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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 29.11.2007
Aktenzeichen: B 13 R 7/07 R
Rechtsgebiete: SGB VI, EinigVtr, AAÜG, GG


Vorschriften:

SGB VI § 210 Abs 1
SGB VI § 210 Abs 2
SGB VI § 210 Abs 3 S 1
SGB VI § 210 Abs 3 S 6
SGB VI § 248 Abs 1
SGB VI § 248 Abs 3
SGB VI § 55
EinigVtr Anlage II Kap VIII H III Nr 9
EinigVtr Anlage II Kap VIII H
AAÜG § 1 Abs 1 S 1
AAÜG § 2 Abs 1
AAÜG § 2 Abs 2 S 1
AAÜG § 5
AAÜG § 8
AAÜG Anl 2 Nr 1
GG Art 2
GG Art 3 Abs 1
GG Art 14 Abs 1

Entscheidung wurde am 27.08.2008 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Es besteht kein Anspruch auf Erstattung der Beiträge, die ein Berufssoldat der NVA und nachfolgend der Bundeswehr bis 1991 gezahlt hat; diese werden nicht zur Rentenversicherung iS des § 210 SGB VI, sondern zu einem Sonderversorgungssystem entrichtet.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 7/07 R

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 29. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Steinwedel, die Richter Dr. Fichte und Dr. Terdenge sowie die ehrenamtliche Richterin Farlock und den ehrenamtlichen Richter Lippert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von gezahlten Beiträgen.

Der im Jahre 1971 in der DDR geborene Kläger war dort vom 5.9.1989 bis 31.8.1991 zunächst Soldat der Nationalen Volksarmee (NVA) und nach der Wiedervereinigung Soldat der Bundeswehr. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften war er als Referendar Beamter auf Widerruf im niedersächsischen Landesdienst. Seit April 2001 ist er angestellter Rechtsanwalt in Niedersachsen und als solcher Mitglied der zuständigen Rechtsanwaltskammer sowie Pflichtmitglied der berufsständischen Versorgung (Rechtsanwalts-Versorgung Niedersachsen), an die auf seinen Antrag auch die Nachversicherungs-Beiträge abgeführt wurden. Auf seinen Antrag hat ihn ferner die Beklagte mit Wirkung ab 12.4.2001 gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit.

Im Juli 2002 stellte der Kläger bei der Beklagten formularmäßig einen "Antrag auf Beitragserstattung". Die Beklagte holte wegen der og Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zur NVA bzw der Bundeswehr eine Auskunft der Wehrbereichsverwaltung Ost ein, die unter dem 4.4.2003 eine Entgeltbescheinigung nach § 8 Abs 2 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) für den Zeitraum vom 5.9.1989 bis zum 31.8.1991 erteilte. Am 11.9.2003 lehnte die Beklagte die Beitragserstattung ab und erließ gleichzeitig einen Vormerkungsbescheid gemäß § 149 Abs 5 SGB VI.

Im Widerspruchsverfahren schränkte der Kläger den geltend gemachten Erstattungszeitraum auf die Zeit seit dem 1.7.1990 ein und machte geltend, dass er ausweislich der Mitteilungen des Wehrbereichsgebührnisamts VII und der Verdienstabrechnungen aus dem Jahr 1990 für den streitigen Zeitraum eigene Beitragsleistungen in einer Gesamthöhe von DM 1.284,00 (= € 656,50) abgeführt habe, die ihm nunmehr nach § 210 SGB VI zu erstatten seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.2.2004 wurde sein Widerspruch zurückgewiesen.

Das Sozialgericht Stade (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16.2.2005), das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 15.1.2007). Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Ein Anspruch auf Erstattung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen nach § 26 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) scheide von vornherein aus, weil eine unrechtmäßige Entrichtung der Beiträge an ein Sonderversorgungssystem (NVA) nicht ersichtlich sei und vom Kläger auch nicht geltend gemacht werde.

