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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: B 11a AL 47/06 R
Rechtsgebiete: B 11a AL 47/06 R


Vorschriften:

SGB III F: 19.03.2001 § 71 Abs 1
SGB III F: 19.03.2001 § 71 Abs 2 S 1
SGB III F: 19.12.1997 § 71 Abs 2 S 2 Nr 1
SGB X § 48 Abs 1 S 2 Nr 1
SGB X § 48 Abs 1 S 1
BAföG F: 24.07.1995 § 22 Abs 1 S 1

Entscheidung wurde am 23.10.2008 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Ändert sich während des laufenden Bewilligungsabschnitts das neben der Ausbildungsvergütung vorhandene Nebeneinkommen des Auszubildenden zu seinen Ungunsten, ist die Berufsausbildungsbeihilfe neu zu berechnen.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 28. November 2007

in dem Rechtsstreit

Az: B 11a AL 47/06 R

Der 11a. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. November 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Wetzel-Steinwedel, den Richter Dr. Voelzke und die Richterin Dr. Roos sowie die ehrenamtliche Richterin Govorusic und den ehrenamtlichen Richter Alsbach für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt eine höhere Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) in der Zeit vom 1. Februar 2004 bis zum 31. März 2005 nach Wegfall von Nebeneinkommen.

Die 1981 geborene Klägerin begann nach Beendigung der Schule am 29. September 2003 eine dreijährige Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau. Gleichzeitig beantragte sie bei der Beklagten BAB. Im Antrag gab sie neben einer monatlichen Ausbildungsvergütung (für das 1. Ausbildungsjahr iHv 250,00 €, für das 2. Ausbildungsjahr iHv 262,50 € und für das 3. Ausbildungsjahr iHv 275,63 €) weiteres Einkommen iHv insgesamt 3.600,00 € (200,00 € monatlich) aus einer Übungsleitertätigkeit für den Bewilligungszeitraum vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. März 2005 an. Durch Bescheid vom 5. Dezember 2003 bewilligte die Beklagte daraufhin für diesen Zeitraum eine monatliche BAB iHv 71,00 €. Hierbei ging sie von einem anrechnungsfähigen Einkommen der Klägerin iHv monatlich 367,61 € aus. Dieser Bewilligungsbescheid wurde bestandskräftig.

Den am 27. Januar 2004 gestellten Antrag der Klägerin auf Neuberechnung wegen gesundheitsbedingter Aufgabe der Nebentätigkeit zum 1. Februar 2004 lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 28. Januar 2004 und Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2004 ab mit der Begründung, Änderungen nach einer Entscheidung über den Antrag seien nicht mehr zu berücksichtigen. Erst für die Zeit ab dem 1. April 2005 wurde das Nebeneinkommen der Klägerin nicht mehr angerechnet.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte für die Zeit ab 1. Februar 2004 zur Gewährung von BAB ohne Berücksichtigung des Einkommens aus der Nebentätigkeit als Übungsleiterin verurteilt. Zur Begründung hat das SG angeführt, zwar seien Änderungen des anzurechnenden Einkommens abweichend von der Rechtslage nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) im Rahmen der BAB nur bis zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung zu berücksichtigen. Im Wege der teleologischen Reduktion sei die zu Grunde liegende Vorschrift des § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) jedoch auf Änderungen bei der Ausbildungsvergütung zu beschränken. Denn nur deren geringfügige tarifliche, aber regelmäßige Anpassungen habe die Gesetzesbegründung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung von einer Neuberechnung ausnehmen wollen (Urteil vom 19. November 2004).

Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (Urteil des Landessozialgerichts <LSG> vom 30. Juni 2006). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG auf die Entscheidung des SG Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, die Regelung des § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III, nach der es für die Berechnung der BAB maßgeblich auf das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbare Einkommen des Auszubildenden ankomme und Änderungen nur bis zur Entscheidung über den Antrag berücksichtigungsfähig seien, führe bei einer Anwendung auf Einkünfte außerhalb der Ausbildungsvergütung zu einer besonderen Härte.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung materiellen Rechts. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verwaltungsvereinfachung ließe sich nicht erzielen, wenn mit Ausnahme der Ausbildungsvergütung bei allen anderen Einkommensarten des Auszubildenden Änderungen auch nach der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen seien. Davon seien im Übrigen nicht nur Schlechter-, sondern auch Besserstellungen auf der Einkommensseite erfasst. Die Zahlung von BAB ab 1. April 2005 ohne Anrechnung von Nebeneinkommen beruhe ausschließlich auf der zu diesem Zeitpunkt notwendigen erneuten Antragstellung und stelle kein Anerkenntnis für den hier streitgegenständlichen Zeitraum dar.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgerichts vom 30. Juni 2006 und des Sozialgerichts vom 19. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Klägerin schließt sich der Auffassung der Vorinstanzen an und trägt ergänzend vor, eine am Wortlaut des § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III orientierte Einkommensprognose müsse zugleich mit einer entsprechenden Aufklärung durch die Beklagte einhergehen, welche aber unstreitig nicht erfolgt sei.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

