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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 21.03.2007
Aktenzeichen: B 11a AL 15/06 R
Rechtsgebiete: SGB IV, SGG


Vorschriften:

SGB IV § 25 Abs 1 Satz 2
SGG § 163
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 11a AL 15/06 R

Der 11a. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 21. März 2007 durch den Richter Dr. Voelzke als Vorsitzenden, den Richter Dr. Leitherer und die Richterin Dr. Roos sowie den ehrenamtlichen Richter Winnefeld und die ehrenamtliche Richterin Ende für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Februar 2006 und des Sozialgerichts Hannover vom 8. Dezember 2000 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist (noch), ob eine auf die Beklagte übergegangene Forderung auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 16.805,04 DM verjährt ist.

Im November 1976 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Klägers, damals Inhaber von zwei Baustoffunternehmen, durch das zuständige Amtsgericht mangels Masse abgelehnt. Die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse zum 24. September 1976 gekündigt waren, stellten Anträge auf Konkursausfallgeld (Kaug), das von der Beklagten in Höhe von insgesamt 9.323,56 DM bewilligt und gezahlt wurde. Die Beklagte entrichtete außerdem für den Zeitraum 25. Juni 1976 bis einschließlich 24. September 1976 noch offene Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 16.805,04 DM.

Mit zwei Schreiben vom 28. Januar 1977 forderte die Beklagte den Kläger auf, die nach § 141m Arbeitsförderungsgesetz (AFG) übergegangenen Ansprüche zu begleichen. Auf 1978 und 1979 gestellte Stundungsanträge des Klägers hin bewilligte die Beklagte die ratenfreie Stundung der Gesamtforderung zunächst bis 31. August 1979 und sodann bis 31. August 1980. Im März 1982 erwirkte die Beklagte wegen der Arbeitsentgeltansprüche (9.323,56 DM) beim zuständigen Arbeitsgericht einen Mahn- und nachfolgend einen Vollstreckungsbescheid. In der Folgezeit kam es zu Stundungen, verschiedenen Vollstreckungsmaßnahmen (ua 1982 und 1984 Vollstreckungs- und Pfändungsersuchen bzw Pfändungsverfügungen wegen der Beiträge) sowie 1998 zur Aufrechnung durch die Beklagte im Hinblick auf das dem Kläger 1997 bewilligte Arbeitslosengeld.

Der Klage gegen die Aufrechnungsbescheide hat das Sozialgericht (SG) stattgegeben (Urteil vom 8. Dezember 2000). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG), nachdem der Kläger die Aufrechnung hinsichtlich der titulierten Arbeitsentgeltforderung zuzüglich Zinsen nicht mehr angegriffen hatte, das Urteil des SG geändert und entsprechend dem Antrag des Klägers festgestellt, die allein noch streitige Sozialversicherungsbeitragsforderung von 16.805,04 DM sei verjährt (Urteil vom 29. April 2003, L 7 AL 262/01).

Die dagegen von der Beklagten eingelegte Revision hatte im Sinne der Aufhebung des LSG-Urteils vom 29. April 2003 und der Zurückverweisung Erfolg (Urteil des Senats vom 7. Oktober 2004, B 11 AL 43/03 R). Der Senat hat in diesem Urteil im Wesentlichen ausgeführt: Es sei nicht zu beanstanden, dass das LSG von der vollständigen Rücknahme der zunächst erhobenen Anfechtungsklage und von der Zulässigkeit der allein noch anhängigen Feststellungsklage ausgegangen sei. Die Begründetheit der Feststellungsklage könne auf der Grundlage der bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht beurteilt werden. Die Auffassung des LSG, dass in den Schreiben vom 28. Januar 1977 keine Verwaltungsakte zu sehen seien, sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es müsse aber geklärt werden, ob der Kläger im Zusammenhang mit der 1982 durchgeführten Vollstreckung oder später einen als Verwaltungsakt anzusehenden Leistungsbescheid mit eindeutiger Bekanntgabe der beizutreibenden Forderung erhalten habe. Sollte sich der Erhalt eines Leistungsbescheids nicht feststellen lassen, sei weiter zu prüfen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Beitragsanspruch um einen Anspruch auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge im Sinne des § 25 Abs 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) handle, da dann eine dreißigjährige Verjährungsfrist gelte.

Nach der Zurückverweisung hat die Beklagte vorgetragen, aus ihren Unterlagen sei nicht ersichtlich, ob der Kläger im Jahre 1982 den Pfändungsbeschluss erhalten habe; die Unterlagen seien bereits vernichtet. Der Kläger hat im Rahmen seiner Befragung in der mündlichen Verhandlung am 28. Februar 2006 erklärt, er könne sich nicht mehr daran erinnern, dass er damals einen Bescheid über die Zahlung der streitigen Beiträge erhalten habe; in der Zeit des Konkurses sei alles sehr schnell gegangen, die Bank habe nicht mehr gezahlt, einige Schecks seien geplatzt und er habe die Bank zu Zahlungen nicht bewegen können.