Auch ein Anspruch auf Erstattung der streitigen Beitragsleistungen nach § 210 SGB VI bestehe nicht. Dort wird die Zahlung von "Beiträgen" vorausgesetzt. Was unter "Beiträgen" zu verstehen sei, sei, mangels Definition in § 210 SGB VI, anhand des Allgemeinen Teils des SGB VI zu bestimmen, und zwar dort nach den §§ 54 und 55. Dort seien Beiträge nach Bundesrecht vorausgesetzt. Hierzu zählten nicht solche Beiträge, die im Beitrittsgebiet vor der Wiedervereinigung gezahlt worden seien. Insoweit gelte vielmehr die Sondervorschrift des § 248 SGB VI. Diese setze jedoch voraus, dass die Beiträge im Gebiet der ehemaligen DDR in die dortige gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt worden seien, nicht aber in Sonder- und Zusatzversorgungssysteme; solche Systeme zählten gerade nicht zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Kläger habe die streitigen Beiträge an das Sonderversorgungssystem der Angehörigen der NVA nach Anlage 2 Nr 1 zum AAÜG entrichtet. Somit lägen weder originär nach Bundesrecht gezahlte Beiträge vor noch Beiträge, die solchen gleichzustellen seien.

Die Regelung des § 210 SGB VI, die eine Erstattung von zu Sonderversorgungssystemen der DDR gezahlten Beiträgen nicht vorsehe, sei nicht verfassungswidrig. Zwar nähmen die im Beitrittsgebiet durch Beitrags- oder Arbeitsleistung erworbenen Rentenansprüche oder Anwartschaften am verfassungsrechtlichen Schutz des Grundgesetzes (GG) teil, insbesondere unterfielen sie dem Eigentumsschutz aus Art 14 Abs 1 GG. Allerdings beschränke sich der verfassungsrechtliche Schutz auf diejenige Form, in welcher die Ansprüche und Anwartschaften durch die Regelungen des Einigungsvertrags (EinigVtr) überführt worden seien. Denn erst durch diese Überführung seien diese Rechte dem Schutz des GG unterstellt worden. Der Gesetzgeber habe daher unter Ausnutzung seines politischen Gestaltungsspielraums Inhalt und Schranken der im Beitrittsgebiet erworbenen Rentenansprüche und Anwartschaften bestimmen können. Im Rahmen dieses Gestaltungsspielraums sei es dem Gesetzgeber des Wiedervereinigungsprozesses gestattet gewesen, im Bereich der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme nicht die Beiträge als solche zu überführen, sondern die in den Systemen erworbenen Ansprüche und Anwartschaften. Handele es sich daher bei der rechtlichen Ausgestaltung der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen nach dem AAÜG um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art 14 GG, so sei auch eine sachwidrige Ungleichbehandlung nach Art 3 GG nicht zu erkennen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß eine Verletzung der §§ 210, 248, 55 SGB VI, des § 5 AAÜG sowie der Art 14 und 3 GG. Die Vorinstanzen hätten den Begriff "Beiträge" in § 210 SGB VI unzutreffend ausgelegt. Er, der Kläger, habe Beiträge im Beitrittsgebiet nach dem 30.6.1990 (dh nach Einführung der DM durch die Währungsunion) gezahlt. Zwar sei die Zahlung bis zum 2.10.1990 in das Sonderversorgungssystem der Angehörigen der NVA erfolgt. Ob dies auch für die nachfolgende Zeit, dh vom 3.10.1990 bis 31.8.1991, zutreffe, sei zweifelhaft, weil er, der Kläger, zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Soldat der NVA, sondern der Bundeswehr gewesen sei. Zumindest nach der Wiedervereinigung habe er Beiträge nach Bundesrecht iS von § 55 SGB VI erbracht. Zahlungsempfänger sei insoweit das Wehrbereichsgebührnisamt VII gewesen. Für die im Beitrittsgebiet geleisteten Beiträge vor der Wiedervereinigung gelte die Sondervorschrift des § 248 SGB VI. Zutreffend sei, dass von dieser Vorschrift Beiträge zu Sonder- und Zusatzversorgungssystemen nicht erfasst würden. Für die Zeit nach dem 3.10.1990 gelte diese Sondervorschrift hingegen nicht, sondern die originäre Vorschrift des § 55 SGB VI. Diese Vorschrift gehe auch § 5 AAÜG vor. Zum anderen sei die Vorschrift des § 5 AAÜG vor dem Hintergrund des § 2 AAÜG zu sehen. Nach § 2 Abs 1 AAÜG würden die