Streitgegenständlich ist der Bescheid vom 28. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Februar 2004, mit dem die Beklagte es abgelehnt hat, die BAB für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis zum 31. März 2005 zu Gunsten der Klägerin neu zu berechnen. Dieser Bescheid war - wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben - rechtswidrig.

1. Die Klägerin kann die begehrte Neuberechnung nach Ablauf der Widerspruchsfrist gegen den Bescheid vom 5. Dezember 2003 (vgl § 84 Abs 1 SGG) allein auf der Grundlage des § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) bzw § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III (zur Abgrenzung der Aufhebung für die Zukunft und Vergangenheit vgl grundsätzlich BSGE 62, 103 = SozR 1300 § 48 Nr 39) verlangen. Die in § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X vorausgesetzte wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die "beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben", ist eingetreten. Ob und in welchem Umfang eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eintritt, hängt maßgeblich von den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets ab, in dessen Grenzen der Verwaltungsakt ergangen ist. Die Änderung ist deshalb bereichsspezifisch zu bestimmen. Dies gilt insbesondere für einkommensabhängige Leistungen, die einer fortlaufenden Anpassung unterliegen (vgl BSG SozR 3-4100 § 58 Nr 4 zu § 27 Abs 5 Satz 2 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die Arbeits- und Berufsförderung Behinderter). Ob der Wegfall des Nebeneinkommens eine wesentliche Änderung darstellt, die eine Neuberechnung erforderlich macht, bestimmt sich daher hier nach den Regelungen über die BAB im streitigen Zeitraum (§§ 59 ff SGB III).

2. Auszubildende haben danach während einer beruflichen Ausbildung Anspruch auf BAB, wenn neben der ausbildungsbezogenen und persönlichen Förderungsfähigkeit (§ 59 Nr 1 und 2 SGB III; zur Verfassungsmäßigkeit des Leistungsausschlusses bei einer Unterbringung im Haushalt der Eltern vgl Urteil des erkennenden Senats vom heutigen Tage - B 11a AL 39/06 R) die erforderlichen Mittel zur Deckung des Bedarfs für den Lebensunterhalt, die Fahrkosten, die sonstigen Aufwendungen und die Lehrgangskosten (Gesamtbedarf) nicht anderweitig zur Verfügung stehen (§ 59 Nr 3 SGB III). Auf den Gesamtbedarf ist ua das Einkommen des Auszubildenden anzurechnen (§ 71 Abs 1 SGB III idF des Gesetzes vom 16. Februar 2001, BGBl I 266). Für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung verweist § 71 Abs 2 Satz 1 SGB III idF des Gesetzes vom 19. März 2001 (BGBl I 390) auf die entsprechende Geltung (zu den Folgen unzureichender Systemkompatibilität BSG SozR 4-4300 § 71 Nr 1) der Einkommensanrechnungsvorschriften des § 11 Abs 4 und des Vierten Abschnitts des BAföG (§ 21 bis § 25) mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen. Für die Anrechnung des Einkommens des Auszubildenden sind danach die Einkommensverhältnisse im Bewilligungszeitraum maßgebend (§ 22 Abs 1 Satz 1 BAföG idF des Gesetzes vom 24. Juli 1995, BGBl I 976). Hiervon abweichend ist allerdings der Berechnung der BAB nicht das Einkommen des Auszubildenden während des Bewilligungszeitraums (in der Regel bei beruflicher Ausbildung 18 Monate und im Übrigen ein Jahr, § 73 Abs 1 Satz 2 SGB III idF des Gesetzes vom 19. März 2001, aaO), sondern das Einkommen des Auszubildenden zu Grunde zu legen, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar ist. "Änderungen bis zum Zeitpunkt der Entscheidung sind jedoch zu berücksichtigen" (§ 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III idF des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970). In der Sache handelt es sich um eine zukunftsbezogene Prognoseentscheidung, die auch dann richtig bleibt, wenn sich die Einkommensverhältnisse des Auszubildenden nach der Bewilligung ändern und hinter seinem ursprünglich errechneten Restbedarf zurückbleiben oder darüber hinausgehen, ohne dass dies vorauszusehen war (vgl BSGE 70, 226 = SozR 3-4100 § 45 Nr 2; Schmidt in Eicher/Schlegel, SGB III, § 71 RdNr 68). Daraus folgt, dass eine Änderung der Einkommensverhältnisse des Auszubildenden nach der Entscheidung über den Antrag grundsätzlich keine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 SGB X zu begründen vermag (vgl Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 RdNr 72).

