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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: B 12 KR 11/06 R
Rechtsgebiete: SGB IV, SGB III


Vorschriften:

SGB IV § 28e Abs 2 Satz 1
SGB IV § 28e Abs 1 Satz 1
SGB III § 208 Abs 2 Satz 2
SGB III § 208 Abs 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT

Im Namen des Volkes

Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 7. März 2007

Az: B 12 KR 11/06 R

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündlichen Verhandlung vom 7. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Balzer, die Richter Dr. Berchtold und Dr. Bernsdorff sowie die ehrenamtliche Richterin Gabke und den ehrenamtlichen Richter Johannsen

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. November 2005 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 3.628,62 € festgesetzt.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin verpflichtet ist, Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 3.628,62 € für von ihr entliehene Arbeitnehmer zu zahlen.

Die Klägerin hatte ua für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 5. April 2002 die bei der Beklagten versicherten Arbeitnehmer M. (M), W. (W) und M. (Mo) von dem zugelassenen Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen G. (G. ) entliehen. Die G. zahlte die Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Januar 2002 bis März 2002 trotz Mahnungen seitens der Beklagten nicht. Auch die Sozialversicherungsbeiträge für den Monat April 2002 wurden von der G. nicht gezahlt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts (AG) Hamburg vom 28. März 2002 wurde in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der G. Rechtsanwalt T. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und ua beauftragt, gutachterlich zu prüfen, welche Aussichten für die Fortführung des Unternehmens bestehen. Den im Rahmen der Vorfinanzierung der von der G. zu zahlenden Arbeitsentgelte erfolgten Abtretungen stimmte das Arbeitsamt Hamburg hinsichtlich der Monate Februar und März 2002 mit Bescheid vom 3. April 2002 und bezüglich des Monats April 2002 mit Bescheid vom 25. April 2002 zu. Die der G. erteilte Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung wurde mit Bescheid des Landesarbeitsamtes Nord vom 25. April 2002 mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Mit weiterem Bescheid vom 25. April 2002 teilte das Landesarbeitsamt Hamburg der G. mit, dass gegen die Aussetzung des Widerrufsbescheides keine Bedenken bestehen würden.

Mit Schreiben vom 2. April 2002 teilte der vorläufige Insolvenzverwalter T. den Kunden der G. mit, dass die Löhne und Gehälter sowie die Sozialversicherungsbeiträge für die Mitarbeiter der G. zurzeit durch die Insolvenzgeldansprüche gegenüber dem Arbeitsamt Hamburg gesichert seien. Auch für die Zukunft seien die Löhne und Gehälter sowie die Sozialversicherungsbeiträge, die von ihm getragen würden, gesichert. Mit weiterem Schreiben vom 19. April 2002 teilte Rechtsanwalt T. den Kunden der G. mit, dass eine Haftung für Sozialversicherungsbeiträge der G. gemäß § 28e Abs 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) nicht in Betracht komme.

Mit Beschluss des AG Hamburg vom 1. Mai 2002 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung über das Vermögen der G. am 1. Mai 2002 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit Bescheid vom 14. August 2003 in der Gestalt des Bescheides vom 27. August 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2003 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin unter Hinweis auf § 28e Abs 2 SGB IV Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmer M und W vom 1. Januar 2002 bis 15. März 2002 und für den Arbeitnehmer Mo vom 1. Januar 2002 bis 8. Februar 2002 sowie vom 18. März 2002 bis 5. April 2002 in Höhe von insgesamt 3.628,62 € geltend.

Die Sozialversicherungsbeiträge für die bei der G. beschäftigten und bei der Beklagten versicherten Arbeitnehmer wurden vom Arbeitsamt an die Klägerin für die Monate Februar bis April 2002 gemäß § 208 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) gezahlt.

