bestimmten Frist befreien zu lassen (vgl BT-Drucks 12/5700 zu § 88 Abs 7, S 84).

Demgegenüber machte die Beschlußempfehlung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung die Befreiung von der bis zum 1. Januar 1995 erfüllten Wartezeit für eine Altersrente abhängig; war die Wartezeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt, endet danach die Versicherungspflicht mit Wirkung vom Ablauf des Monats an, in dem die Wartezeit für eine Altersrente erfüllt ist (vgl BT-Drucks 12/7589, S 64). Zur Begründung dieser Änderung wurde angegeben, Personen, die vor Inkrafttreten der Reform die Wartezeit für eine Altersrente noch nicht erfüllt haben, könnten wählen, "ob sie (nur) bis zur Erfüllung der Wartezeit für eine Altersrente weiter versicherungspflichtig bleiben oder ggf - sofern von dem Antragsbefreiungsrecht kein Gebrauch gemacht wird - über diesen Zeitpunkt hinaus" (vgl Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 12/7599 zu § 88 Abs 2, S 13). Die in dieser Fassung Gesetz gewordene Befreiungsvorschrift (§ 84 Abs 2 ALG, BGBl 1994 I, 1890, 1912) wurde mit dem ASRG-Änderungsgesetz (ASRG-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 insoweit modifiziert, als auf die in § 17 ALG aufgenommene Anrechnung von Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung Rücksicht genommen wurde (vgl hierzu BT-Drucks 13/2747, S 13, zu Nr 6 <§ 17>). Die in § 84 Abs 2 Satz 4 ALG idF des ASRG-ÄndG geregelte Ergänzung berücksichtigt: Wer bereits vor dem 23. Dezember 1995 (Tag des Inkrafttretens von § 84 Abs 2 ALG in der neuen Fassung) auf der Grundlage der mit dem ASRG 1995 geschaffenen Rechtslage mit Wirkung frühestens vom 1. Januar 1996 an von der Versicherungspflicht befreit worden ist, bleibt auch dann bis Ende des Jahres 1995 versicherungspflichtig, wenn unter Berücksichtigung der jetzt vorgesehenen Anrechnung von in anderen Sicherungssystemen zurückgelegten Zeiten die 15jährige Wartezeit für eine Altersrente am 22. Dezember 1995 bereits erfüllt war; war letzteres an diesem Tag noch nicht erreicht, endet die Versicherungspflicht mit der späteren Erfüllung der 15jährigen Wartezeit, und zwar auch dann, wenn wegen der Anrechnung von in anderen Sicherungssystemen zurückgelegten Zeiten die Versicherungspflicht früher endet, als dies bei Fortgeltung des ASRG 1995 der Fall gewesen wäre (vgl dazu eingehend Wirth, SdL 1996, 40).

Personen, die gemäß § 84 Abs 2 ALG und § 27 GAL versicherungspflichtig sind, haben sich für das System der landwirtschaftlichen Altershilfe bzw Alterssicherung ursprünglich entschieden, um einen Rentenanspruch durch die damals erforderliche ununterbrochene Beitragszahlung mindestens bis zum 60. Lebensjahr oder bis zum Eintritt von EU zu erwerben. Sie mußten aus Vertrauensschutzgründen auch unter Geltung des ALG - zumindest bis zur Erfüllung der Wartezeit - grundsätzlich versicherungspflichtig bleiben können. Da die durch das GAL geforderte Lückenlosigkeit der Beitragszahlung zu den genannten Endzeitpunkten im ALG aber nicht mehr erforderlich ist, konnte in § 84 Abs 2 ALG zusammen mit der Regelung über die weiterhin bestehende Versicherungspflicht ein Befreiungstatbestand eingeräumt werden. Dieser knüpft an die Erfüllung der Wartezeit an und ermöglicht die Befreiung mit Wirkung vom 1. Januar 1995 - oder, wie gezeigt, zu einem späteren Zeitpunkt bei Erfüllung der Wartezeit. Indessen mußte sich der Weiterversicherte bis zum 31. Dezember 1995 für diese Befreiungsmöglichkeit entschieden haben. Anderenfalls verblieb er wie bisher als Beitragszahler im System der agrarsozialen Sicherung. Damit wurde nur die Unwiderruflichkeit (vgl dazu: BSG vom 29. März 1990, SozR 3-5850 § 48 Nr 1 S 5 f mwN) der einmal abgegebenen Erklärung fortgeführt. Wer sich dagegen mit der Inanspruchnahme der Befreiungsmöglichkeit gegen eine weitere Beitragszahlung in der Alterssicherung der Landwirte entschieden hat, wurde unter umfassender Wahrung seiner Interessen von der Beitragszahlung entbunden. Dieser Befreiungsregelung hätte es nicht bedurft, wenn die Weiterversicherten bereits zum Personenkreis des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG gehört hätten. Die Weiterversicherten kennzeichnet nämlich in typischer Weise, daß sie Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, nachdem die landwirtschaftliche Tätigkeit aufgegeben worden ist. Damit wäre ein jederzeitiges, wenngleich temporäres Befreiungsrecht ("solange") eröffnet, das für die Regelung des § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG keinen nennenswerten Raum mehr läßt.