Mit Urteil vom 28. Februar 2006 hat das LSG erneut das Urteil des SG vom 8. Dezember 2000 geändert und festgestellt, dass die Sozialversicherungsbeitragsforderung der Beklagten in Höhe von 16.805,04 DM verjährt sei. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt: Ausgehend von der vierjährigen Verjährungsfrist des § 25 SGB IV sei die Verjährung zunächst durch die 1978 und 1979 gestellten Stundungsanträge unterbrochen worden, sodass nach Beendigung der Unterbrechung Ende August 1980 erneut die vierjährige Verjährungsfrist begonnen habe. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Beklagte vor Ablauf dieser Frist einen Verwaltungsakt erlassen habe; insbesondere lasse sich nicht feststellen, ob der Kläger innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist eine Abschrift der Überweisungsverfügung vom 19. Januar 1982 oder der weiteren Pfändungs- und Einziehungsverfügung vom 24. September 1984 erhalten habe. Es handle sich bei dem streitgegenständlichen Beitragsanspruch nicht um einen Anspruch auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge iS des § 25 SGB IV, sodass keine dreißigjährige Verjährungsfrist gelte. Die zu § 266a Strafgesetzbuch (StGB) entwickelten Grundsätze seien auf die hier zu entscheidende Frage zu übertragen. Ein vorsätzliches Vorenthalten sei zu verneinen, da der Kläger nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt habe, dass er im streitigen Zeitraum von Juli bis September 1976 keinerlei anderweitige Forderungen mehr habe erfüllen können und auch nicht erfüllt habe. Dass er den Arbeitnehmern im Juli 1976 vollständig und im August und September 1976 Abschläge habe zahlen können, damit ihr Existenzminimum gesichert gewesen sei, stehe der Beurteilung nicht entgegen. Abgesehen davon, dass bei anderer Aufteilung die Summe der Forderungen nicht geringer gewesen wäre, da die Beklagte dann höheres Kaug hätte zahlen müssen, sei in der Rechtsprechung zu § 266a StGB anerkannt, dass die Sicherstellung des Existenzminimums einen akzeptablen Grund für die bewusste Vernachlässigung einer Zahlungspflicht der Beiträge darstelle. Der Kläger sei einfach mangels liquider Mittel nicht in der Lage gewesen, die Beiträge zu zahlen. Insoweit unterscheide sich der vorliegende Fall von dem, der der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20. März 2003, III ZR 305/01, zu Grunde gelegen habe.

Mit der vom LSG erneut zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, das LSG habe gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) verstoßen, weil es nicht ermittelt habe, ob der Kläger durch geeignete Maßnahmen noch vor Eintritt der Insolvenz die Nichtabführung der Beiträge habe vermeiden können. Zu solchen Ermittlungen habe sich das LSG gedrängt fühlen müssen, da nach der Rechtsprechung des BGH und des Bundessozialgerichts (BSG) Beitragsansprüche wegen "vorsätzlicher Beitragsvorenthaltung" dann erst nach 30 Jahren verjährten, wenn der Arbeitgeber es bei Anzeichen von Liquiditätsproblemen bzw trotz seiner Vorstellung von der Möglichkeit der Beitragsvorenthaltung wenigstens bedingt vorsätzlich unterlassen habe, Sicherungsvorkehrungen für die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zu treffen. Gerügt werde außerdem die Verletzung des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV. Der Kläger habe nach den Feststellungen des LSG ungeachtet seiner Liquiditätsprobleme die Löhne und Gehälter für den Monat Juli 1976 vollständig sowie für die Monate August und September 1976 teilweise ausbezahlt. Es habe damit keine den Vorenthaltungsvorsatz ausschließende Zahlungs- und Handlungsunfähigkeit bezüglich der Pflichtbeiträge bestanden. Die Auffassung des LSG, die Sicherstellung des Existenzminimums der Beschäftigten sei ein akzeptabler Grund für die bewusste Vernachlässigung der Zahlung der Beiträge, werde nicht geteilt.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG vom 28. Februar 2006 und des SG vom 8. Dezember 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

II

Die Revision der Beklagten ist begründet. Den im Berufungsverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist entgegen der Rechtsauffassung des LSG zu entnehmen, dass der Kläger die jetzt noch streitgegenständlichen Beiträge vorsätzlich im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV vorenthalten hat, weshalb eine Verjährungsfrist von dreißig Jahren gilt.