Die Klägerin hat am 29. Januar 2004 Klage erhoben. Sie hat vorgetragen, dass dann, wenn eine eingeschränkte vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen des Verleihers mit Verpflichtung zur Betriebsfortführung angeordnet worden sei, bis zu einer Gesetzesänderung die Vorschriften der §§ 208 Abs 2 Satz 1 SGB III, 28e Abs 2 Satz 1 SGB IV teleologisch zu reduzieren seien und die Subsidiärhaftung des Entleihers unter bestimmten Voraussetzungen nicht in Betracht komme.

Sie begründet dies im Wesentlichen damit, dass die insolvenzrechtlich geforderte Betriebsfortführungspflicht im Widerspruch zu der in § 28e Abs 2 SGB IV geregelten Haftung des Entleihers stehe. Das Haftungsrisiko des § 28e Abs 2 SGB IV führe nämlich dazu, dass potenzielle Entleiher nicht bereit seien, die für die Fortführung des Betriebes des insolventen Verleihers notwendigen Verträge abzuschließen.

Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Klage mit Urteil vom 1. November 2005 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt. Die Klägerin hafte für die Erfüllung der Zahlungspflicht der G. hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge für die bei dieser entliehenen Arbeitnehmer wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Ein Zahlungsverweigerungsrecht stehe ihr insofern nicht zu, da die G. die Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Januar bis März 2002 trotz Mahnungen und Ablauf der Mahnfristen nicht gezahlt habe und eine Mahnung bezüglich der nicht gezahlten Beiträge für den Monat April 2002 wegen des zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Beiträge am 15. Mai 2002 bereits eröffneten Insolvenzverfahrens über das Vermögen der G. entbehrlich gewesen sei. Unabhängig davon, dass das AG Hamburg eine Betriebsfortführungspflicht nicht bestimmt habe, könne die Klage auch bei Vorliegen aller von der Klägerin benannten Voraussetzungen keinen Erfolg haben. Der Haftungsausschluss des Entleihers bei vorläufiger Insolvenz des Verleihers würde sonst zur Wirkungslosigkeit des § 28e Abs 2 Satz 1 SGB IV führen. Ebenso sei unerheblich, dass das Arbeitsamt die Beiträge für den Insolvenzgeldzeitraum vom 1. Februar 2002 bis 30. April 2002 gezahlt habe.

Mit der vom SG durch Beschluss vom 28. Februar 2006 zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt im Wesentlichen vor: Das SG habe sich mit ihrem Vorbringen zur Erforderlichkeit einer teleologischen Reduktion von § 28e Abs 2 Satz 1 SGB IV aufgrund des Widerspruchs zwischen einer stringenten Anwendung der Subsidiärhaftung des Arbeitnehmerentleihers einerseits und den Auswirkungen dieser Anwendung auf Sanierungsbemühungen nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung andererseits nicht hinreichend auseinander gesetzt. In der Konsequenz führe die Anwendung der Norm zur Zerschlagung des Unternehmens, sodass die mit der neuen Insolvenzordnung erstrebte Sanierung konterkariert werde. Das SG habe im Übrigen verkannt, dass die Betriebsfortführung im Rahmen einer schwachen vorläufigen Insolvenzverwaltung zwar nicht dem Gesetzestext zu entnehmen sei, jedoch eine systemimmanente Notwendigkeit darstelle. Auch in derartigen Fällen bleibe der Insolvenzverwalter daher dem Ziel des Unternehmenserhalts verpflichtet. Wie die Entscheidung der Arbeitsverwaltung, den Widerruf der Erlaubnis zunächst auszusetzen zeige, nehme das Arbeitnehmerüberlassungsrecht die Absicherung der Sozialversicherungsbeiträge über das Insolvenzgeld als mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) in Einklang stehende Lösung hin. Hierdurch werde gleichzeitig dem in § 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV zum Ausdruck kommenden Schutzbedürfnis der Leiharbeitnehmer Rechnung getragen. Die Vorgehensweise des vorläufigen Insolvenzverwalters stehe vorliegend auch in Einklang mit den Regelungen der Insolvenzgeldvorfinanzierung. Der Konflikt sei in der Weise zu lösen, dass entweder der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs des Arbeitsamts gemäß § 208 Abs 2 Satz 2 SGB III die Einwendung der unzulässigen Rechtsausübung entgegenzuhalten sei oder die in § 208 Abs 2 Satz 1 SGB III konstituierte Weiterverfolgungspflicht der Einzugsstellen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht restriktiv auszulegen, sondern teleologisch zu reduzieren sei.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. November 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. August 2003 in der Gestalt des Bescheides vom 27. August 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 19. Dezember 2003 aufzuheben.