Daß die Vorschrift des § 3 Abs 1 ALG diesem Personenkreis nicht eröffnet wurde, ergibt sich im übrigen aus ihrem Sinn und Zweck sowie aus dem systematischen Regelungszusammenhang: Mit § 3 ALG sollte den Nebenerwerbslandwirten die Möglichkeit eingeräumt werden, sich von der Versicherungspflicht befreien zu lassen, weil deren sozialer Schutz - zumindest teilweise - anderweitig sichergestellt ist. Auch wenn dieser anderweitige Schutz für sich allein betrachtet nicht ausreichend erscheinen sollte, wurde es doch der eigenverantwortlichen Entscheidung der Nebenerwerbslandwirte überlassen, ihn außerhalb der Alterssicherung der Landwirte "aufzustocken" (vgl hierzu Bundesrat, Protokolle Unterausschuß Agrarsozialreform, Ausschuß für Arbeit und Sozialpolitik, 4/93, S 39). Erwerbskombinationen wird nach Maßgabe des § 17 ALG einerseits Rechnung getragen, andererseits eine Doppelbelegung von Zeiten in der allgemeinen Rentenversicherung mit Beitragszeiten nach dem ALG (auch beitragsfreien Zeiten) für Landwirte iS von § 1 Abs 2 ALG ausgeschlossen. Systematisch entsprechen die jeweiligen Befreiungsregelungen dem unterschiedlichen Rang, den die entsprechenden Versicherungsverhältnisse einnehmen: Wenn ein Weiterversicherter, der aufgrund der Übernahme eines landwirtschaftlichen Betriebes erneut (im Geltungsbereich des ALG gemäß § 1 Abs 2) versicherungs- und beitragspflichtig wird, entsteht bei ihm keine doppelte Beitragspflicht (vgl bereits das BSG-Urteil vom 29. Oktober 1985, SozR 5850 § 27 Nr 6 S 9, 11 f). In einem solchen Fall verdrängte bereits unter der Geltung des GAL die Beitragspflicht des landwirtschaftlichen Unternehmers nach § 14 Abs 1 GAL jene nach § 27 GAL. Endete die Beitragspflicht als aktiver Unternehmer durch Betriebsaufgabe oder durch eine Befreiung nach § 14 Abs 2 GAL, so trat die Beitragspflicht nach § 27 GAL wieder in Wirksamkeit. Eine Befreiung von der Beitragspflicht aus § 27 GAL nach Maßgabe des § 14 Abs 2 GAL war damit ausgeschlossen (BSG aa0). Nichts anderes gilt aber in einem vergleichbaren Fall nach dem neuem Recht des ALG: Soweit sich der Landwirt nicht nach den §§ 3, 85 ALG von der Versicherungspflicht des § 1 Abs 1 Nr 1 ALG befreien lassen kann, verdrängt diese Versicherungspflicht wegen des grundsätzlichen Ausschlusses der Doppelversicherung jene aus § 84 Abs 2 ALG. Erreicht ein solcher Landwirt indessen eine Befreiung nach einem der vorgenannten Tatbestände des ALG, lebt die zuvor verdrängte Versicherungspflicht nach § 84 Abs 2 ALG wieder auf.