§ 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III (jetzt § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III) schließt jedoch trotz des umfassenden Wortlauts und des Verzichts auf die an anderer Stelle deutlich zum Ausdruck gekommene Differenzierung zwischen Ausbildungsvergütung und sonstigem Einkommen (vgl zB § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 2 SGB III, jetzt § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 3 SGB III) nicht uneingeschränkt und unabhängig davon, ob sich die Einkommensverhältnisse zu Gunsten oder zu Ungunsten des Auszubildenden ändern, die Berücksichtigung jedweder Einkommensänderung aus. Der Gesetzgeber hat die Regelung des § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III vielmehr damit begründet, dass Auszubildende im Gegensatz zu Schülern und Studenten nach dem Berufsbildungsgesetz (BBiG) Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung haben, die in der Regel jährlich auf Grund von Tarifvereinbarungen angepasst wird, und die Übernahme der dargestellten BAföG-Regelung folglich bei Auszubildenden dazu führen würde, dass in nahezu allen Förderungsfällen im Laufe eines Jahres eine Neuberechnung der BAB und ein zweiter Bewilligungsbescheid erforderlich wäre (BT-Drucks 13/4941 S 166, 167). Hiernach kommt bei Änderungen der Ausbildungsvergütung, die anders als bei Schülern oder Studenten ohne einen Ausbildungsvertrag verbindliche Gegenleistung einer im Berufsausbildungsvertrag festgelegten Ausbildungsverpflichtung ist (§§ 6 ff BBiG aF; §§ 14 ff BBiG nF), eine Neuberechnung während des laufenden Bewilligungszeitraums nicht in Betracht. Derartige Änderungen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind nach der Wertung des Gesetzgebers in typisierender und pauschalierender Weise vernachlässigbar.

Diese Einschränkung gilt aber nicht, wenn sich das neben der Ausbildungsvergütung vorhandene Einkommen des Auszubildenden während des laufenden Bewilligungsabschnitts mindert. Jedenfalls bei einer Minderung (bei Erhöhung des Einkommens beruft sich die Bundesagentur für Arbeit <BA> durchaus auf § 48 SGB X, bestätigend Sächsisches LSG, Urteil vom 6. Februar 2003 - L 3 AL 267/01) widerspricht ein Ausschluss der Neuberechnung nach Antragstellung bzw Entscheidungszeitpunkt dem Sinn und Zweck des § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III und kann deshalb die genannte Vorschrift in ihrem weiter gefassten Wortlaut nicht zum Tragen kommen (zur teleologischen Reduktion vgl BVerfGE 88, 145, 166 f; BVerfG, Kammerbeschluss vom 7. April 1997 - 1 BvL 11/96 = NJW 1997, 2230).

Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Bis zum Inkrafttreten des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 (BGBl I 594) hatte die Förderung der beruflichen Ausbildung ihre Grundlage in § 40 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Förderung war nach Maßgabe der gesetzlichen Ermächtigung (§ 39 AFG) bestimmt im Satzungsrecht der Beklagten, nämlich in der Anordnung über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung (AusbFöAnO), zuletzt idF vom 19. Dezember 1996 (ANBA 1997, 737). Die Einzelheiten der BAB zur Förderung der beruflichen Ausbildung ergaben sich aus den §§ 9 ff AusbFöAnO, speziell zur Einkommensanrechnung aus § 10 iVm §§ 15 ff AusbFöAnO. Das Einkommen des Auszubildenden (§ 15 AusbFöAnO) war anzurechnen und umfasste alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert unter Einschluss der laufenden Ausbildungsvergütung (vgl § 18 Abs 1, Abs 6 Nr 1 AusbFöAnO). Bei der Berechnung waren grundsätzlich die wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend, die zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweisbar waren (§ 20 Abs 8 Satz 1 AusbFöAnO). Bis zur Entscheidung bekannt gewordene Änderungen waren zu berücksichtigen (§ 20 Abs 8 Satz 2 AusbFöAnO), darüber hinaus nur Änderungen in der Höhe der Ausbildungsvergütung während eines Bewilligungszeitraums, wenn diese auf dem Eintritt in das nächste Ausbildungsjahr oder in den nächsten Ausbildungsabschnitt beruhten (§ 20 Abs 8 Satz 3 AusbFöAnO). War im Zeitpunkt der Bewilligung der Eintritt wesentlicher Änderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen abzusehen, waren abweichend vom Regelbewilligungszeitraum (neun Monate, vgl § 20 Abs 7 Satz 1 Nr 1 AusbFöAnO) kürzere Bewilligungszeiträume festzusetzen.

Unter der Geltung des AFG bestand das zu Grunde liegende Gesamtkonzept also ersichtlich darin, Änderungen der einmal ergangenen Bewilligung von BAB während des laufenden Bewilligungszeitraums nach Möglichkeit auszuschließen und nur ausnahmsweise bei einer ausbildungsbedingten Änderung der Höhe der Ausbildungsvergütung, nicht aber bei einer sonstigen Änderung der Einkommensverhältnisse eine Neuberechnung während des laufenden Bewilligungsabschnitts durchzuführen. Rechtliche Bedenken ergaben sich aus dieser Verfahrensweise grundsätzlich nicht (vgl BSG SozR 3-4100 § 40 Nr 4 S 14).

Allerdings hatte der 7. Senat zur wesentlich wortgleichen Vorgängervorschrift des § 20 Abs 8 Satz 1 AusbFöAnO 1975 klargestellt, dass es nicht uneingeschränkt auf die wirtschaftlichen Verhältnisse ankommen könne, die zur Zeit der Antragstellung nachweisbar seien. Denn eine Auslegung, die aus § 20 Abs 8 AusbFöAnO den Schluss ziehe, dass Änderungen in der Zeit nach Antragstellung unberücksichtigt oder dass erst danach verwertbar gewordene Beweismittel außer Betracht zu bleiben hätten, würde der Vorschrift einen Inhalt geben, der mit der Ermächtigungsgrundlage des § 39 AFG (zum Erfordernis der Ermächtigungskonformität näher BSGE 71, 122 = SozR 3-4100 § 40 Nr 7) nicht mehr vereinbar wäre. Die BA könne ihren Aufgaben nur gerecht werden, wenn sie ihre Entscheidung auf Grund der Verhältnisse treffe, wie sie sich tatsächlich darstellten und nicht, wie sie zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit gewesen seien (BSG SozR 4100 § 40 Nr 18 S 61, 62). Der Ausschluss der Neuberechnung für den Fall einer Änderung der Einkommensverhältnisse zu Ungunsten des Auszubildenden war danach im Geltungsbereich des AFG mit der Unterhaltssicherungsfunktion der BAB nicht zu vereinbaren (vgl Fuchsloch in Gagel, AFG, § 40 RdNr 564). Die Durchführungsanweisungen der BA zu § 20 AusbFöAnO regelten (unter Nr 20.17) dementsprechend auch das Verfahren für den Fall eines Antrags auf Neuberechnung von BAB wegen einer Verschlechterung der der Berechnung des BAB zugrunde liegenden wirtschaftlichen Verhältnisse ua mit dem Hinweis, einem solchen Antrag sei frühestens ab dem Zeitpunkt der Antragstellung stattzugeben.