Zu entscheiden ist nur noch über das Feststellungsbegehren des Klägers und insoweit nur noch über die Frage, ob der streitgegenständliche Anspruch auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen in Höhe von 16.805,04 DM, der gemäß § 141m AFG auf die Beklagte übergegangen ist und von dieser nach wie vor geltend gemacht wird, als Anspruch auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge iS des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV mit der Folge einer dreißigjährigen Verjährungsfrist anzusehen ist. Inzwischen beantwortet ist dagegen die nach der Entscheidung im früheren Revisionsverfahren - B 11 AL 43/03 R - zunächst noch offene Frage, ob die Verjährung in der Zeit ab 1980 bis zur späteren Aufrechnung im Jahre 1998 durch einen Verwaltungsakt der Beklagten unterbrochen worden ist. Eine solche Unterbrechung ist nach der Entscheidung des LSG im angefochtenen Urteil vom 28. Februar 2006, wonach sich der Erlass eines dem Kläger bekannt gegebenen Verwaltungsaktes nicht mehr feststellen lässt, zu verneinen. Die entsprechenden Feststellungen des LSG, gegen die zulässige und begründete Revisionsrügen nicht vorgebracht sind, binden den Senat (§ 163 SGG).

Die Feststellungsklage ist unbegründet, da der auf die Beklagte übergegangene Anspruch auf Zahlung von Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung nicht verjährt ist.

Die Frage der Verjährung ist im vorliegenden Fall anhand des § 25 SGB IV zu beurteilen, da im Jahre 1976 für Beitragsansprüche gemäß § 29 Reichsversicherungsordnung zumindest eine zweijährige Verjährungsfrist galt und diese Frist bei Inkrafttreten des SGB IV am 1. Juli 1977 noch nicht abgelaufen war (vgl BSGE 70, 261, 264 = SozR 3-2400 § 25 Nr 4). Nach § 25 Abs 1 SGB IV idF des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl I 3845, verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (Satz 1); Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (Satz 2).

Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die für eine dreißigjährige Verjährungsfrist erforderliche Voraussetzung des vorsätzlichen Vorenthaltens von Beiträgen gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV erfüllt.

Beiträge sind dann im Sinne des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV vorsätzlich vorenthalten, wenn der Zahlungspflichtige in Kenntnis seiner Beitragspflicht bewusst und gewollt keine Beiträge an den Versicherungsträger abführt. Nach der Rechtsprechung des BSG sind hinsichtlich des Vorsatzes das Vorliegen des inneren (subjektiven) Tatbestandes anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles individuell zu ermitteln (BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35). Für die Geltung der dreißigjährigen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Schuldner die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat (BSG USK 90106; SozR 3-2400 § 25 Nr 6 S 26; SozR 4-2400 § 14 Nr 7 RdNr 24).

Den tatsächlichen Feststellungen des LSG ist zu entnehmen, dass der Kläger seine Pflicht zur Abführung der streitgegenständlichen Beiträge kannte. Das LSG hat weiter festgestellt, dass sich die streitgegenständliche Beitragsforderung auf den Zeitraum von Juli 1976 bis einschließlich 24. September 1976 bezieht und dass der Kläger als damaliger Arbeitgeber in der Lage war, seinen Arbeitnehmern das ihnen zustehende Arbeitsentgelt im Juli 1976 vollständig und im August sowie September 1976 teilweise zu zahlen, und dass er in diesem Zeitraum bewusst die Zahlung von Beiträgen vernachlässigt hat. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Kläger die Beiträge zumindest bedingt vorsätzlich im Sinne eines billigenden Inkaufnehmens vorenthalten hat.

Dabei kann offen bleiben, ob der Auffassung des LSG, bei der Auslegung des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV seien in Fällen der vollständigen Zahlungsunfähigkeit die zu § 266a StGB entwickelten Grundsätze heranzuziehen, in vollem Umfang zu folgen ist. Das BSG hat diese Frage in seiner Rechtsprechung zu § 25 SGB IV bisher nicht näher behandelt; vertreten wird allerdings auch die Auffassung, Zahlungsunfähigkeit schließe grundsätzlich den Vorsatz gemäß § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV nicht aus (näher dazu Segebrecht in jurisPK-SGB IV, § 25 RdNr 37 und 37.1). Der Senat ist unter den vorliegenden Umständen nicht gehalten, sich zu dieser Frage abschließend zu äußern. Denn selbst wenn die zu § 266a StGB entwickelten Kriterien (vgl ua BGH NJW 1992, 177; BGHZ 144, 311 = NJW 2000, 2993; BGHSt 47, 318 = NJW 2002, 2480) auf die vorliegende Fallgestaltung zu übertragen wären, könnte nach den festgestellten besonderen Umständen nicht zu Gunsten des Klägers angenommen werden, er habe sich mangels Liquidität in einem jegliche Dispositionsmöglichkeit ausschließenden Zustand der Handlungsunfähigkeit befunden. Auszugehen ist vielmehr davon, dass der Kläger in der konkreten Situation durchaus noch entscheiden konnte, inwieweit er noch vorhandene Mittel entweder für die ihm bekannten Forderungen der Sozialversicherungsträger oder aber für andere Forderungen verwendete. Wenn der Kläger sich in dieser Situation für Zahlungen an die Arbeitnehmer und gegen Zahlungen an die Sozialversicherungsträger entschieden hat, ist der Tatbestand des vorsätzlichen Vorenthaltens von Beiträgen erfüllt.