Die Beklagte stellt den Antrag,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

II

Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des SG beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht.

Die Klägerin haftet als entgeltliche Entleiherin von drei Arbeitnehmern in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis 5. April 2002 an Stelle des Arbeitnehmerüberlassungsunternehmens G. für die von diesem als Arbeitgeber (§§ 28e Abs 1 Satz 1 SGB IV, § 1 Abs 1 Satz 1 AÜG) auch nach dem Eintreten der Arbeitsverwaltung weiterhin (§ 208 Abs 2 SGB III) geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträge wie ein selbstschuldnerischer Bürge (§ 28e Abs 2 Satz 1 SGB IV).

Das in § 28e Abs 2 Satz 1 SGB IV dem Entleiher eingeräumte Leistungsverweigerungsrecht "solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist," steht der Klägerin nicht zu, obwohl wegen eines Teils der Forderung die G. als Arbeitgeber noch nicht gemahnt ist. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers am 1. Mai 2002 bedarf es ausnahmsweise dessen Mahnung nicht mehr, um an seiner Stelle den Entleiher in Anspruch nehmen zu können. Das Leistungsverweigerungsrecht nach § 28e Abs 2 Satz 2 SGB IV soll den Entleiher vor einer Inanspruchnahme bewahren, bevor die Nichterfüllung der Zahlungspflicht des Arbeitgebers hinreichend sicher feststeht. Hierfür kommt es weder auf die Gründe der fehlenden Erfüllung noch auf die Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung gegen den Arbeitgeber an. Eine im Sinne der genannten Vorschrift erfolglose Mahnung ist daher nicht mehr erforderlich, wenn - wie hier aufgrund des Beschlusses des AG Hamburg vom 1. Mai 2002 - mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers ohnehin dessen "Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung" feststeht, der bisherige Schuldner als Adressat der individuellen Rechtsverfolgung jedenfalls derzeit grundsätzlich entfällt und damit die Einzugsstelle als Insolvenzgläubigerin (§ 38 Insolvenzordnung <InsO>) darauf beschränkt ist, "ihre Forderungen nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren zu verfolgen" (§ 87 InsO), dh ihr ggf zustehende Forderungen im grundsätzlich gleichen Rang wie alle anderen Insolvenzgläubiger beim Insolvenzverwalter anzumelden (§ 174 Abs 1 Satz 1 InsO). Im Blick hierauf ist vorliegend nicht näher darauf einzugehen, dass die beklagte Krankenkasse die G. hinsichtlich der Beiträge für die Monate Januar bis März gemahnt hatte.

Die subsidiäre Haftung der Klägerin entfällt auch nicht etwa deshalb, weil es wegen der Eröffnung des - vorläufigen - Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verleihers in Fällen der vorliegenden Art geboten wäre, den Anwendungsbereich von § 28e Abs 2 Satz 1 SGB IV und/oder von § 208 Abs 2 Satz 1 SGB III "teleologisch zu reduzieren". Die Klägerin sieht dabei selbst als kumulative Bedingungen einer Reduktion der § 28e Abs 2 Satz 1 SGB IV und § 208 Abs 2 SGB III an, dass

1.

eine eingeschränkte vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen des Verleihers mit Verpflichtung zur Betriebsfortführung angeordnet worden ist,

2.

das zuständige Landesarbeitsamt die dem Verleiher erteilte Erlaubnis zur Überlassung der Arbeitnehmer nicht widerrufen oder einen erfolgten Widerruf ausgesetzt und

3.

das zuständige Arbeitsamt der Vorfinanzierung von Insolvenzgeld zugestimmt hat.