Mit der Neuregelung der BAB im SGB III ist die Bedürftigkeitsprüfung auf die Vorschriften des BAföG umgestellt und damit ein weiterer Schritt zur Harmonisierung des Ausbildungsförderungsrechts getan worden. Insbesondere war es das Anliegen des Gesetzgebers, den Antragstellern den Nachweis der Einkommensverhältnisse durch die im BAföG vorgesehene engere Anlehnung an das Einkommensteuerrecht (vgl § 21 BAföG) und den Rückgriff auf das Eltern- und Ehegatteneinkommen aus dem vorletzten - steuerlich abgewickelten - Kalenderjahr (vgl § 24 BAföG) zu erleichtern. Gleichzeitig führte die Gesetzesbegründung aus, "entsprechend dem geltenden Anordnungsrecht" solle aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität das Einkommen des Auszubildenden maßgebend sein, das zum Zeitpunkt der Antragstellung absehbar sei (BT-Drucks 13/4941 S 166). Eine über das bis dahin geltende Anordnungsrecht hinaus gehende Verschlechterung der Förderungssituation war danach nachweislich nicht beabsichtigt. Unbeschadet des mit dem AFRG vollzogenen Übergangs vom Satzungsrecht zur gesetzlichen Ausgestaltung der Einkommensanrechnung ist der Gedanke der Unterhaltssicherung (§ 40 AFG) im Geltungsbereich des § 59 SGB III nicht weniger ausgeprägt mit der Konsequenz, dass für den Fall einer Verschlechterung der Einkommensverhältnisse jenseits der Ausbildungsvergütung auch nach Antragstellung und Entscheidungszeitpunkt noch eine Neuberechnung nach § 48 SGB X möglich sein muss. In der Konzeption des Gesetzes wird das daran deutlich, dass § 71 Abs 2 Satz 1 SGB III zwar auf § 11 Abs 4 und § 21 bis § 25 BAföG, nicht jedoch auf § 53 BAföG Bezug nimmt, der nach seinem Satz 3 hinsichtlich der Möglichkeiten einer Bescheidänderung die Vorschrift des § 48 SGB X ausdrücklich ausschließt. Im Sinne des § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch, der die Geltung des SGB X vorbehaltlich anderweitiger Regelungen in den übrigen Büchern grundsätzlich für alle Sozialleistungsbereiche des SGB vorsieht, ist mithin für den Fall einer Verschlechterung der sonstigen Einkommensverhältnisse des Auszubildenden durch § 71 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III nichts von § 48 SGB X Abweichendes bestimmt.

Mit dem Wegfall des Nebeneinkommens iHv monatlich 200,00 € haben sich infolgedessen die Einkommensverhältnisse der Klägerin angesichts fehlender Anhaltspunkte für ersatzweise berücksichtigungsfähiges Einkommen wesentlich zu ihrem Nachteil geändert. Die Klägerin kann (ohne Rückgriff auf die sozialhilferechtlichen Härtefallregelungen des § 26 Abs 1 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz bzw jetzt der § 7 Abs 5 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch mit der Beschränkung auf Darlehen bzw § 22 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch, wie es Fuchsloch in Gagel, SGB III, § 71 RdNr 72a, wohl auch Petzold in Hauck/Noftz, SGB III, K § 71 RdNr 11 unter Hinweis auf die Möglichkeit unbilliger Ergebnisse bei Nebeneinkommen vertreten) eine Neuberechnung der BAB verlangen.

Die Vorinstanzen haben daher zu Recht den angefochtenen Bescheid der Beklagten aufgehoben und - wie zumindest den Entscheidungsgründen des SG-Urteils entnommen werden kann - diese verpflichtet, der Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Ausgangsbescheids vom 5. Dezember 2003 BAB für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis zum 31. März 2005 ohne Berücksichtigung von Nebeneinkommen zu bewilligen.

3. Der Anwendung der Aufhebungsregelung in § 48 SGB X steht im Übrigen auch der Vorläufigkeitsvorbehalt in der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 5. Dezember 2003 nicht entgegen. Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung zum Umfang der Bindungswirkung vorläufiger Entscheidungen (hierzu näher Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 47 ff unter Bezug auf Schmidt-De Caluwe, NZS 2001, 240). Nach § 328 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB III kann zwar unter bestimmten Voraussetzungen über die Erbringung von Geldleistungen vorläufig entschieden werden mit der Folge, dass die unter Vorläufigkeitsvorbehalt stehende Verfügung als Rechtsgrund für gewährte Leistungen ohne Einschränkungen wieder beseitigt werden kann. Doch weder der für den Regelungsgehalt eines Verwaltungsaktes maßgebliche Verfügungssatz (vgl § 33 Abs 1 SGB X) noch das der Berechnung zugrunde liegende Einkommen der Klägerin waren im Bewilligungsbescheid als vorläufig und unverbindlich gekennzeichnet. Die vorläufige Entscheidung bezog sich allein auf die Vorlage des mit dem Eintragungsvermerk versehenen Berufsausbildungsvertrags und das Einkommen der Mutter im Bewilligungszeitraum (vgl § 328 Abs 1 Satz 2 SGB III).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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