in Anlage 2 Nr 1 bis 3 genannten Versorgungssysteme bis 31.12.1991 geschlossen. Wenn die ab 3.10.1990 zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem der DDR gezahlten Beiträge von der allgemeinen Beitragserstattungsvorschrift des § 210 SGB VI ausgeschlossen wären, läge ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG vor. Die Ausführungen des LSG zur Transformierung der in der DDR erworbenen Rechte durch den EinigVtr beträfen nur Beiträge vor dem 3.10.1990. Ein Gestaltungsspielraum habe dem Gesetzgeber zumindest seit der Wiedervereinigung nicht mehr zugestanden, sodass ab diesem Zeitpunkt die gezahlten Beiträge in vollem Umfang dem verfassungsrechtlichen Schutz des Art 14 Abs 1 GG unterstellt seien. Ein Ausschluss dieser Beiträge von der Beitragserstattungsregelung würde insofern einer Enteignung gleichkommen und im Hinblick auf die anderen Beitragszahler auch eine sachwidrige Ungleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 GG darstellen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15.1.2007 sowie das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 16.2.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 11.9.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.2.2004 zu verurteilen, ihm € 656,50 für ab 1.7.1990 als Soldat der NVA und nachfolgend der Bundeswehr bis 31.8.1991 gezahlte Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beklagte hält die Urteile der Vorinstanzen für zutreffend und führt ergänzend aus: Sie habe vom Kläger in dem streitigen Zeitraum keine Beiträge erhalten. Das SG und das LSG hätten hinsichtlich des hier relevanten Erstattungszeitraums vom 1.7.1990 bis 31.8.1991 bindend festgestellt, dass die streitigen Beiträge nicht an ein System der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern an das Sonderversorgungssystem der Anlage 2 Nr 1 zu Art 3 RÜG (AAÜG), der Sonderversorgung der Angehörigen der NVA, gezahlt worden seien. Gegen diese bindenden Tatsachenfeststellungen habe der Kläger keine Verfahrensrügen erhoben. Die weiterbeschäftigten ehemaligen Soldaten der NVA hätten nicht der gesetzlichen Rentenversicherung angehört, sondern hätten bis Ende 1991 weiterhin den Regelungen der Versorgungsordnung der NVA unterlegen. Dies habe auf dem übergangsweisen und Lücken füllenden fortgeltenden Recht des Beitrittsgebiets und nicht auf Bundesrecht beruht. Da die Beiträge in dem Versorgungssystem nicht nach Bundesrecht entrichtet worden seien, sei § 55 SGB VI nicht einschlägig. Vielmehr sei hier § 248 SGB VI als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Die Sonderversorgungssysteme hätten auf weitergeltendem Recht basiert. Die vom Kläger gezahlten Beiträge zum Sonderversorgungssystem seien auch nicht verloren, weil dadurch ein Anspruch bzw eine Anwartschaft auf die in der Versorgung genannten Leistungen erworben sei. Diese Zeiten seien den Beitragszeiten nach Bundesrecht im Rahmen des § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI jedoch nicht gleichgestellt. Nach dem AAÜG sei auch keine Überführung der zum Sonderversorgungssystem gezahlten Beiträge vorgesehen, sondern lediglich eine Erstattung der sich aus der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften ergebenden Aufwendungen durch den Bund (§ 15 AAÜG). Grundrechtsverstöße lägen nicht vor. Insbesondere bestehe kein Grund für eine Differenzierung hinsichtlich des Grundrechtsschutzes aus Art 14 GG danach, ob die Beiträge vor oder nach dem 3.10.1990 gezahlt worden seien. Denn der Kläger habe bis zum 31.8.1991 seine Beiträge allein aufgrund der Vorschriften des Beitrittsgebiets bzw der insoweit weitergeltenden Vorschriften gezahlt.

II

Aufgrund des Einverständnisses nach § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung.

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht haben das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16.2.2005 und das LSG die Berufung mit Urteil vom 15.1.2007 zurückgewiesen.