Für die Reduktion der Subsidiärhaftung beruft sich die Klägerin im Ausgangspunkt auf einen angeblich vorrangigen "Grundsatz der Unternehmensfortführung", den sie dem seit dem 1. Januar 1999 geltenden Insolvenzrecht entnehmen will, um dann mit Hilfe dieses - im Ausgang zu Gunsten der G. fremdnützigen - Arguments eine Reduktion ihrer eigenen Haftung und/oder bereits der fremden Schuld, für die sie einzutreten hat, zu erreichen. Ein derartiger Grundsatz ist der Insolvenzordnung indes schon für die Zeit der Durchführung des Insolvenzverfahrens - hier aufgrund des Beschlusses des AG vom 1. Mai 2002 ab demselben Tag - so nicht zu entnehmen. Nach § 1 Satz 1 InsO dient das Insolvenzverfahren dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird. Bereits sprachlich ergibt sich damit, dass der Erhalt des Unternehmens nicht etwa seinerseits Ziel des Verfahrens schlechthin ist, sondern es sich hierbei nur um eines von mehreren Mitteln zur "Durchführung der Gesamtvollstreckung im Dienste des sozialen Friedens" handelt (vgl Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl, München 2003, § 1 RdNr 1). Die InsO stellt einen Rechtsrahmen zur Verfügung, der es einem Schuldner oder Schuldnerunternehmen ermöglicht, entweder die Krise zu überwinden oder unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus dem Wettbewerb auszuscheiden (Uhlenbruck, aaO und RdNr 7). Auch soweit daher als Alternative zur liquidierenden Schuldenregulierung den Beteiligten als universelles Instrument zur Masseverwertung die Möglichkeit eines Insolvenzplanes eröffnet ist, geht es um die Maximierung des haftenden Schuldnervermögens (Uhlenbruck, aaO), die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzplans (§ 217 InsO). Nichts anderes gilt erst recht für die massesichernden Maßnahmen des Gerichts während des Eröffnungsverfahrens, die verhindern sollen, dass sich die Haftungsmasse zu Lasten der Gläubiger bis zur Verfahrenseröffnung verschlechtert (Uhlenbruck, aaO, § 21 RdNr 1). Selbst wenn mit der Klägerin von einer "systemimmanenten Notwendigkeit" der Betriebsfortführung im Insolvenzeröffnungsverfahren auszugehen wäre, könnte diesem Gesichtspunkt daher keine stärkere Wirkung zukommen als der Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren. Die erstrebte Betriebsfortführung als Voraussetzung für eine Haftungsbeschränkung beim Bürger könnte zudem allenfalls für den Zeitraum ab Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters für die in Zukunft stehenden Beitragsforderungen Bedeutung haben. Dies wären hier nur die ab dem Beschluss des AG vom 28. März 2002 entstandenen Forderungen. Dagegen besteht bis zum Zeitpunkt der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens nicht einmal denkbar die von der Klägerin postulierte Kollision zwischen der Haftung des Entleihers als Bürgen und der von der InsO angeblich umfassend intendierten Pflicht zur Fortführung des insolvenzgefährdeten Unternehmens.

Ein von der Klägerin behaupteter insolvenzrechtlicher "Grundsatz der Unternehmensfortführung" kann aber auch für die nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters entstandenen Forderungen weder zu einem "Wertungswiderspruch" mit sonstigen Normen und deren Grundlagen führen, noch kann er sonst eine prägende Bedeutung für deren Verständnis erlangen. Vielmehr haben die insofern vorliegend in Frage stehenden Rechtsvorschriften jeweils umgekehrt eine eigenständige und bevorzugt gerade im Insolvenzfall zum Tragen kommende Schutzfunktion zu Gunsten der betroffenen Arbeitnehmer, ihrer Sozialversicherungsträger und der für das Insolvenzgeld nach den §§ 358 ff SGB III umlagepflichtigen Unternehmer. Diese schließt eine - allenfalls in Betracht kommende mittelbare - Einbeziehung von Entleihern wie der Klägerin in den Schutzbereich entweder von vornherein aus oder kommt ihr allenfalls reflexartig zu Gute.