Die Befreiungsregelungen von § 84 Abs 2 ALG einerseits und §§ 3, 85 ALG andererseits gelten für Weiterversicherte nicht kumulativ. Entsprechend hat der Senat mit Urteil vom 19. Oktober 2000 (B 10 LW 1/99 R) entschieden, daß der Ehefrau eines Landwirts, die am 31. Dezember 1994 als Weiterversicherte beitragspflichtig war, die Befreiung nach der Regelung des § 85 Abs 3 ALG verstellt ist. Sie erfüllt nicht die Voraussetzung, "am 31. Dezember 1994 nicht beitragspflichtig" gewesen zu sein (§ 85 Abs 3 Satz 2 Nr 1 ALG). Der Gesetzgeber wollte den weiterversicherten Ehefrauen von aktiven Landwirten diese gesetzliche Befreiungsmöglichkeit nicht eröffnen. Mit dem ASRG 1995 verfolgte der Gesetzgeber einerseits den Zweck, die Rechtsstellung der Bäuerin durch Einführung einer eigenständigen Alterssicherung zu verbessern. Andererseits setzte er sich die gerechtere Ausgestaltung und finanzielle Stabilisierung des agrarsozialen Sicherungssystems zum Ziel. Dazu diente die Erhöhung der Zahl der Beitragszahler durch Einbeziehung des neuen Personenkreises der Bäuerinnen und die Umgestaltung der Beitragszuschußregelung (vgl BT-Drucks 12/5700, S 1, 62 f, 66; Senatsurteile vom 12. Februar 1998, BSGE 81, 294, 297 = SozR 3-5868 § 1 Nr 1 S 1, 5; SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 14). Im ASRG 1995 wurden reguläre Befreiungsmöglichkeiten (§ 3 Abs 1 Nrn 1 bis 4, Abs 3 ALG) und übergangsweise und befristet Befreiungsmöglichkeiten für besondere, unterschiedlich definierte Personenkreise wie der der Weiterversicherten (§ 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ALG) oder neu in die Versicherungspflicht einbezogene Landwirtsehegatten (§ 85 Abs 3 und 4 ALG) vorgesehen. Für letzteren Personenkreis wurden mit dem ASRG-ÄndG eng begrenzte weitere Befreiungsmöglichkeiten (§ 85 Abs 3a und 3b ALG) zur Vermeidung von Härten, die sich aus dem ASRG 1995 ergeben hätten, geschaffen (vgl Senatsurteil vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2 S 9, 14). Ein solches differenziertes System von Regel (Versicherungspflicht) und Ausnahme (Befreiung auf Antrag) verschließt sich nach der Überzeugung des Senats einer erweiternden, scheinbar lückenschließenden Auslegung der Art, wie sie vorliegend vom Kläger beabsichtigt ist. Vielmehr beläßt es das Gesetz damit sinnvoll bei der für Weiterversicherte kraft Bereiterklärung begründeten unwiderruflichen Bindung an das System der landwirtschaftlichen Alterssicherung, nachdem sie von der befristeten Befreiungsmöglichkeit nach § 84 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 ALG keinen Gebrauch gemacht haben.

Die Überlegungsfrist von einem Jahr war jedenfalls ausreichend, um die Vor- und Nachteile einer Fortsetzung der Versicherung abzuwägen. Der Gesetzgeber hat vor dem Hintergrund der Ziele Finanzierbarkeit, Systemerhalt, Verwaltungspraktikabilität und individuelle Belastung unter Berücksichtigung möglicher Härten eine sachlich begründete, jedenfalls nicht willkürliche Regelung eingeführt, die den Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht verletzt. Damit wird auch nicht gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Art 2 Abs 1 GG verstoßen. Insoweit hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits die bestehende und unwiderrufliche Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Altershilfe bis zu den in § 27 GAL genannten Endzeitpunkten als gerechtfertigt erachtet (BVerfG - Dreierausschuß -, Beschluß vom 3. September 1982, SozR 5850 § 27 Nr 5). Maßgeblich dafür war - und ist auch im Geltungsbereich des ALG -, daß die Fortdauer der Beitragspflicht auf Antrag und die damit verbundene Einschränkung der Handlungsfreiheit ihre Rechtfertigung darin findet, daß die Bindung bei Abgabe der Erklärung für den Versicherten bereits erkennbar ist. Auf der anderen Seite besteht ein öffentliches Interesse an der Kalkulierbarkeit des durch § 27 Abs 1 GAL (heute: § 84 Abs 2 ALG) erheblich erweiterten Versicherungsrisikos und insbesondere an der Vermeidung einer negativen Risikoauslese zum Nachteil der Alterskassen und ihrer Versichertengemeinschaft. Soweit die Weiterversicherung des § 27 GAL mit § 84 Abs 2 ALG fortgeführt worden ist, erscheinen diese Gesichtspunkte nicht in einem anderen Licht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.



Ende der Entscheidung

Zurück