Streitgegenstand ist die Erstattung von Beiträgen in Höhe von € 656,50 (vormals DM 1.284,00). Hierbei handelt es sich um die Beiträge ab 1.7.1990 bis 31.8.1991, die der Kläger in seiner Eigenschaft als Berufssoldat der NVA bzw nach der Wiedervereinigung der Bundeswehr entrichtet hat. Nicht streitig sind die vor diesem Datum entrichteten Beiträge; denn die Klage- und Berufungsanträge beziehen sich nur auf den Zeitraum ab 1.7.1990.

Insoweit hat der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung von Beiträgen. Der Bescheid der Beklagten vom 11.9.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.2.2004 ist nicht zu beanstanden. Ein Anspruch nach § 210 SGB VI besteht nicht. Die Vorschrift regelt die Erstattung zu Recht gezahlter Beiträge (für die Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge, die in § 26 Abs 2 und 3 SGB IV erfasst sind, besteht kein Anhalt). Nach Abs 1 der Vorschrift werden Beiträge auf Antrag erstattet,

1. Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben,

2. ...

Nach Abs 2 der Vorschrift werden Beiträge nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist. Nach Abs 3 Satz 1 der Vorschrift werden Beiträge in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. Beiträge im Beitrittsgebiet werden nach Abs 3 Satz 6 der Vorschrift nur erstattet, wenn sie für Zeiten nach dem 30.6.1990 gezahlt worden sind. Der Kläger hat jedoch nie "Beiträge" iS dieser Vorschrift geleistet.

Denn hiermit sind lediglich Beiträge zur (deutschen) Rentenversicherung gemeint (vgl BT-Drucks 11/4124 S 192; Begründung zu § 205 SGB VI idF des Entwurfs zum RRG 1992). Dies gilt auch für die nach § 210 Abs 3 Satz 6 SGB VI in die Beitragserstattung einbezogenen Beiträge im Beitrittsgebiet für Zeiträume nach dem 30.6.1990.

Als Berufssoldat der NVA gehörte der Kläger bis zur Wiedervereinigung jedoch nicht der Rentenversicherung, sondern einem Sonderversorgungssystem der DDR (vgl Anl 2 Nr 1 zum AAÜG) an und hatte Beiträge hierzu entrichtet. Der Kläger unterlag auch nach seinen Angaben in der Revisionsbegründung der Beitragspflicht nach der Versorgungsordnung der NVA vom 1.9.1982 (nicht veröffentlicht, abgedruckt bei Aichberger II Nr 230). Diese erfasste Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, nicht jedoch Wehrpflichtige.

Hieran hat sich auch nach der Währungsunion nichts Maßgebliches geändert. Im Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5.1990 (GBl I Nr 34 S 332 = BGBl II 537) war zwar vorgesehen, dass "grundsätzlich" die bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme bis zum 1.7.1990 geschlossen werden sollten (vgl Art 20 Abs 2 Satz 2). Die Denkschrift zu diesem Vertrag führt zu Art 20 aus (vgl BT-Drucks 11/7350 S 97 ff, 108): "Die Verwendung des Wortes 'grundsätzlich' macht deutlich, dass die Deutsche Demokratische Republik hinsichtlich einzelner Systeme Ausnahmen machen kann. Die in diesen Systemen bisher erworbenen Ansprüche und Anwartschaften werden von der Rentenversicherung abgewickelt, wobei die Leistungen aus diesen Sonder- und Zusatzversorgungssystemen nach Grund und Höhe überprüft werden". Tatsächlich wurden bis zu dem genannten Zeitpunkt neben den Zusatzversorgungssystemen (vgl § 22 Abs 1 des Rentenangleichungsgesetzes <RAnglG-DDR> vom 28.6.1990, GBl I Nr 38 S 495) nur das Sonderversorgungssystem des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) geschlossen (Aufhebung der entsprechenden Versorgungsordnung durch § 1 Satz 1 des Gesetzes über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen MfS/Amtes für Nationale Sicherheit vom 29.6.1990, GBl I Nr 38 S 501, abgedruckt bei Aichberger II Nr 135; zur Lückenhaftigkeit dieses Gesetzes vgl BSG SozR 3-2500 § 309 Nr 1 S 5 f).