So hat zunächst die subsidiäre Inanspruchnahme des Entleihers nach § 28e Abs 2 Satz 1 SGB IV neben dem unmittelbaren sozialversicherungsrechtlichen Schutz der Leiharbeitnehmer bzw der Sicherung der Einnahmen der Sozialversicherungsträger gerade auch zum Ziel, einen mittelbaren Zwang auf den Verleiher auszuüben, seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Das Risiko der Bürgenhaftung soll den Entleiher dazu veranlassen, sich fortlaufend über die Seriosität des Verleihers zu informieren. Die administrative Kontrolle der Bundesagentur für Arbeit wird auf diese Weise durch marktwirtschaftliche Kontrollmechanismen verstärkt (vgl insofern zutreffend die Ausführungen bei Blank in ZInsO 2000, 521, 522, auf die sich auch die Klägerin bezieht). Das geltende Recht führt auf diese Weise § 393 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung fort, der im Gesetzgebungsverfahren ähnlich begründet worden war (vgl hierzu BT-Drucks VI/2303 S 16) und damit der allgemeinen Zielsetzung des AÜG entsprach, im Sinn der Leiharbeitnehmer den Anforderungen des sozialen Rechtsstaats entsprechende Verhältnisse statt durch die ursprünglich vorgesehene (vgl § 37 Abs 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung idF der Bekanntmachung vom 3. April 1957, BGBl I, 321), vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) indes verbotene (BVerfG vom 4. April 1967, 1 BvR 84/65, BVerfGE 21, 261) Unterstellung der Arbeitnehmerüberlassungsverträge unter das Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit jedenfalls durch Einführung einer generellen Erlaubnispflicht herzustellen und hierdurch eine Ausbeutung der betroffenen Arbeitnehmer auszuschließen (BT-Drucks VI 2303 S 9 f). Dies gilt erst recht im Insolvenzfall. Dass dagegen das Schutzbedürfnis der betroffenen Arbeitnehmer gerade in der hierdurch geschaffenen Lage geringer sein sollte, drängt sich ebenso wenig auf wie Gründe für die Annahme, dass der Entleiher gerade unter diesen Umständen nur in geringerem Maße zur Wahrung ihrer Interessen herangezogen werden soll. Erst recht fehlt es an Anhaltspunkten dafür, dass sich etwa im Insolvenzverfahren das Regelungskonzept des Gesetzes hinsichtlich der Heranziehung des Entleihers nach Intensität und Zielrichtung vollständig ändern und nunmehr die Verminderung des mittelbar auf ihm lastenden Drucks im Sinne staatlich geförderter Bestandserhaltung seiner Vertragstreue bzw Abschlussfreudigkeit gegenüber dem Verleihunternehmen zu Gute kommen sollte.