Der Senat folgt in diesem Zusammenhang nicht der Auffassung des LSG, entsprechend einer zu § 266a StGB vertretenen Auffassung (vgl Perron in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl, § 266a RdNr 10) sei es angebracht, die Sicherstellung des Existenzminimums der Arbeitnehmer als akzeptablen Grund für die bewusste Vernachlässigung einer Zahlung von Beiträgen anzuerkennen, die Zahlungen an die Arbeitnehmer also bei der Prüfung der Frage des Vorsatzes zu vernachlässigen. Denn entscheidend kann im Rahmen des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV - wie ausgeführt - allenfalls sein, ob der Beitragspflichtige unter Berücksichtigung der ihm zur Verfügung stehenden Mittel noch in der Lage ist, sich für oder gegen die Abführung der Beiträge zu entscheiden. Hierauf hat auch der BGH in der vom LSG und von der Revision erwähnten Entscheidung vom 20. März 2003 (III ZR 305/01, NJW-RR 2003, 966) ausdrücklich abgestellt. Dieser Rechtsprechung schließt sich der erkennende Senat an. Eine bewusste und gewollte Nichtzahlung und damit ein vorsätzliches Vorenthalten im Sinne des § 25 SGB IV liegt also jedenfalls immer dann vor, wenn der noch über genügende Liquidität verfügende Schuldner sich bewusst gegen die Beitragsabführung entscheidet und die Erfüllung anderer Verbindlichkeiten vorzieht. Dass es sich bei den vorgezogenen anderen Verbindlichkeiten um solche handelt, die gegenüber Arbeitnehmern bestehen, kann keine Rolle spielen. Dies gilt umso mehr, als die Arbeitsentgeltansprüche nach näherer Maßgabe der Vorschriften zum Insolvenzgeld bzw nach damaliger Rechtslage zum Kaug gesichert sind bzw waren.

Gegen die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens von Beiträgen spricht nicht das Fehlen näherer Feststellungen zu genauen Zahlungsterminen und zur exakten Höhe der vom Kläger in der Zeit ab Juli 1976 noch geleisteten Zahlungen. Denn nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG kann nicht zweifelhaft sein, dass bei einer nicht abgeführten Beitragssumme von über 16.000 DM und einem an die Arbeitnehmer geflossenen Kaug-Gesamtbetrag in Höhe von nur etwas mehr als 9.000 DM vom Kläger im fraglichen Zeitraum Arbeitsentgelte in einer die jetzt noch offene Beitragsforderung übersteigenden Höhe gezahlt worden sind.

Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass das LSG, das alle noch verfügbaren Unterlagen beigezogen und den Kläger in der mündlichen Verhandlung angehört und befragt hat, nähere Feststellungen zu den Einzelheiten der Zahlungsvorgänge im Zeitraum Juli bis September 1976 nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht mehr treffen konnte. Dies wirkt sich unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles zum Nachteil des Klägers aus. Zwar trifft für das Vorliegen vom Vorsatz grundsätzlich den Versicherungsträger die objektive Beweislast (vgl BSG SozR 3-2400 § 25 Nr 7 S 35); jedoch kann unter Umständen eine Ausnahme von dieser Beweislastverteilung eingreifen, sodass der Schuldner gehalten ist, die für den Vorsatz sprechenden Umstände zu entkräften (vgl Segebrecht in jurisPK-SGB IV, § 25 RdNr 29). Dies gilt insbesondere für Tatsachen, die der Sphäre des Schuldners zuzuordnen sind (vgl in anderem Zusammenhang Urteil des Senats vom 24. Mai 2006, B 11a AL 7/05 R, RdNr 33 mwN). Angesichts der Tatsache, dass im fraglichen Zeitraum jedenfalls Zahlungen in erheblicher Höhe geleistet worden sind, wäre es deshalb Sache des Klägers gewesen, eine etwaige vollständige Zahlungsunfähigkeit zu einem bestimmten Zeitpunkt näher darzulegen und unter Beweis zu stellen. Dies war dem Kläger, wie seine Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG zeigen, offensichtlich nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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