Die Versorgungsordnung der NVA wurde lediglich mit Grundsatzentscheidung zur Ordnung Nr 005/9/003 - Versorgungsordnung - vom 6.7.1990 (nicht veröffentlicht, abgedruckt in Aichberger II Nr 233) dahingehend geändert, dass zu einzeln genannten Versicherungsarten (Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung) Beiträge in bestimmter Höhe zu entrichten waren und die Beitragsbemessungsgrenze festgelegt wurde. Danach waren zu entrichten: zur "Rentenversicherung" vom Armeeangehörigen 9,35 % und vom Ministerium für Abrüstung und Verteidigung (später dem Bundesministerium der Verteidigung als Nachfolger) ein gleichhoher Prozentsatz (vgl Nr 1 der Grundsatzentscheidung), und zwar mit Wirkung ab 1.7.1990 (vgl Nr 7, aaO).

Da die Sonderversorgung der NVA fortbestand, kann dies nur heißen, dass damit die bisher schon so bezeichneten "Beiträge" zu diesem System geregelt wurden. Ihr materieller Charakter hat sich dadurch nicht verändert, dh es waren weiterhin Beiträge zu einem Sonderversorgungssystem und nicht zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten (vgl näher auch Beyer, Neue Zeitschrift für Wehrrecht 1990, 247). Insoweit war eine Anpassung an die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung angestrebt. Dass zum 1.7.1990 eine Versicherungspflicht der Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit der NVA eingeführt wurde, lässt sich weder dem Gesetz über die Sozialversicherung vom 28.6.1990 (GBl I Nr 38 S 486; abgedruckt in Aichberger II Nr 42) noch anderen Regelungen entnehmen. Im Übrigen geht auch die Revisionsbegründung davon aus, dass bis zum 2.10.1990 die Zahlungen in das Sonderversorgungssystem erfolgten.

Nichts anderes ergibt sich, soweit hier streitig, für die Zeit nach der Wiedervereinigung:

Gemäß Anlage II Kap VIII Sachgeb H Abschn III Nr 9 des EinigVtr vom 31.8.1990 (BGBl II 889) blieb ua folgendes Recht der DDR mit folgenden Maßgaben über den 2.10.1990 hinaus in Kraft:

Regelungen für Sonder- und Zusatzversorgungssysteme (Versorgungssysteme) mit folgenden Maßgaben:

a) Die noch nicht geschlossenen Versorgungssysteme sind bis zum 31. Dezember 1991 zu schließen; Neueinbeziehungen sind vom 3. Oktober 1990 an nicht mehr zulässig. Bis zur Schließung sind die versicherungs- und beitragsrechtlichen Regelungen der jeweiligen Versorgungssysteme weiter anzuwenden, soweit sich aus diesem Vertrag nichts anderes ergibt. Sie sind den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet anzupassen.

b) Die erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod sind, soweit dies noch nicht geschehen ist, bis zum 31. Dezember 1991 in die Rentenversicherung zu überführen. Bis zur Überführung sind die leistungsrechtlichen Regelungen der jeweiligen Versorgungssysteme weiter anzuwenden, soweit sich aus diesem Vertrag, insbesondere den nachfolgenden Regelungen nichts anderes ergibt.

Die in Buchst b) Satz 1 enthaltene Grundregel hat das AAÜG vom 25.7.1991 (BGBl I 1677) umgesetzt.

Ab dem 3.10.1990 galt für Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten der Bundeswehr ferner die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß dem ausnahmsweise bereits zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen § 5 Abs 1 Nr 1 SGB VI (s hierzu EinigVtr Anl I Kap VIII Sachgeb H Abschn III Nr 1 Buchst b).