Schließlich beruft sich die Revision auch zu Unrecht darauf, dass Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Februar bis April 2002 gemäß § 208 Abs 1 SGB III bereits von der Arbeitsverwaltung an die Beklagte abgeführt wurden, die damit vor einem Beitragsausfall bewahrt blieb. Dass sich die Zahlung eines der Beitragsforderung entsprechenden Betrages nach dem Konzept des Gesetzes nicht endgültig zu Lasten der Insolvenzkasse bzw umgekehrt - soweit hiervon der streitige Zeitraum überhaupt erfasst ist - zu Gunsten der G. und der Klägerin als Haftungsschuldnerin auswirken kann, zeigt schon die ausdrückliche gesetzliche Anordnung in § 208 Abs 2 SGB III, der zufolge Ansprüche auf die in Abs 1 genannten Beiträge gegenüber dem Arbeitgeber dennoch bestehen bleiben (Abs 2 Satz 1 aaO) und die Einzugsstelle der Agentur für Arbeit die gezahlten Beiträge nach Maßgabe geleisteter Zahlungen zu erstatten hat (Abs 2 Satz 2 aaO). Dies entspricht dem begrenzten Risikobereich der Insolvenzausfallversicherung, der von Anfang an (vgl zur zweckgleichen Konkursausfallversicherung BT-Drucks 7/1750 S 10, 14 f) in der Weise bestimmt ist, dass hierdurch in Ergänzung der insofern insuffizienten insolvenzrechtlichen Regelungen entfallenes Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer und entfallene Beitragsansprüche ihrer Sozialversicherungsträger (Versicherungsgegenstand) allein zu deren Gunsten und insoweit kompensiert werden, als sie gerade durch den Versicherungsfall der Insolvenz des Schuldners gefährdet sind. Durch den gegenüber dem Insolvenzgeldanspruch der Arbeitnehmer selbstständigen - und schon deshalb von der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zur Vorfinanzierung von Arbeitsentgelt völlig unabhängigen - Anspruch der Einzugsstelle hinsichtlich der geschützten Beitragsansprüche soll dabei erreicht werden, dass den Versicherungsgemeinschaften im maßgeblichen Insolvenzfall des Beiträge schuldenden Arbeitgebers (vgl Bundessozialgericht <BSG> vom 22. Mai 1984, 10 RAr 10/83, SozR 4100 § 141n Nr 8 S 16), keine Nachteile entstehen. Die Einzugsstellen werden damit durch den Eintritt der Bundesagentur für Arbeit in die Stellung des Arbeitgebers und die Begründung eines nach Inhalt und Umfang durch die rückständigen Sozialversicherungsbeiträge bestimmten Anspruchs gegen diese (vgl BSG vom 12. Dezember 1984, 10 RAr 7/83, SozR 4100 § 141n Nr 10 S 26) wirtschaftlich so gestellt, als stünde ihnen der ursprüngliche Schuldner weiterhin solvent gegenüber (vgl insofern bereits zu § 141n des Arbeitsförderungsgesetzes, BSG vom 2. Februar 1984, 10 RAr 8/83, SozR 4100 § 141n Nr 6 S 11 f). Dagegen bleibt der Beitragsanspruch gegen den Beitragsschuldner unberührt. Die Bundesagentur für Arbeit erfüllt nicht etwa für diesen, sondern sie tritt allenfalls im Sinne eines "gesetzlichen Schuldbeitritts" neben ihn, allerdings mit einer eigenständigen Schuldverpflichtung, die ihrerseits durch Erfüllung seitens des Beitragsschuldners gemindert würde, weil dann insofern keine Beiträge mehr rückständig sind (vgl BSG vom 12. Dezember 1984, aaO, S 27, 28). Es fehlt unter diesen Umständen an jeder Grundlage für die Annahme, diejenigen Unternehmer, die mit ihrer an die Unfallversicherungsträger zu zahlenden Umlage (§ 359 Abs 1 SGB III) ua für die Erstattung des von der Bundesagentur für Arbeit getragenen Betrages des Gesamtsozialversicherungsbeitrages aufzukommen haben (§ 358 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB III), repräsentierten damit gleichzeitig die Finanzierungsgemeinschaft einer (mittelbaren) Betriebsausfallversicherung der betroffenen Arbeitgeber. Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Fortführung des Betriebes für den Insolvenzzeitraum ohne Zahlung von Entgelt und Gesamtsozialversicherungsbeiträgen seitens des Entleihers als Arbeitgeber faktisch schwieriger sein wird, weil die Übernahme dieser Leistungen durch die Arbeitsverwaltung als Träger der Insolvenzkasse in diesem Fall nicht endgültig ist. Indes ist diese Art der Fortführung des Unternehmens, die letztendlich primär der Insolvenzmasse weiteres Vermögen zuführt, nicht vorrangige Aufgabe des Insolvenzgeldes.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2, 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm §§ 161 Abs 2, 154 Abs 2 der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm §§ 52 Abs 3, 63 Abs 2 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes.

Ende der Entscheidung

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