Somit richten sich evtl Ansprüche auch aus den nach der Wiedervereinigung entrichteten Beiträgen zum Sonderversorgungssystem der NVA allein nach den übergangsweise weitergeltenden Vorschriften der Versorgungsordnung der NVA, die keine Beitragserstattung kannte, bzw nach dem AAÜG. Dieses hat jedoch weder Beitragserstattungsansprüche auf die Rentenversicherung übertragen noch gar begründet. Nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Nach Schließung dieser Systeme (ua des in Anlage 2 Nr 1 aufgeführten Versorgungssystems der NVA) bis zum 31.12.1991 (§ 2 Abs 1 AAÜG) wurden nur die erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf bestimmte Leistungen (vgl im Einzelnen § 2 Abs 2 Satz 1 AAÜG) in die Rentenversicherung überführt, nicht aber Ansprüche auf Beitragserstattung. Auch bis zur Schließung geleistete Beiträge wurden nicht überführt (s § 8 AAÜG). Vielmehr ist lediglich geregelt, dass der Bund die sich aus der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften ergebenden Aufwendungen erstattet (§ 15 AAÜG). Soweit § 5 Abs 3, 4 AAÜG eine Beitragserstattung erwähnt, bezieht sich dies nur auf Systeme der Zusatzversorgung und setzt im Übrigen eine Beitragserstattung aufgrund einer anderen Rechtsgrundlage voraus.

Zugunsten des Klägers wirkt sich schließlich auch nicht die Vorschrift des § 248 SGB VI aus. Diese regelt die den Beitragszeiten nach Bundesrecht gleichgestellten Beitragszeiten. Nach Abs 1 gehören hierzu Pflichtbeitragszeiten für Zeiten des Wehrdienstes im Beitrittsgebiet; hiermit sind jedoch nur Zeiten des DDR-Grundwehrdienstes gemeint (vgl näher Schmidt in Kreikebohm, SGB VI, 2. Aufl 2003, § 248 RdNr 4 bis 10). Solche liegen nicht vor, weil der Kläger Berufssoldat war.

Auch auf § 248 Abs 3 SGB VI kann sich der Kläger nicht berufen. Nach Satz 1 Halbsatz 1 der Vorschrift stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8.5.1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Hierzu aber gehören Beiträge zu einem Sonderversorgungssystem nicht (s Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 248 SGB VI RdNr 40; Schmidt in Kreikebohm, aaO, § 248 RdNr 30).

Die Nichterstattungsfähigkeit der og Beiträge ist auch nicht grundrechtswidrig. Es liegt weder ein Verstoß gegen Art 14 noch gegen Art 3 oder Art 2 GG vor.

Der Schutzbereich des Art 14 Abs 1 GG (Eigentumsgrundrecht) wird durch die Ablehnung der Erstattung nicht berührt. Die vom Kläger zur Sonderversorgung der NVA geleisteten Beiträge waren, wie aufgezeigt, zu keiner Zeit erstattungsfähig. Die aus ihnen erworbenen Anwartschaften bleiben bei der Beklagten bestehen (vgl zu einer ähnlichen Fallkonstellation BVerfG vom 31.8.2004 - 1 BvR 945/95 - SozR 4-2600 § 7 Nr 2 RdNr 8 bis 10).

Für eine sachwidrige Ungleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 GG fehlen ausreichende Anhaltspunkte. Für die Fortführung des Sonderversorgungssystems der NVA für die Übergangszeit vom 3.10.1990 bis zum 31.12.1991 lagen hinreichende Sachgründe vor, die in der Übergangsphase sowohl der Streitkräfte als auch der sozialen Sicherung begründet liegen.

Ebenso wenig ist Art 2 GG dadurch verletzt, dass der Kläger Beiträge leisten musste, mit denen er weder die Wartezeit für Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllt noch sie erstattet erhalten oder auf seine Versorgungseinrichtung übertragen kann. Personen, die das Versorgungssystem wechseln, können nicht unter Berufung auf das GG verlangen, von jeglichem rechtlichen Nachteil verschont zu bleiben (BVerfG, aaO, RdNr 12). Im Übrigen ist gegenwärtig noch nicht absehbar, ob der noch junge Kläger in der Zukunft die Anwartschaft doch noch erfüllen kann, zB durch Entrichtung freiwilliger Beiträge während der Zeit einer Tätigkeit als selbstständiger Rechtsanwalt (BVerfG, aaO, RdNr 14 f) oder einer Beschäftigung, die nicht mit der Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltsversorgung verbunden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Ende der Entscheidung

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